Dem Wandel mit intuitiver Weisheit begegnen

Als ich vor wenigen Wochen das neue Buch Wilder Geist – Wildes Herz von Christina Kessler aufschlug, war ich von der Einführung wie vom Donner gerührt. Denn sie beschreibt eine Naturkatastrophe in Ladakh vom 6. August 2010, die sich aktuell wie ein Vorbote der Ereignisse in Japan liest und fühlt. Ihr Fazit trotz aller auch erschreckenden Auswirkungen: Der Wandel ist eine Chance! Und das belegt die Kulturanthropologin indem sie alte Weisheitstraditionen und moderne Forschungslinien verbindet: „Die geheimen inneren Räume erforschen, sich selbst entdecken, den Schatz intuitiver Weisheit finden – das ist jedem Menschen möglich“, sagt Kessler. „Vorausgesetzt, er hat das nötige Rüstzeug: Eine Kenntnis der inneren Landkarte, der Sprache des wilden Herzens – dann hat er den Kompass in der Hand.“

Tatsächlich ist das Buch ein guter Kompass in den jetzigen stürmischen Zeiten. Auf gut lesbaren 200 Seiten trägt Kessler die Essenz ihre jahrezehntelangen Forschungen und Erkenntnisse zusammen. Persönliche Erlebnisberichte machen die auch Konzepte gut nachvollziehbar. Nach Ostern erscheint bei den newslichtern eine weiterführende Kolumne von Christina Kessler zum Thema Intuition, heute vorab schon mal ein Auszug aus dem Buch:

„In nur wenigen Jahrzehnten hat sich die westliche Zivilisation über die ganze Erde ausgebreitet. Wissenschaft, Technik, Wirtschaftswachstum und Konsum haben das ehemalige Bild unseres Planteten vollständig verändert – ein Eroberungsfeldzug ohnegleichen. Die Auswirkungen sind nicht nur an der Oberfläche wahrnehmbar; längst rütteln sie an unsichtbaren Ebenen wie dem Gleichgewicht der Natur, längst ist das gesamte Bewusstsein der Menschheit in Mitleidenschaft gezogen. Betroffen sind nicht nur die Hochburgen des Fortschritts, sondern vor allem auch Gebiete, die von den dessen Wohltaten nicht einmal profitieren.

In der Ära der Zivilisation wurde der Mensch zum rücksichtslosen Beherrscher der Natur. Tiefe Löcher hat seine Anmaßung gerissen, nicht nur in die Umwelt, in unser aller Leben. Löcher, die zum großen Teil nicht mehr gestopft werden können, weil es davon inzwischen zu viele gibt. Ist das eine repariert, tut sich bereits das nächste auf. Es ist nicht etwa fünf vor zwölf, es ist bereits fünf nach. Jetzt heißt es aufwachen. Es bleiben nur noch ein paar Jahre, um den Abwärts-Trend umzukehren. Wir werden damit Schluss machen müssen, uns nicht zuständig fühlen. Wir werden uns den ökologischen und existentiellen Fragen stellen und unseren Blick auf die Welt ändern müssen. Wir haben keine Wahl.

Dass wir gegenwärtig eine Phase der Umwälzung erleben, ist inzwischen hinreichend bekannt. Aber nur die wenigsten sind sich über deren wirkliche Tragweite im Klaren. Tatsächlich befinden wir uns inmitten eines epochalen Wandels. Unsere Welt erfährt eine vollständige Umgestaltung. Eine globale Kultur ist im Entstehen begriffen, in der die unterschiedlichsten gesellschaftlichen und weltanschaulichen Systeme aufeinanderprallen. Traditionen, Überzeugungen, Werte, Sitten und Bräuche relativieren sich. Eingefahrene Strukturen erweisen sich zunehmend als einschränkend und schreien nach Erneuerung. Erstmals in der Menschheitsgeschichte steht uns das geistige Erbe aus allen ethnographischen Räumen und Kulturepochen zur Verfügung – frei zugänglich für Jedermann. Der ungehinderte Austausch von Informationen hat zu rasanten Entwicklungen in Wissenschaft und Technologie geführt. Dabei kam es zu solch einer Beschleunigung des soziokulturellen und wirtschaftlichen Wachstumsprozesses, dass dieser schließlich ausuferte. Die Verhältnisse auf der Erde sind ungesund geworden, lebensfeindlich. Sie sind aus der Balance geraten.

Die meisten Menschen hoffen, der Wandel möge bald vorbei sein. „Lass den Kelch an mir vorübergehen!“ Als hätten sie mit der Krise nichts zu tun, als wäre sie ein Film, der in der Welt da draußen abläuft. Doch diesmal wird der Wandel nicht mehr aufhören. In Zukunft wird er sogar unser Leben bestimmen. Wir werden uns an ihn gewöhnen, mit ihm fertig werden müssen.
Tagtäglich bekommen wir zu spüren, dass wir mit all den Innovationen und den damit verbundenen Maßnahmen, die nicht nur Wirtschaft und Politik, sondern alle Lebensbereiche betreffen, eigentlich gar nicht mehr mitkommen. Längst sind wir von dem ständig wechselnden Angebot an Produkten, Erfindungen und Veränderungen hoffnungslos überfordert. Kaum hat man sich mit einer Neuerung angefreundet oder sich an sie gewöhnt, kündigen die Medien schon lautstark die nächste an – schneller, besser, effizienter, mehr. Schien vormals alles seinen festen Platz zu haben, steht heute kein Stein mehr auf dem anderen. Konnten sich etablierte soziale Gewohnheiten einst über Generationen hinweg halten, werden wir nun an jeder Ecke mit dem Aspekt der Vergänglichkeit konfrontiert. Was früher eine Anschaffung fürs Leben war, wandert heute nach einem Jahr auf den Müll, um seinem Folgemodell Platz zu machen. Unser Wissen vervielfältigt sich täglich und mit ihm die Möglichkeiten, es zu nutzen, was uns jeden Augenblick vor neue Entscheidungen stellt.

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