Kolumne: CHARLIE

charlie1Terror in Paris. Ich bin zutiefst erschüttert. Nicht nur darüber, dass Terror nun auch in Europa aufzuflammen droht – als verstärkte Panikmache, zunehmende Radikalisierung und Verschärfung von Fronten. Das ist die kleinere Gefahr.

Erschüttert bin ich eher darüber, wie schnell wir uns auf die eine oder andere Seite schlagen, Partei ergreifen; oft nennen wir es „solidarisieren“. Erschüttert bin ich darüber, wie wenig wir darin geschult sind, als Einzelne einen übergeordneten Standpunkt einzunehmen und von diesem Standpunkt aus konstruktiv mit einer Angelegenheit in Beziehung zu treten. Kurz, wie schnell wir Masse sind – was immer die Gefahr mit sich bringt, sich als solche instrumentalisieren zu lassen. Hier liegt die große Gefahr.

Was aber heißt „konstruktiv“?

Selbst wenn es altmodisch klingt: konstruktiv heißt weise.
Es mag verblüffen, dass alle Weisheitstraditionen sich über eines einig sind: Wann immer da ein Konflikt herrscht, fixiere dich nicht auf den vermeintlichen Gegner. Die Tendenz, deinen gesamten UNMUT dorthin zu projizieren, führt in die falsche Richtung. Schau zuerst nach innen. Versuche dich in die Biographien aller Beteiligten einzufühlen. Korrigiere zuerst deine eigenen Versäumnisse. Und dann frage: Was kann ich tun, um die trennende, destruktive Situation zu überwinden?

Ist da vorwiegend von „Angriff auf die Freiheit“ die Rede, triggert das die Angst, den UNMUT, schürt das die allgemeine Antihaltung und setzt einen Kreislauf in Gang, der auf Gegeneinander, Krieg, angelegt ist.

Je suis Charlie – wo ich in tiefster Anteilnahme bin.
Mais je ne suis plus Charlie, wo ich auch nur die geringsten Anzeichen von Aufwiegelung erkenne.
Ich bin nicht einmal Charlie, wenn es um Meinungsfreiheit geht.

Vielleicht geht es – noch vor der radikalen Meinungsfreiheit – um einen viel höheren Wert: um das Bemühen nämlich, diese seine Meinung in gegenseitigem Respekt auszudrücken?

In der interkulturellen Mediation, einem immer wichtiger werdenden Zweig meiner Arbeit, könnte ich auf diese Grundhaltung nicht verzichten. Ich hätte einfach keinen Erfolg damit.

Christina Kessler

Christina Kessler

Zur Person: Die Kulturanthropologin Christina Kessler erforscht seit Jahrzehnten die Weisheit alter Kulturen. Ihre Erkenntnisse hat sie in ihrem Buch Wilder Geist – Wildes Herz zu einem Wegweiser destilliert, der mitten in die alle Weisheitstraditionen und moderne Forschungslinien verbindende Essenz der Intuition führt: Der Wandel, eine Bedrohung? Der Wandel, eine Chance!
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2 Kommentare zu “Kolumne: CHARLIE
  1. Gabriele Weiss sagt:

    Synchronizität …….Stunden der Kraft : 11.1 2015 =Tag der 11:
    Im 11 arrondisment von Paris ( symbolisch Stadt der Liebe ) versammeln sich Massen um zu laufen vom Platz de la République vers la Place de la Nation .Alles ist miteinander verbunden .All-berbunden ,Soziokulturelle Memengependel polar trennend ,holokratisch all-verbunden.
    Welche Pendelkräfte wirken wann ,auch als Bomerang;
    be-zahlend im Spiel der Zeitraum Fraktalen
    Worte der Metaebenen der kosmokulturellen Mediation
    Der Weise stimmt der Welt zu ,wie sie ist ,auch dem Todesprinzip .

  2. Thomas sagt:

    Das Trennende zu überwinden, ich wage zu bezweifeln, dass Anklage und Vergeltung dies schaffen. Wie göttlich doch der Friedensprozess durch Nelson Mandela im Vergleich hierzu scheint. Vergebung verbindet, Vergebung heilt, sich selbst und auch verhärtete Seelen, die denken, Gewalt sei gerechtfertigt. Was sie nicht ist. Wer jedoch Vergebung erfährt, ist eher bereit, sich zu reflektieren. Wer Gnade erfährt wird eher Gnade walten lassen. Es kann natürlich auch sein, dass sie den Anderen nicht erreicht. Sie erreicht jedoch einen bestimmt, denjenigen, der sie gewährt.

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