Freifahrt für alle

bus1995 stand die Stadt Hasselt in Belgien vor dem Ruin und konnte deshalb keinen zur Verkehrsentlastung benötigten dritten Umfahrungsring finanzieren. Der Restaurantbesitzer Steve Stevaert ließ sich aus Ärger über die Verkehrszunahme in seiner Heimatstadt im Jahr 1995 als Kandidat für die Bürgermeisterwahl aufstellen und gewann mit seinem innovativen Verkehrskonzept die Wahl. Er griff dabei einen Plan des flämischen Verkehrsministers Eddy Baldewijns auf, der dem öffentlichen Personennahverkehr Vorrang einräumte. Hasselt hat etwa 68.000 Einwohner. Es gab damals nur zwei Buslinien und acht Stadtbusse, die etwa 1.000 Menschen täglich beförderten, rund 360.000 Fahrgäste im Jahr.

Jetzt wurde das Bussystem wurde ausgebaut und ein 15-Minuten-Taktfahrplan eingeführt. Und seit dem 1. Juli 1997 sind alle Busse von jedermann kostenlos zu benutzen. Im Gegenzug wurden 800 Parkplätze im Stadtgebiet abgeschafft. Parken kostete jetzt 1 Euro die erste Stunde, danach wurden 10 Euro für den halben Tag fällig. Die Parkeinnahmen investierte die Stadt wieder direkt in den öffentlichen Verkehr.

Den vielspurigen Innenstadtring ließ Stevaert mit 400 Bäumen bepflanzen und zum fußgänger- und radfahrerfreundlichen „Grünen Boulevard“ umgestalten. Während der Pilotphase in den Jahren 1997 bis 2000 teilten sich die Stadt Hasselt und das Land Flandern die Kosten für das Bussystem. Die Stadt erstattete dem Verkehrsanbieter die Einnahmeausfälle durch die nicht durch Fahrscheine finanzierte Nutzung in Höhe von etwa 800.000 Euro. Trotz der Fahrgastzuwächse blieb dies ein vernachlässigbarer Posten im kommunalen Haushalt. Hasselt muss weniger als 1 Prozent der städtischen Budgets an den Verkehrsanbieter zahlen. Das sind etwa 18 Euro im Jahr pro Steuerzahler.

Das Ergebnis: In rund 15 Jahren verdreifachten sich der Umsatz und die Arbeitsplätze in der Innenstadt von Hasselt. Seit der Umstellung auf Nulltarif befördern die Stadtbusse jährlich weit über 2 Millionen Fahrgäste, seit dem Jahr 2000 mehr als 3 Millionen, und seit dem Jahr 2004 über 4 Millionen. Vierspurige Straßen konnten auf zwei Spuren zurückgebaut werden, weil die breiten Verkehrsadern nicht mehr benötigt werden. Mit Temporeduktionen und Baumaßnahmen wurde 2005 der Aspekt der Verkehrssicherheit noch einmal besonders in Angriff genommen.

Nach seiner Zeit als Bürgermeister wurde Stevaert Verkehrsminister in Flandern und Parteivorsitzenden der SP.A. Die Stadt Hasselt wurde durch dieses Projekt in Verkehrskreisen in ganz Europa bekannt. Und Hasselt hat Nachahmer gefunden. Seit 2013 wird im estnischen Tallinn ebenfalls kein Fahrschein mehr für die Nutzung des städtischen Linienbusnetzes benötigt. Im US-amerikanischen Portland (580.000 Einwohner) sind im Innenstadtbereich alle Nahverkehrsmittel kostenlos. Im benachbarten Seattle ist der ÖPNV werktags von 6 – 19 Uhr gratis. Die Website freepublictransports.com beschreibt weltweit 48 Städte mit fahrscheinlosen Nahverkehrsangeboten.

Mehr bei Wikipedia und Deutschland Radio.

Sharing is Caring 🧡
Posted in Inspiration, Projekte Verwendete Schlagwörter: , ,
Ein Kommentar zu “Freifahrt für alle
  1. Doris sagt:

    Hi, ich habe darüber auch geschrieben – es gibt ja noch andere Positivbeispiele dazu, juhuu: http://www.littlemissitchyfeet.com/welcome-to-the-reevolution-globale-freifahrt-fur-alle/
    lg Doris

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Dein Kommentar wird nach der Prüfung freigeschaltet. Bitte beachte, Einschätzungen und Meinungen in Ich-Form zu formulieren und die AutorInnen zu wertschätzen. Nicht identifizierbare Namen (Nicknames), Kommentare ohne erkennbaren Bezug auf den Inhalt des Artikels und Links zu nicht eindeutig verifizierbaren Seiten bzw. zur Eigenwerbung werden grundsätzlich nicht freigeschaltet.