Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich

v.l. Charles Eisenstein, Annette Kaiser, Christian Felber - Foto Raphi See

v.l. Charles Eisenstein, Annette Kaiser, Christian Felber – Foto Raphi See

Von Sabrina Gundert. Viele Menschen in der heutigen Zeit sind verunsichert: Werte zerfallen, Institutionen zerbröckeln, die Welt wird unberechenbar. Eine Ära scheint zu Ende zu gehen – und das löst bei vielen Menschen Angst aus. Dies ist jedoch nur die eine Seite der Betrachtung: Es gibt zugleich eine neue Ära. Dass sie wirklich existiert, dass zeigten Vortrag und Podium am 29. April 2016 in Zürich, zu dem die Villa Unspunnen mit den obigen Worten eingeladen hat. 400 Menschen sind gekommen. Dazu Charles Eisenstein (Philosoph und Autor), Annette Kaiser (Ökonomin, spirituelle Lehrerin und spirituelle Leiterin der Villa Unspunnen) und Christian Felber (Vordenker der Gemeinwohlbewegung). Eisensteins Buch „Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich“ hat Pate gestanden für den Titel des Abends.

Dabei gibt Jacqueline Forster-Zigerli, Co-Leiterin der Villa Unspunnen, in ihren einführenden Worten zugleich unumwunden zu, dass sie selbst längere Zeit Schwierigkeiten mit dem Titel des Abends hatte. Eine schönere Welt ist möglich – sei das nicht zynisch angesichts unserer aktuellen Weltlage? Dann sei sie in Griechenland gewesen, habe eine Woche vor Ort mit und für Flüchtlinge gearbeitet. Und dort gespürt, dass dort, wo das Leid Platz hat, auch die leise Stimme des Herzens singt.

Charles Eisenstein nimmt diesen Faden auf, die Frage, ob es nicht einfach sei, an diesem lauen Frühlingsabend, bei Sonnenschein und Vogelgezwitscher, von jener neuen Welt zu träumen. Doch für ihn ist es mehr, unabhängig davon und weit über das Wetter des Tages hinaus. Und ja, er sei sich des Waldsterbens, der Kriege, der hungernden Menschen, durchaus bewusst – und er sei dennoch optimistisch.

Dann spricht er vom Wert, der in jeder Krise stecke. Dass mit dem Zusammenbruch eines Systems auch die Matrix der Geschichten, die wir uns erzählten – darüber beispielsweise, wie das Geldsystem oder unsere Gesellschaft zu funktionieren hätten – zusammenbrächen. Dass dadurch Raum geschaffen werde für das Neue, das heute noch weit weg, ja fast unmöglich erscheine – und dass dadurch plötzlich möglich werde.

Eines betonen Charles Eisenstein, Annette Kaiser und Christian Felber an diesem Abend immer wieder: Dass es nicht darum gehe, sich auf den Zusammenbruch auszurichten, sich darauf zu fokussieren. Sondern vielmehr, sich mit dem eigenen Herzen zu verbinden und auf das Feld des Neuen auszurichten. Zugleich gemeinsam die Welt nach dem Zusammenbruch vorzubereiten. Jetzt damit zu beginnen, auszuloten, wie solch eine neue Welt aussehen könne. Jetzt die Weichen zu stellen für neue Möglichkeiten, Netzwerke, Verbindungen und Wege – und zu beginnen, sie zu leben.

Dass es für große Veränderungen immer auch große Schritte brauche – mit diesem Vorurteil räumt Charles Eisenstein auf. Vielmehr sagt er: Jede Veränderung, die irgendwo geschieht, erlaubt, dass genau diese Veränderung auch an anderer Stelle geschieht. Wie ein Stein, der ins Wasser geworfen sich ausbreitende Kreise bildet – egal, ob es sich um ein Engagement auf politischer oder wirtschaftlicher Eben handelt, um ein Lächeln, ein gutes Wort oder die Pflege eines anderen Menschen.

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Charles Eisenstein, Foto Raphi See

Dass uns unser eigenes Engagement oft viel zu klein und unwirksam vorkommt, hat für ihn auch viel mit den Geschichten zu tun, die wir uns selbst jeden Tag erzählen. Davon, dass die kleinen Schritte, die wir jeden Tag tun, die Mutter, der Opa, um die wir uns vielleicht kümmern, zu keiner wirklichen, großen Veränderung der Welt führen würden. Dass wir uns doch lieber um die großen Probleme, den Klimawandel, das Finanzsystem, die Regenwälder, um all das kümmern sollten. Dabei seien wir selbst es, die entschieden, ob wir diese alte Geschichte weiter leben oder damit beginnen wollten, neue Geschichten zu erzählen und zu leben.

Und er fragt: What do we worry about? Wovor fürchten wir uns eigentlich? Und erzählt von einem Mann aus dem Westen, der eine Gruppe von afrikanischen Kindern zu einem Wettbewerb auffordert. Wer der Schnellste sei, bekommt einen Strunk Bananen. Doch als der Wettbewerb beginnt, nehmen alle Kinder die Bananen zusammen in die Hand und tragen sie zu jenem Mann. Dieser fragt den eigentlich flinksten Jungen: Warum hast du die Bananen nicht für dich alleine behalten? Du hättest doch gewinnen können! Der Junge sagt: Ubuntu! Wie kann ich glücklich sein, wenn meine Freunde es nicht sind.

Es sind diese Geschichten, die sich durch den Abend ziehen und die immer wieder deutlich machen, wie sehr wir alle von der Geschichte geprägt sind, mit der wir aufgewachsen sind und in der wir leben. Und dann spricht Charles Eisenstein von „Interbeing“, davon, dass alles – und wir alle – miteinander zusammenhängt, verbunden ist. Dass alles, was ich gebe, zu mir zurückkommt. Dass alles, was ich tue, eine Wirkung hat. Er spricht von der kreativen Kraft, Dinge in die Welt zu sprechen. Von Synchronizitäten, Fügungen, davon, im Fluss zu sein.

Und davon, dass wir einander immer wieder daran erinnern sollten, dass wir nicht etwa verrückt seien, weil wir spürten, dass das Alte für uns nicht mehr funktioniere. Dass wir nicht verrückt seien, weil wir uns alleine fühlten, nicht mehr gesellschaftsfähig. Sondern dass wir uns immer wieder bewusst machen dürften, dass da schon heute ein ganzes Feld anderer Menschen sei, die das Gleiche spürten, wie wir selbst. Dass wir uns gegenseitig daran erinnern sollten. Es spüren. Immer wieder.

Sabrina Gundert

Sabrina Gundert

Zur Autorin: Sabrina Gundert begleitet Frauen mit ihren Coachings, Seminaren und Büchern dabei, sich selbst wieder bewusst zu spüren, ihren Platz in der Welt einzunehmen und ein Leben zu leben, dass sie tief erfüllt. So etwa mit ihren beiden Wochenendseminaren „Geh, wohin dein Herz dich trägt“ am 04./05. Juni 2016 in Konstanz (Bodensee) und am 25./26. Juni 2016 in Freiburg (Breisgau). Und mit der Online-Sommerauszeit ab 03. Juni 2016. www.handgeschrieben.de

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2 Kommentare zu “Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich
  1. Heike sagt:

    Danke 🙂 Das tat gut!

  2. charlotte sagt:

    danke, und sagen wir auch möglichst oft „ubuntu“…

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