Wo warst Du am 11. September?

Am Jahrestag von 9/11 steht die Welt wieder vor einer Entscheidung für den Frieden. Wie bei den newslichtern üblich suchten wir schon in dem Beitrag im Jahr 2011 einen Zugang, der uns ermutigt in einer Welt des Wandels nichts auszublenden und uns doch bewusst für eine positive Gestaltung der Zukunft einzusetzen. Die Beiträge der Kulturkreativen Jwala und Karl Gamper, der Philosophen Christina Kessler und Christoph Quarch sowie die Autorin Inaqiawa erscheinen heute aktueller denn je. Ein gemeinsames Fazit: Fangen wir bei uns selbst und in unserem Herzen an, den Frieden zu schaffen! Nutzt gerne die Kommentarfunktion für Eure Beiträge zu dem Thema.

Der Beitrag von Jwala und Karl Gamper

Karl und Jwala Gamper

Am 11.9.2001 waren Jwala und ich am Atlantik. An einer malerischen, menschenleeren Bucht. In Portugal. Im Alentejo. Plötzlich kam ein sms vom SohneMann: „Angriff auf die USA – die Twins in NY wurden zerstört.“ Bald darauf noch ein sms: „Angriff auf das Pentagon“ Wir packten unsere Sachen, kletterten die Klippen hoch und fuhren zum nächsten Ort …Menschentrauben und eine TV-Bilderflut erwartete uns.

Wie siehst Du es heute und was sind die Lehren für eine Welt im Wandel?
Gewalt bringt niemals Frieden. Und der Zweck heiligt niemals die Mittel! Die Herausforderung für uns als Familie der Menschheit lautet: Die Energien der Liebe zu nützen. Aus einer Haltung existentieller Versöhnung unser soziales Miteinander neu zu organisieren. Co-kreativ mit der Natur. Mit Mutter Erde – wie die Schamanen sagen.

Gibt es eine persönliche Wahrnehmung und Botschaft, die heute für Dich wichtig ist?
Ja. Bei sich selbst anzufangen. Rigoros. Das eigene Herz heilen. Versöhnung auf allen Ebenen für sich selbst zu erarbeiten. Und aus einer Haltung von Achtsamkeit, Respekt und Liebe dort zu wirken, wo jede und jeder eben wirkt – im Konzert mit der Gemeinschaft. Versöhnung ist die Öffnung für einen Quantensprung zur Liebe.

Der Beitrag von Christina Kessler:

Christina Kessler

Am 11.9.2001 war ich zu Hause in München. Da ich keinen Fernseher und kein Radio habe, wurde ich von Bekannten informiert. Das Telefon lief heiß. Unter den Anrufen war auch die Botschaft eines Freundes aus New York, der direkter Augenzeuge geworden war. Als der erste Turm krachte, saß er gerade beim Frühstück in seinem Apartment mit Blick auf das World Trade Center. Nach der Explosion sah er Menschen aus den Fenstern springen. Und dann, während er im Schock am Telefon hing und nach draußen starrte, verfolgte er den zweiten Angriff. Er dachte an Krieg, dass es jetzt losging… Seither sitzt ihm dieses „Jetzt ist es so weit“ im Nacken.

Wie siehst Du es heute und was sind die Lehren für eine Welt im Wandel?
Vielerorts wird dieses Ereignis als historische Zäsur bezeichnet. Dem kann ich nur zustimmen; ich sehe es genau so. Für mich ist der 11. September – zumindest symbolisch betrachtet – das Ende einer Ära, die wir als westliche Zivilisation bezeichnen. Einer Ära, deren Weltanschauung auf vier Säulen ruht: Sie ist materialistisch, mechanistisch, rationalistisch und patriarchalisch – und somit rein aufs Außen und auf Äußerlichkeiten wie Geld und Ruhm, Dominanz und Kalkül, Siegen und Besser-Sein fokussiert.
In meinem neuen Buch WILDER GEIST, WILDES HERZ – Kompass in stürmischen Zeiten versuche ich zu zeigen, dass es heute darum geht, den Innenraum von Selbst, Welt und Menschheit wieder zurückzuerobern. Und zwar nicht als ein Zurück in prä-rationale Zeiten, sondern auf der Basis des heutigen globalen Wissensschatzes. Warum? Weil wir dabei das universelle Weisheitswissen jenseits der Religionen entdecken, ebenso wie die inneren Gemeinsamkeiten der Menschen, die sich hinter all den äußeren, individuellen und nationalen Unterschieden offenbaren.

Gibt es eine persönliche Wahrnehmung und Botschaft, die heute für Dich wichtig ist?
Die zwei hoch aufragenden Türme sind für mich Symbol für die Dominanz eines spaltenden, ausschließlich dualen Denkens, das aufgrund seiner Einseitigkeit zu Egoismus, Negativität, Sinnlosigkeit und Destruktivität führt. In einer sich zunehmend globalisierenden Welt brauchen wir ein verbindendes Denken und Handeln; eine neue, verbindende Ethik, die von innen, aus dem Herzen kommt. Wir brauchen die Verbindung von Herz und Verstand. Will sich die Menschheit nicht ihren eigenen Niedergang erschaffen, müssen wir das Bewusstsein und die Achtsamkeit dafür entwickeln, was dem Prinzip „Leben“ dient, anstatt ihm schadet. Das ist die Botschaft des „wilden Herzens“.

Der Beitrag von Christoph Quarch:

Christoph Quarch

Der 11. September 2001 begann für mich mit einer merkwürdigen Beobachtung: Der Himmel war leer. Keine Kondensstreifen, keine Flugzeuge über den Alpen. Tiefe Stille dort droben in der Brenta. Und keine Ahnung von dem, was los war in der Welt. Erst am Abend hatte ich Handy-Empfang. Meine Frau rief mich an und erzählte mir, was sie den ganzen Tag am Bildschirm verfolgt hatte. Gleichzeitig liefen die wildesten Gerüchte auf der Berghütte ein. Fernsehen gab es nicht – verlässliche Informationen kaum. Vom 3. Weltkrieg war die Rede, und wir beschlossen, den amerikanischen Wanderer auf unserem Zimmer in seinen Träumen nicht zu stören. Doch als die Sonne am nächsten Morgen leuchtend und golden die Gipfel bestrich, beschlossen wir, dass die Welt wohl doch noch nicht untergangen sei und setzten unsere Wanderung fort. Die Bilder, die die Welt veränderten, sah ich erst Tage später.

Wie siehst Du es heute und was sind die Lehren für eine Welt im Wandel?
Aber haben sie die Welt wirklich verändert? Haben sie die Welt besser gemacht? War der 11. September 2011 wirklich eine Zäsur, nach der nichts mehr so war, wie wir es kannten? – Offen gestanden: Ich glaube nein. Natürlich hat dieses Ereignis eine Lawine dramatischer Ereignisse ausgelöst, die in der Geschichte der betroffenen Völker nie in Vergessenheit geraten werden: Irak, Afghanistan, Pakistan. Gewiss folgten auf die Opfer der Terroranschläge Hunderttausend weitere Opfer und gewiss ist die Welt seit dem 11. September 2001 nicht friedlicher, sondern eher feindseliger geworden. Aber – so bitter dies klingen mag – das lag im Trend. Und die große Hoffnung, die damals mein Herz erfüllte, war, dass eben dieser Trend gestoppt werden würde. Dass eine Kehrtwende möglich werden könnte; dass sich die Repräsentanten und Anhänger der Religionen dieser Welt zusammen tun würden, um dem sinnlosen und absurden Morden auf Erden endlich ein Ende zu bereiten. So wie es anklang, damals, als man der Toten in New York gedachte.  Aber heute, zehn Jahre später, stellen wir fest: Nein, so ist es nicht gekommen. Gemordet wird weiter, und die Religionen sind sich nicht näher gekommen. Die Toten, so scheint es, sind umsonst gestorben. Und die Türme umsonst in Schutt versunken.

Gibt es eine persönliche Wahrnehmung und Botschaft, die heute für Dich wichtig ist?
Wirklich umsonst? – Wer kann das sagen. Die Hoffnung stirbt zuletzt, und so mag es wohl sein, dass die Ereignisse vom 11. September doch Spuren in den Herzen der Menschen hinterlassen haben, von denen in der großen Politik nichts zu sehen ist. Und vielleicht ist das die bittere Lehre, die aus diesen Geschehnissen zu ziehen ist: Die Welt wird nicht besser werden, wenn wir ihre Gestaltung den Politikern überlassen. Ihr Kalkül und ihr strategisches Denken haben in den vergangenen zehn Jahren zu immer mehr Leid geführt. Nur, wirklich nur, wenn es uns gelänge, die Ereignisse des 11. September mit dem Herzen zu sehen und uns ihrem emotionalen Anspruch auszuliefern, könnten sie doch noch der Menschheit den Weg weisen: den Weg zu einer Liebe, die vor keiner Religion, keiner Ethnie, keinem System halt macht; die groß und weit und unschuldig ist, wie der Himmel über den Alpen am 11. September 2001.

Der Beitrag von Inaqiawa:

Inaqiawa

Am 11. September 2001 kam ich vom Einkaufen, als das Autoradio von den Ereignissen berichtete. Zurück zuhause schaltete ich den Fernseher ein und alle, die im Haus waren versammelten sich. Wir waren alle gleichermaßen schockiert. In den ersten Stunden und Tagen bekamen wir allerlei Erklärungen für das Geschehen präsentiert. Im Vordergrund stand für mich aber nicht der polititsche Hintergrund, sondern das Mitgefühl für die betroffenen Familien, für die Verletzten und Hinterbliebenen. Für einen kurzen Moment durchfuhr mich allerdings damals bereits die Frage, wieso ich das alles am Fernseher wie eine Berichterstattung miterleben konnte?

Wie siehst Du es heute und was sind die Lehren für eine Welt im Wandel?
Unabhängig davon, ob das Geschehen 2001 ein Inside-Job der Amerikaner war oder ein terroristischer Akt anderer, es bleibt Ausdruck eines Systems, das auf Macht und Herrschaft basiert. Angesichts des gegenwärtigen Elends auf unserem Planeten und der täglich steigenden Zahl von sterbenden Kindern, widerstrebt es mir zutiefst, 9/11 als ein herausragend „schreckliches“ Ereignis zu bewerten. Es ist ein Fakt in einer langen, schreckenserregenden Liste des herrschenden Systems, das mit steigender Intensität pervertiert. Der Kult, der um dieses Ereignis entstanden ist, mutet grotesk an und ich befürchte, dass er Menschen dazu dienen kann, die Realität des Ganzen aus dem Auge zu verlieren.
In diesen Tagen spricht eine Vielzahl von Menschen von einer Zeitenwende, von einem Paradigmenwechsel. Unsere Mutter Erde steht wahrscheinlich vor einem Quantensprung, einer Veränderung solchen Ausmaßes, die die Menschheit wohl noch nicht erlebt hat. Dieses bestehende System hat keine Chance den Zeitenwandel zu überleben. Alle Untersysteme sind exponentiell aufgestellt und werden sich in naher Zukunft selber zerstören. Die Exponentialkurve weist bereits den Grad der Steilheit auf, dessen Auflösung durch einen Zusammenbruch gekennzeichnet ist.

Gibt es eine persönliche Wahrnehmung und Botschaft, die heute für Dich wichtig ist?
Wir Menschen täten gut daran, diesem patriarchalen System so wenig Energie wie möglich zuzuführen, um es nicht länger als nötig am Leben zu erhalten. Aus meiner Sicht kommt es jetzt darauf an, dass wir Frauen als Hüterinnen des Lebens die Verantwortung für Mutter Erde wieder übernehmen und alles Not-wendige unternehmen, damit Heilung auf allen Ebenen entstehen kann. Meine Vision sieht da eine eher „stille Revolution“ in Form von Frauen-Heilkreisen. Ich habe ein Bild vor Augen, das zeigt kleine Frauen-Heilkreise, wie Regentropfen, die auf einen See fallen und Kreise ziehen, so lange bis alle Kreise miteinander verbunden sind und sich ein Netz der Heilung über unseren Planeten zieht. Diese Heilung liegt in Frauen-Händen und wir Frauen dürfen uns dieser Aufgabe jetzt nicht länger entziehen, wenn wir unseren Kindern eine Chance auf ein friedvolles Leben ermöglichen wollen.

Wir Frauen dürfen, ja müssen diesen kraftvollen und heilenden Weg jetzt gehen und dabei für einen winzigen kosmischen Augenblick die Männer sich selbst überlassen. Das ist kein Spiel mehr – es geht um alles oder nichts.

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5 Kommentare zu “Wo warst Du am 11. September?
  1. Harriet Oerkwitz sagt:

    Erstaunlich: Jeder, den ich frage, weiß genau, wo und wie er über die Ereignisse am 11. September erfahren hat. In den Erinnerungen bleibt diese gefühlte Zäsur. Aber auch die persönliche Chance, anders – achtsam, liebevoll, aufmerksam – an sich und über die Welt denken zu lernen. 
    Ich glaube daran, dass in vielen Menschen der Wunsch und die Sehnsucht nach Frieden und Glück stetig wächst und diese Liebe spürbar und sichtbar wird. Unsere gemeinsame Liebe – das ist möglich. Dass dieser Wandel Zeit und Raum braucht, ist für mich selbstverständlich. Es soll ja ein nachhaltiger, liebevoller Prozess sein. „Revolutionen“ – ob sie still sind oder laut – zeichnen sich dadurch aus, dass sie scheitern. 
    Diese Zusammenstellung verschiedener Erinnerungen und Wünsche an den 11. September liest sich daher für mich inspirierend: Sie macht Mut. Sie birgt Hoffnung. Herzlichen Dank an die newslichter!

    Harriet Oerkwitz, 
    http://www.konzert-der-stille.de

  2. Hein Fein sagt:

    Hallo, ich würde bei Beitrag gerne als ‚Facebook-gefällt mir‘ klicken. Leider erhalte ich eine Fehlermeldung. Dies an Hinweis für die Programmierung.

  3. Duke0190 sagt:

    Keine Ahnung. ist auch kein bedeutsamer Tag gewesen. Welches Jahr ist gemeint ?

  4. Ursula Knecht sagt:

    Notizen vom Labyrinthplatz Zürich http://www.labyrinthplatz.ch vom 11.September 2001:
    „Immer fliessen auch aktuelle politische Ereignisse in unsere Veranstaltungen ein und
    bestimmen sie mit. Wir hatten im Jahresprogramm 2001 für Ende September ein Herbst
    Fest angekündigt. Dann geschah am 11.September das Attentat in New York. Ich war traurig und hilflos, auch persönlich betroffen, weil meine Tochter mit ihrem Mann – frisch verheiratet und glücklich – genau am 11.September nach Amerika ausreiste, um dort für eine Weile zu leben und zu arbeiten. Den Flug hat das junge Paar unbeschadet überstanden, aber sie kamen in einem Land an, das sich für den Krieg rüstet und nationalistisch-chauvinistisch aufbläht. In den Tagen kurz nach der Zerstörung des WTC
    las ich zufällig (?) von Luisa Muraro über die Arbeit des „disfieri“ („Die Kunst, Maschen aufzuziehen“). Sie beschreibt das Maschenaufziehen einer altenStrickjacke und wie aus dem herausgelösten Faden ein Knäuel wird, aus dem etwas Neues entstehen kann. Dann überträgt sie dieses Bild u.a. auf die Ebene des Städtebaus und erzählt vom Kolosseum in Rom, diesem Gebäude von imposanter aber unverdaulicher Grösse, einem „Behälter für geschmacklose Darbietungen“, das später zum Steinbruch wurde für die örtliche Bevölkerung, die Häuser zum Wohnen brauchte… Plötzlich konnte ich wieder freier atmen und mein Denken bekam eine Richtung. Ich sah, wie die Twin Towers – für Viele ein provozierendes Symbol der Machtanmassung und Profitgier – von
    Menschenhand abgetragen wurden, Stockwerk um Stockwerk. Ich sah, wie unschuldige Gegenstände – Computer, Kaffeemaschinen, Tische, Stühle, Kloschüsseln, Fenster und Türen – hinunter- und weggetragen wurden, um an einem anderen Ort einem freundlichen Zweck zu dienen… Dieses Bild nahm ich mit zu unserem Herbstfest ins Labyrinth und erzählte vom disfieri. Aus meinem Korb mit den abgelegten Kleidern
    fischte ich Strümpfe und andere Wollsachen heraus, alle Teilnehmenden erhielten ein Stück Gestricktes und wir übten gemeinsam die „Kunst des Maschenaufziehens“. Ich sagte: „Der Faden der Ariadne fällt vermutlich nicht vom Himmel. Er ist bereits da, allerdings verstrickt in unbrauchbar gewordenen Strickmustern. Wir müssen ihn zuerst sorgfältig herauslösen, um daraus etwas Neues zu schaffen, unser eigenes Strickmuster…“ Es war ziemlich mühsam, den Faden herauszulösen, aber schliesslich hielten alle einen bunten Wollknäuel in der Hand…
    Ursula Knecht

    (Lit: Luisa Muraro, Die Menge im Herzen, Christel Göttert Verlag 2001)

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