Von der Bindung zur Bildung

Von Lena Busch. Menschen streben nach Freiheit und Selbstbestimmung, danach sich weiterzuentwickeln. Wir brauchen die Möglichkeiten, uns auszuprobieren. Festzustellen, was wir mögen, was wir gut können. Kinder tun das von Geburt an, sie folgen ihrer inneren Richtung; sie wollen lernen, sich entwickeln, und sie tun das in ihrem eigenen Tempo. Wenn wir sie lassen! Voraussetzung ist, dass wir sie als die kompetenten kleinen Menschen wahrnehmen, die sie sind.

Oft ist es doch so: bereits sehr früh verlieren wir das Vertrauen in diese natürliche Entwicklung, meinen, wir müssten dann doch das „Gefäß“ Kind mit etwas befüllen, dass wir Erziehung oder Bildung nennen – und wobei Erwachsene entscheiden, was „gut“ und was „richtig“ ist für das Kind. Gesteuert wird dies oftmals bewusst oder unbewusst von Angst vor dem Unbekannten und Neuen, von alten Mustern, von der Vorstellung vom „verwöhnten Kind“ und vom „kleinen Tyrann“, von Vorstellungen davon, was „normal“ oder „nicht normal“ ist, mit Rollenmodellen – und natürlich von dem Wunsch, dem Kind eine möglichst gute und schöne Zukunft vorzubereiten. Dabei wird oft übersehen, dass das so gar nicht möglich ist – wir können nicht mit den Mitteln oder dem Wissen von gestern oder heute auf morgen vorbereiten, und wir müssen es auch gar nicht.

Jeder Mensch bringt alles mit, was dafür notwendig ist.
Was es dafür braucht, ist Rückhalt und Vertrauen. Eine Begleitung, wenn sie angefordert wird. All dies beginnt mit oder schon vor der Geburt. Wenn wir in gutem Kontakt sind mit unserem Baby oder Kleinkind, können wir bereits dann spüren, was es braucht und in welchem Tempo es vorangeht, können dieses Vertrauen bereits dann entwickeln oder behalten. Wir beobachten und begleiten das kleine Kind: wie es sich die Welt erobert mit jedem Blick, wie es sich stundenlang mit einer Blüte beschäftigen kann, wie es zwei Schritte tut, hinfällt, wieder aufsteht, weitermacht, wieder hinfällt und wieder aufsteht, frei spielt, im Moment ist – dies umso klarer und mutiger, wenn sie von einem sicheren Ort, von einer sicheren Bindung aus starten, sich aufgehoben fühlen, einfach SEIN dürfen, sie selbst – und sich selbst erkennen und entwickeln. Oft hilft uns das auch, wieder in besseren Kontakt mit uns selbst zu kommen und alte Glaubenssätze zu überwinden.

Im klassischen Bildungssystem geht dieses Vertrauen oft verloren oder ist nicht vorgesehen. Es wird versucht, Lernen und Entwicklung zu normieren, in feste Strukturen zu pressen. Das Kind in Formen zu bringen, wie es sein soll oder wie es sich benehmen soll. Jeder soll gleiche Standards erfüllen. Die Defizitorientierung ist ein bekanntes Stichwort – wir verwenden die allermeiste Energie darauf, dort besser zu werden, was uns nicht so liegt, obwohl es vermutlich nie der Bereich unserer größten Begeisterung werden wird (Energy flows where attention goes..). In wirklichen Flow und Kreativität kann man in morgendlichen 45-Minuten-Einheiten eher nicht kommen.

Für wen diese Art zu lernen passt – wunderbar! Für viele passt das nicht. Manche spüren das bereits früh bzw ihre Eltern, manche Kinder passen sich an, manche werden krank oder rebellieren. In Deutschland steht gerade was die Schule selbst betrifft noch das System der Zwangsbeschulung dagegen, teilweise wird mit noch mehr Regeln oder noch mehr Druck versucht, dem zu begegnen – meist mit entsprechend müßigem Erfolg.

Dabei hat jeder das Recht, sich zu bilden, und wir sind als Gesellschaft in der Pflicht, das jedem zu ermöglichen. Aber es ist nicht sinnvoll, sogar eher gemein, nur eine einzige Möglichkeit zu schaffen und dafür die Pflicht umzukehren, indem man die Menschen zwingt, dass sie diese einzige Möglichkeit nutzen müssen.
Auch die Arbeitswelt wird künftig so nicht mehr funktionieren. Die Berufe, die unsere Kinder ausüben werden, gibt es heute noch gar nicht – und sie werden sie auch nicht viele Jahre lang ausüben. Was sie brauchen in einer sich schnell verändernden Welt ist die Fähigkeit, sich auf diese Welt einzustellen. Zu wissen, wie sie am besten lernen, wie sie sich Dinge aneignen. Vor allem aber zu wissen, wer sie selbst sind und wer sie sein wollen, was sie bewegen wollen in der Welt, um sich nicht selbst zu verlieren in diesem schneller werdenden Tempo. Und das wird nicht gelingen, wenn wir immer mehr Anforderungen, immer mehr Stunden schon in einen Kinder-Alltag, einen Kinder-Arbeitstag pressen.

Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel und er hat bereits begonnen.
Wir lernen, Kinder nicht mehr als „Zögling“ und unvollkommen wahrzunehmen, sondern als die wunderbaren Wesen, die sie sind. Wir brauchen keine Erziehung mehr, wir dürfen uns auf Augenhöhe begeben und miteinander wachsen. Denn wie sollen aus Kindern Menschen heranwachsen, die die Grenzen Anderer und ihre eigenen kennen und achten, wenn bereits im frühsten Alter die Grenzen oder Bedürfnisse des Kindes übergangen oder übertreten werden?

Aber es gibt Alternativen, und es gibt immer mehr Menschen, die nach diesen Alternativen suchen und diese leben. Die sich Entschleunigung wünschen, mehr Miteinander und mehr Zusammen. Die sich echte Wahlfreiheit und Bildungsfreiheit wünschen. Immer mehr Menschen in aller Welt leben beispielsweise ganz oder teilweise ohne Schule. Es gibt freie Schulen ohne feste Stunden, ohne Klassen und ohne feste Lehr- oder Stundenpläne. Es gibt freie Lernorte, in denen Menschen jeglichen Alters zusammenkommen können und sich mit ihre Interessen beschäftigen können – auch in der Gruppe, auch ohne Kursrahmen oder Voraussetzungen, die man für die Teilnahme erstmal mitbringen muss. Manche Wissenschaftler beschäftigen sich schon seit Jahrzehnten mit dem sog. „informellen Lernen“. Junge Menschen stellen sich ihre Bildung selbst zusammen – das Internet und die globale Vernetzung machen es heute einfach.

Mein Mann und ich haben selbst drei Kinder (2, 5 und 8 Jahre) und haben relativ schnell gemerkt, dass viele der alten Vorstellungen nicht mehr passen für uns und haben uns auf die spannende Bildungsreise begeben – mit unseren Kindern, aber auch für uns selbst.
bildungskongress
Wir haben ungefähr 50 Experten aus der ganzen Welt und im Alter zwischen 18 und 73 Jahren online versammelt. Das gab es in dieser Form und zu diesem sensiblen Thema noch nie, viele von ihnen treten zum ersten Mal online auf. Darunter sind beispielsweise Wissenschaftler wie Prof. Peter Gray (Bildung braucht Freiheit), junge Menschen, die ohne Schule aufgewachsen sind (in Deutschland oder anderswo/Freilerner/Unschooler), Reisefamilien, Ausgewanderte, Filmemacher, die Betreiberin einer internationalen wöchentlichen Show, Verbandsvorstände und Aktive für das Lernen in Freien Schulen oder ganz ohne Schule, Lehrer, Berater, Autoren, Coaches, Menschen, die sich ihre Bildung nach der Schule selbst zusammengestellt haben, Initiatoren und Aktive freier Lernorte im In- und Ausland, ein Mitglied von Methodos, die „Schule“ einfach umgekehrt haben und ihre Lehrer selbst einstellen und bestimmen, was sie lernen, Blogger, Online-Unternehmer, Digitale Nomaden und andere ortsunabhängig Arbeitende. Mit ihnen haben wir das neue Format Online-Kongress auf- und ausgebaut.

Der 1. Internationale Online-Bildungskongress für freies Lernen und selbstbestimmte Bildung findet vom 18. bis 27. März 2016 statt. Eine Teilnahme ist wirklich für jeden möglich – denn sie kann vom häuslichen Sofa aus zu jeder Tages- und Nachtzeit erfolgen und der Kongress ist kostenlos. Die Anmeldung erfolgt einfach über die e-mail-Adresse unter www.bildungskongress.com.

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Ein Kommentar zu “Von der Bindung zur Bildung
  1. ole haake sagt:

    merci, für diesen beitrag, allerdings stört mich die darunter gelegte musik … sie macht die sprecher eher sprachlos 😉

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