Auszeittagebuch Teil 3

Foto: Evelin Rosenfeld

Foto: Evelin Rosenfeld

Puh, die ersten beiden Tage, in denen es darum ging, Panzer aufzubrechen, versteinerte Gefühle fließen zu lassen, Ängste zu demaskieren sind vorbei – wir sind alle etwas „durch“ von der Schwerstarbeit – und doch breitet sich langsam eine Offenheit und Leichtigkeit aus, die in dieser Gruppe vorher nicht da war.

Es ist schon interessant, wie immer wieder eine bestimmte Gruppe mit wildfremden, scheinbar völlig unterschiedlichen Menschen doch eine gemeinsame „Überschrift“ zu haben scheint. Diesmal ist es „Schutz – Abgrenzung – Eigenraum“. Die Schlüssel sind gefunden, die Türen durch den Panzer in den Innenraum vorsichtig geöffnet. Und während sich im Unterbewusstsein die Vergangenheit neu ordnet, betreten wir den energetischen Raum der Seele. Das Rufen wird lauter, deutlicher – doch noch ungeübt, was denn da vernommen werden so, und wo denn, ist es Zeit für die herrliche Wanderung auf dem Drachenrücken und die Einführung in die Fünf Wandlungsphasen.

Der Aufstieg von 900 Höhenmetern, umgeben von magischen Steingesichtern und Guanchen-Mythen, die ich gerne weitergebe, arbeiten wir uns im eigenen Rhythmus durch die letzten Schatten hinauf zum Himmel, hinauf zu dem jahrhunderte- oder gar jahrtausendealten Steintor. G.lässt sich von ihren Schatten immer wieder zurückzerren, sie schwitzt und atmet heftig, betont, dass die maximale Wanderstrecke höchstens eine „Stunde mit dem Hund“ war. Ihre Projektionen und Widerstände sind aufgewühlt, ihre Sicht auf die innere Quelle noch nicht ganz so klar wie bei M., C. und U. Doch oben am Tor, als sie nochmals all die „Schulden“ abklappert, die andere bei ihr haben, als Manipulation, Eigennutz und Ignoranz am magischen Tor sich vor ihr aufbauen, begreift auch sie, dass sie vor einem Spiegel steht, dass es ihre Entscheidung ist, durch das Tor auf die andere Seite des Berges zu treten.

Diese tiefen Erfahrungen sind kaum durch Gespräche und kognitive Reflexion zu machen. Das Wirken der Naturkräfte, die besondere Aura dieses Kraftplatzes, die Spiegelung in den anderen verhelfen Körper und Emotionalkörper zu Klarheit und Erlösung.

Foto: Evelin Rosenfeld

Foto: Evelin Rosenfeld

Der weitere Weg – hin zu der Schlucht, an der die existentielle Prüfung der Guanchen-Priester/innen stattgefunden hat (so berichtete mein Lehrer und Brujo Carlos) – ist leicht und bewegt sich auf die inneren, lichten Gefilde zu. Hier machen wir Rast mit spektakulärem Blick auf den wilden Atlantik, von 900 Metern Höhe und ich zeichne die Energetik zwischen Yin und Yang in den satten Boden, erkläre, wie Energie sich ständig wandelt und Phasen durchläuft, und wie ich aus diesem fernöstlichen Verständnis von Ursache und Wirkung eine Methode fand, die verlorenen und deformierten Persönlichkeitsaspekte in uns wiederzufinden und zu einem ganzen, zu unserer ganzen Persönlichkeit zusammenzufügen.
Einem der Männer rinnen die Tränen über die Wangen, als ich beschreibe, wie oft bei uns Europäern der verspielte, fließende Wasseraspekt „wegerzogen“ wurde und wir versteinern in unserem Sicherheitsbedürfnis und unserem Bemühen, Ordnung und Strukturen zu schaffen und festzuhalten. Oder wie wenig Raum unser Verständnis von Arbeit und Pflicht unserem explosiven, feurigen Aspekt lässt. Für alle ist diese Denkweise ganz neu, und daher lassen wir uns von der Fülle und Vielfalt des Ortes, an dem wir uns befinden, zum Spiel mit den Kräften einladen. Jede/r für sich sammelt auf der weiteren Wanderungen Eindrücke und Begegnungen mit den energetischen Aspekten im Außen.
Ich sehe vier Menschen, die mit dem Wind tanzen, zu Stein werden, das Feuer suchen … und jede/r auf eine andere Art: Auf dem grandiosen Tinerfe-Fel ist unser nächster Treffpunkt und wir tauschen die Erfahrungen aus: Dem einen begegnete das Wasser in der sanften Umarmung deswogenden Ozeans, dem anderen als kraftvoller Wasserfall oder wieder einer anderen als sich schlängelnde Eidechse, die sich in der gesamten Landschaft als Spuren des unsichtbaren Wassers wiederfindet.

Die Reise nach Innen hat begonnen
Einer der Höhepunkte der ersten Woche steht am Mittwoch an:
Auf den stillgelegten Terrassenfeldern an der Steilküste kommen wir zusammen, bauen gemeinsam ein Medzinrad, vollziehen ein Räucherritual. Die Teilnehmer/innen legen sich in die Himmelsrichtungen, die ihnen am nächsten sind, ich nehme Platz in der Mitte mit meiner Trommel. Jedes Mal ist dieser Moment, nachdem ich die höheren Kräfte gerufen habe, mich Gottes Führung übergeben habe und mich zur Verfügung stelle als Kanal für die Suchenden wie eine Gratwanderung, wie ein freiwilliger Schritt in einen Starkstromkanal, aus dem heraus ich die Träumenden durch die Trance in ihre Innere Welt führe. Auch diesmal verfliegt die letzte Anspannung mit dem ersten Trommelschlag – Gedanken und Körper kommen zur Ruhe, die Seele zeigt ihr Gesicht, Bilder huschen zwischen Artemsiasträuchern und duftendem Salbei durch die Luft … mit dem letzten Trommelschlag, dem Aufwachen packe ich meine Dinge zusammen – die Träumer gehen in Stille an Orte, an denen sie die inneren Bilder aufzeichnen, die ihre Seele ihnen gezeigt hat.

Während vier Menschen ganz bei sich in der untergehenden Sonne am Guanchenmeer sitzen, laufe ich die steilen Wege und Gassen hinauf zur Casa, setze die Linsen auf und schneide Gemüse, damit das Leben in ganzer Pracht meine Reisenden wenig später in die Arme schließt.

Foto: Evelin Rosenfeld

Foto: Evelin Rosenfeld

Hintergrund: Sechs Menschen und Evelin treffen sich kurz vor Vollmond am 6. September  im Anagagebirge – einer abgelegenen Gegend auf Teneriffa – um Ängste zu durchbrechen, die in alle Winde verstreuten Anteile zusammen zu holen, ihnen unter Lorbeerbäumen Leben einzuhauchen und im magischen Licht der Barrancos den Ruf der Seele zu hören. Seit 15 Jahren begleitet Evelin nun Menschen in diesem tiefen Transformationsprozess, der in Selbstbestimmtheit und ein authentisches Wirken führt.

Alle Informationen zu ihren Reisen  hier.

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