Hochwasser: Wir haben viel gelernt

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Foto: Facebook Infoseite Hochwasser

Von Sabrina Hadwiger Betroffene und Helferin im Hochwasser von Passau: „Das Wasser weicht langsam aber stetig zurück. Gassen, Wege, Pflastersteine kommen wieder zum Vorschein. Berge von Sand, Trümmerhaufen, bestehend aus dem Habe und Gut vieler Betroffenen verschwinden langsam aber sicher. Spuren der letzten Woche – Stück für Stück greift die Normalität in unser Leben ein und zumindest optisch gesehen findet die Stadt zu ihrer ursprünglichen Gestalt zurück.
Naturgewalt. Ein großes Wort der deutschen Sprache und doch ein Wort, was wir nie wirklich in seinem vollen Ausmaß begriffen hatten. Zumal wir eine wirkliche Katastrophe niemals in einem kleinen beschaulichen Städtchen wie Passau vermutet hätten.

Wie oft sieht man die Bilder in den Medien- Zerstörung durch Hochwasser, Erdbeben und Sandstürme. Hatte man zwar Mitleid mit den Betroffenen, musste man sich dennoch eingestehen, dass man es eher so nebenher in sich aufnahm und nie wirklich verstand, was die Wirklichkeit war. Die Frage nach dem Warum, wer Schuld trägt, warum die Natur in ihren unergründlichen Launen still und heimlich mit größter Wucht zuschlägt und zumeist Unschuldige trifft-diese philosophische Frage blieb bei uns auf der Strecke.

So klischeehaft das klingen mag-ein solches Erlebnis verändert von Grund auf. Nicht nur körperlich haben alle von uns gemerkt, zu was sie fähig sind. Hätte mir jemand vor ein paar Wochen gesagt, dass ich knietief in einem dunklen Keller in einer unergründlichen Siffe aus Schlamm, diversen Schnaps und Bierresten versuche, einen Kühlschrank anzuheben und zerbrochene Flaschen einzusammeln, ich hätte ihn verständnislos angeschaut. Wir haben am eigenen Leib erfahren, wie wir Menschen in einer Notsituation funktionieren. Grundempfindungen wie Hunger Durst und Kälte sind nicht wichtig. Der Kopf macht sich zumindest für einige Stunden frei von jeglichen Gedanken an morgen, an die verheerenden Konsequenzen, an das Leid und das Untergehen vieler lebenslang erträumter und hart erarbeiteter Existenzen. Am Ende des Tages standen wir alle neben uns, emotional stießen wir an unsere Grenzen.

Wir haben in langen Ketten, bestehend aus unfassbar vielen Menschen Häuser geleert, zerbrochene Kinderbetten, bemalte Leinwände, Toaster, Sofas und Fotoalben an den nächsten weitergereicht. Wir schaufelten Sand und Schlamm. Schleppten Sandsäcke, Eimerweise Abwasser aus den Gebäuden, da Strom für die Pumpen gefehlt hat. Und noch etwas war in den letzten Tagen die wohl essentiellste Tat, die wir vollbracht haben. Wir waren füreinander da, wuchsen zusammen und meisterten Seite an Seite eine wirklich schwere und harte Zeit. Selbstlos haben viele, die nicht betroffen waren einfach angepackt wo sie nur konnten. An jeder Ecke wurde kostenlos Wasser verteilt, Eintöpfe gekocht (ich spreche wohl für alle, dass eine einfache Kartoffelsuppe noch nie so gut geschmeckt hat), Kuchen gebacken und belegte Semmeln gespendet. An die Anlaufstellen wie das Kaffeewerk oder die Cafebar ist hierbei wohl das größte Lob auszusprechen. Hier konnten wir verschnaufen, bei einem kühlen Radler uns anlehnen und versuchen, die Eindrücke des Tages zu verarbeiten. Und stolz auf das sein, was wir alle in den letzten Tagen geschafft haben.

Wie gesagt, das Hochwasser 2013 hat uns geprägt. Im positiven wie im negativen Sinne. Viele hatten weder Strom noch Wasser, geschweigen denn ein trockenes Bett. Es ist schon eine ausgesprochen surreale Situation, sich per Eimer Wasser holen zu müssen und die Haare darin zu waschen. Dennoch- wieder ein klischeehafter Gedanke, von dem ich jedoch noch nie so überzeugt war wie jetzt; Das Leben ist eine komische Sache und viele von uns sind wegen so vieler Kleinigkeiten bedrückt und unzufrieden, sind geplagt von Zukunftsängsten, der Gier nach Luxusgütern, die Angst zu Versagen. Es sind dennoch die Einfachsten kleinen Dinge, die uns wachsen lassen und „reich“ machen. Ein Fremder, der dir eine warme Dusche anbietet, ein Freund, der dich wortlos in den Arm nimmt. Menschen, die dir so wahnsinnig dankbar sind. Diese Erfahrung möchte ich tatsächlich nicht missen.

An all jene, die ihre Bleibe, ihre Existenz verloren haben, fehlen mir jegliche Worte. Wir helfen alle zusammen und es kann nur bergauf gehen.

An all jene, die mir in der letzten Woche zur Seite standen- ein schlichtes Danke. Solche Freunde sind wohl das wertvollste und Schönste, was man sich nur wünschen kann.

Hochwasser 2013. Wir waren dabei. Wir haben viel gelernt. Nicht zuletzt über uns.
Wir ziehen den Hut vor uns selber. Das haben wir uns verdient!“

Dieser Beitrag erschien zuerst auf der facebook-Seite: Infoseite Hochwasser 2013.
Wir sagen Danke.

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