Solidarische Ökonomie – top-down oder bottom-up

Foto: Evelin Rosenfeld

Foto: Evelin Rosenfeld

Die Macht der Einzelnen: Wie DU zum Systemwandel beitragen kannst und warum ich nicht an politische Forderungen glaube. Die 68er versuchten es mit dem „Gang durch die Institutionen“ und eine der Blüten dieser Bewegung dürfte in der mittlerweile gut etablierten Partei „Bündnis Grüne“ zu sehen sein. Die Generation, die folgte, und zu der ich auch gehöre, kritisiert die enorme Anpassung an bestehende Strukturen und Kulturen. Ich selbst, Jahrgang 69, war früh „in den Institutionen“, erstaunlich schnell an Positionen mit viel Gestaltungspotenzial – was das eben so heißt innerhalb der autoritär-erhaltenden Strukturen. Und ich beschloss mit 33 auszusteigen. Denn die Möglichkeiten, gefangen in institutionellen Abhängigkeiten (Firmen, Behörden, Parteien) grundlegende Veränderungen für eine sozialere, ressourcenschonendere Gemeinschaft zu bewirken, scheitern immer wieder an Binneninteressen und den geltenden Paradigmen des „survival oft he fittest“.

Meine persönliche Schlussfolgerung lautete, dass der ersehnte Wandel bei den Einzelnen beginnt: Ihrem Selbstverständnis in der Gemeinschaft, ihrem Konsumverhalten, ihrer Fähigkeit, Eigenverantwortung und konstruktiven Wandel aus eigener Kraft zu leben.

Meist wird eingewendet, dass der Einzelne so in Systemzwängen gefangen ist – Geld verdienen müssen, Stadtleben und Konsumangebot, Fehlverwendung von Gemeinschaftsgeld (Steuern) und, und, und… Aber das alles sind Vorwände, die uns einfach nur vorgaukeln, es gäbe da draußen Schuldige – Beamte, Politiker, Wirtschaftsmächtige.

Auf Individualebene nennt man das „Opferhaltung“.
Und genau hier setzt ein nachhaltiger und aufrichtiger sozialer, ökonomischer und ökologischer Wandel an: Ich brauche niemanden als mich selbst, um weniger zu konsumieren und mehr zu teilen. Ich brauche nichts, als eine klare Position darüber, was wirklich wichtig ist, um zu erkennen, mit welchem Beitrag, welcher Arbeit ich aktiv und täglich das in die Welt bringen kann, was ich selbst für wertvoll halte.
Alles andere erscheint mir wie die naive Anklage des „großen Bösen“ – das ja letztlich ein Kollektiv ist, dem wir selbst zutragen.

Es bedarf keines Betriebswirtschaftsstudiums, es bedarf keines ausgedehnten Kapitals und es bedarf keines einflussreichen Netzwerks, um mich auf meine eigenen Beine zu stellen, meine Überzeugungen zu leben und einer Arbeit nachzugehen, die Sinn hat und bringt.

Nachhaltiges Wirtschaften entsteht aus der adäquaten Verbindung von Arbeit und Kapital:
– es wird angeboten, was in sich schon als Erfüllend und Sinnvoll empfunden wird eine Zielgruppe wird „gewählt“ statt manipuliert
– Erfolg misst sich am tatsächlichen Dienst für das Umfeld und im Sinne einer persönlichen Absicht
– es wird nicht mehr ausgegeben, als da ist
– es wird nicht mehr konsumiert, als gegenwärtig benötigt wird
– Kapital und Arbeit gehören immer zusammen – so unterbleiben von vornherein die üblichen Interessenskonflikte zwischen Investoren und Arbeitenden.
– Geld ist nicht das einzige Mittel, Leistungen auszugleichen

Eine kritische Masse, die sich genauso verhält – eigenverantwortlich und authentisch – hat folgenden Effekt auf das System:
– Steuerabgaben sinken – und damit die Finanzierung eines Systems, das nicht soziale, nicht nachhaltige Strukturen aufrecht erhält
– der Absatz nicht nachhaltige Produkte sinkt – Wirtschaftsmoloche verlieren Märkte
– folglich sinken auch Ressourcenverbräuche und Abfallproduktion
– abhängige Beschäftigung wird unattraktiv – Wirtschaftsmoloche und Behörden erleben einen Mangel an Arbeitskräften
– es gibt keine Zinseinnahmen und Spekulationsgewinne mehr – das Bankensystem blutet aus
– soziale Parasiten können nicht mehr finanziert werden

Solidarität mit wirklich Hilfsbedürftigen ist mit dem Gewinn an Zeit, flexiblen Arbeits- und Lebensbedingungen und einem neuen Verständnis von Eigenverantwortung und Leistungsausgleich Teil ganzheitlicher „Geschäftsmodelle“ ( das Wort trifft nicht mehr wirklich; denn es sind ja einzelne, die sich selbst als dienend verstehen – ihrer eigenen Sache, ihrem „wirklich wichtig“ dienend mit ihren neuen Arbeitsformen)

Foto: Evelin Rosenfeld

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DAS ist eine solidarische Ökonomie: Eine Gemeinschaft aus Menschen, die sich voll verantwortlich für ihr Leben fühlen, ein Zusammenspiel von Menschen, die sich ihrer inneren Werte bewusst sind und aktiv zu deren Implementation beitragen, Menschen, die erkennen, dass es nicht das Nehmen, das Brauchen, das Erkämpfen ist, das Fülle und Frieden hervorbringt, sondern die selbst geschaffene Chance, etwas zu geben, etwas betragen zu dürfen, das einem inneren Anliegen dient. Ein inneres Anliegen, das über persönliche Bedürftigkeit weit hinaus geht und das Ganze sieht.

Eine solche Haltung ist in unserer Gesellschaft dünn gesät.
Fragt man Menschen nach ihren Werten, nach dem, was ihnen „wirklich wichtig ist“, dann greifen sie meist auf ihre Bedürftigkeit zurück, auf Werte und Sachverhalte, die ihnen fehlen. Bei den anderen.
Menschen, die reif sind, einen tiefen gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen, greifen nicht nach außen. Brauchen keine Anlagen und Forderungen.
Sie haben sich hinreichend mit sich selbst beschäftigt, um zu wissen, dass sie in sich etwas Einzigartiges tragen, das sich im Dienst an der Gemeinschaft entfalten will.

Meiner Auffassung nach bedarf es nicht einmal einer kollektiven Bewegung, einer koordinierten „Wende“, um wirklich etwas zu bewegen. Im Gegenteil: Die Findungsprozesse in Initiativen, die künstlichen, doch zur Steuerung erforderlichen Rollen, Strukturen und Prozesse sind nur ein Spiegel der herrschenden Verhältnisse, in denen der größte Teil der Energie in Machterwerb und Machterhalt verloren geht.

Natürlich kann man gemeinsam manches Erreichen, das der Einzelne nicht erreichen kann. Aber solche Zusammenschlüsse können spontan entstehen und sich auf pragmatische, gegenwärtige Aufgaben beziehen. Das geschieht auch bei Menschen, die ein eigenes Anliegen haben und dies eigenverantwortlich verfolgen.
Solche Menschen haben in der Regel aber kein Interesse an theoretischen Diskussionen und hierarchischen Formationen.

… aber vielleicht lehrt uns die Gegenwartsgeschichte etwas Neues:
Es gibt einen Echtzeit-Fall, an dem die tiefgreifende Reform eines ganzen Staatskomplexes beobachtet werden kann: In Thailand wird nach der massiv von Volksmassen getragenen Demontage des korrupten Thaksin-Systems versucht, über neue staatliche Strukturen eine gesellschaftliche Veränderung herbeizuführen. Grundsätzlich also top-down, denn ganz richtig haben die Systemkritiker erkannt, dass nach wenigen Jahrzehnten einer nur scheindemokratischenn Führung Strukturen und Personalien so eng miteinander verbunden sind, dass eine rein personelle (und damit: punktuelle) Neubesetzung nicht weiterführt. Die neuen Strukturen und Personalien sollen über regionale Volksräte auf eine urdemokratische Weise gefunden werden. In den Regionen laufen moderierte Prozesse, die zur demokratischen Auseinandersetzung mit relevanten Themen und anstehenden, gesamtstaatlichen Entscheidungen anleiten sollen. Doch wer entscheidet, welche Themen relevant sind ?
Eine Militärregierung soll die Findungsphase überbrücken. Bis dahin herrscht staatliches Faustrecht. Dies mal ausgeblendet: Die Bewegung richtet sich darauf, dass kleinere Gemeinschaften (Regionen) eigene Vertreter wählen und entsenden. In der Hoffnung, dass diese Vertreter/innen näher am Volkswillen sind, regional relevante Themen einbringen, flexibler interagieren:
Und oder aber doch: Wie werden neue Steuerleute ausgewählt – auch wenn dies regional und in kleineren Einheiten geschieht ?
Was sind die Kriterien, nach denen Menschen ihre Vertreter auswählen ?

Wir kommen immer wieder auf denselben Punkt zurück:
Der Wandel hin zu einer solidarischen Gesellschaft – solidarisch auch mit anderen Gemeinschaften, solidarisch auch mit anderen Wesen, dem Land, den Flüssen, der Luft, den Tieren und Pflanzen – beginnt bei Einzelnen, die so weit entwickelt sind, dass sie dauerhaft das Ganze im Blick haben. Einzelne, ihre Ängste, Zwäng und Mangelvorstellungen soweit gemeistert haben, dass sie eigenverantwortlich agieren und denken. Menschen, die Mut genug haben, sich von Pseudoobjektiven und vorgeschobenen Interessen nicht verunsichern zu lassen, weil sie aus sich selbst heraus für etwas stehen. Sie stehen für einen Wert, der ganz und gar in Übereinstimmung mit ihrer Person ist, der subjektiv ist und für den sie alles zu lernen, zu erreichen, zu geben bereit sind.
Ein Wert, der aus der Seele kommt.
Nicht aus der Kasse.

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Evelin Rosenfeld

Evelin Rosenfeld

Hinweis: Und wer gerne etwas für die eigene Klarheit und die gut verankerte Seele tun möchte, dem sei die nächste Auszeit wärmstens ans Herz gelegt:
Was Dir wirklich wichtig ist – Seelenreise zwischen Lorbeerwäldern und Atlantikküste vom 18. April -02.Mai 2015
„Was Dir wirklich wichtig ist“ ist eine seit 14 Jahren etablierte Coachingmethode nach dem gleichnamigem Buch. Als Seminarreise erleben Sie diesen Prozess besonders intensiv: binnen einer oder zwei Wochen in kleinster Gruppe und fernab vom Takt des Gewohnten. Seminararbeit, Exkursionen zu „Kraftorten“ und Ruhephasen verbinden sich zu einem harmonischen Tagesrhythmus. Sie sehen wieder deutlich, was Sie im Kern ausmacht und entwickeln eine neue Sicht auf persönliche und berufliche Chancen.
Naturkontakt und Stille sind als Rahmen des intensiven Prozesses wichtige Faktoren: Daher führen wir Sie in drei Oasen unberührter Natur in Thüringen, Teneriffa oder Thailand, die nicht ohne Grund als „Kraftorte“ bezeichnet werden.
Mehr Informationen: www.seminar-und-reisen.de
Das Buch zum Prozess Was dir wirklich wichtig ist  (oder bis zum 4.4. 2015 zum Sonderpreis direkt bei Evelin Rosenfeld)
Kennenlerntage: Köln, 10./11. April und Linz 15./ 16. Mai 2015

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Ein Kommentar zu “Solidarische Ökonomie – top-down oder bottom-up
  1. Wim sagt:

    Danke Evelin: schöne Worte. Fühlen sich gut an. Stimmen Alle in Meinem Leben. :O)) <3 <3 Wim.

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