Das Wunder von Medellín

Ein Vogel erinnert in Medellín noch an die alten Zeiten als eine der gewaltätigsten Städte Kolumbiens. Bauch und Schwanz der mannshohen kugelrunden Bronzestatue auf dem San-Antonio-Platz sind völlig zerfetzt. Nur der Kopf mit dem kleinen Schnabel reckt sich stoisch in die Höhe.

1995 hatte die Guerillabewegung Farc eine Bombe unter dem Bronzevogel des kolumbianischen Künstlers Fernando Botero versteckt. Sie tötete während eines Musikfestivals mindestens 30 Menschen und verletzte mehr als 200. Der Künstler setzte damals durch, dass seine zerfetzte Statue als Mahnmal stehenblieb. Er stellte einen neuen und unversehrten Vogel direkt daneben.

Poesie ist Macht
Die Explosion des „Friedensvogels“ makierte zugleich eine Wende und zwar mit der Kraft der Poesie. Denn seit 1991 veranstalte Fernando Rendón mit ein paar Mitstreitern ein Festival unter dem Titel „Poesie ist Macht“. Das Festival wuchs rasch. Während der zehn Festivaltage wurde die Stadt deutlich friedlicher. Der Knoten der Angst platzte, und die Menschen eroberten ihren öffentlichen Raum von den bewaffneten Gruppen zurück. Heute ist es das Poesiefestival mit den höchsten Publikumszahlen und den meisten ausländischen Dichtern in der ganzen Welt.

Zitat aus der Welt von Rendón über die spirituelle Kraft dieser Tage: „Das Festival kann die Realität der Gewalt und des Elends nicht verschwinden machen. Seine Kraft liegt darin, dass es zeigt, dass eine andere Realität existiert.“ Allein das gebe den Menschen Stärke und Selbstvertrauen. Die kollektive Panik der 90er-Jahre sei verschwunden.“
2006 erhält Redón für das Festival den Alternativen Nobelpreis.

2013 wurde Medellín von der Entwicklungshilfeorganisation Urban Land Institute mit dem Preis für die „innovativste Stadt der Welt“ ausgezeichnet – noch vor New York und Tel Aviv. Die Metropole habe eine der „bemerkenswertesten Kehrtwenden aller Zeiten“ vollbracht, hieß es in der Begründung.

In diesen Tagen fand das 26. Festival statt, ein aktueller Bericht hier.