So kannst du mir helfen

Maja Marlen Hope

Maja Marlen Hope

Was können Erwachsene tun, wie müssten Erwachsene sein, damit nicht so viele Kinder Opfer von sexuellem Missbrauch werden? Von Maja Marlen Hope. Ich war selbst jahrelanges Opfer und habe mich während meiner Traumaaufarbeitung viel mit dieser und anderen Fragen auseinandergesetzt: Wie ist es möglich, dass so viele Erwachsene von sexuellem Kindesmissbrauch nichts wahrnehmen, oder nicht helfen? Warum schweigen so viele Kinder? Warum vertrauen sie Erwachsenen nicht? Was brauchen Kinder, damit sie die Last loslassen können?

Wo waren damals echte, sich fühlende, mutige, aus dem Herz lebende Erwachsene, die für sich und ihre Bedürfnisse einstehen konnten, ohne Furcht vor den Konsequenzen? Wo sind sie heute?
Kinder brauchen Vorbilder. Kinder lernen, indem sie imitieren. Was leben wir Erwachsenen ihnen vor? Was geben wir den Kindern mit auf ihrem Weg?

Ist es für DICH auch oft schwierig, dich nicht im Alltag zu verlieren? Bis heute ist es eine tägliche Herausforderung für mich, echt zu sein, mich ganz zu spüren, ganz da zu sein, und nicht einfach nur zu funktionieren.

Mein inneres Kind schrieb den folgenden Text „So kannst du mir helfen“, den ich im Zuge eines Vortrages auf einem Präventionskongress gegen häusliche Gewalt an Kindern vorgelesen habe.

So kannst du mir helfen

Du kannst mir helfen, wenn du einfach nur du bist. Spiel kein Theater. Lächle nicht, wenn du eigentlich traurig bist. Sag nur dann JA, wenn du auch JA meinst. Und sag NEIN, wenn du etwas nicht willst. Hör auf Sachen zu machen, die du nicht machen willst. Hör auf für andere alles zu machen. Hör auf alle anderen glücklich zu machen, während du selbst immer unglücklicher wirst.
Spiel mir nichts vor, lüg mich nicht an, schone mich nicht, hab keine Geheimnisse vor mir, und behandle mich nicht so, als wäre ich zu klein oder zu zerbrechlich.

Sei ehrlich zu mir. Sei echt. Sei du selbst.

Spürst du dich? Wann bist du wirklich 100 Prozent bei dir? Wann denkst du nicht über irgendetwas nach, sondern bist einfach nur da, mit dir in Frieden?
Hör auf eine Maschine zu sein und alles schnell und automatisch zu machen.

Ruhe dich mal aus und lieg einfach nur da. Lass mich da bei dir sein. Du brauchst mich nicht immer beschäftigen. DU musst auch nicht andauernd etwas tun. Du machst mich nervös, wenn du nie still bist. Sei doch endlich einmal still, halte ein, atme mit mir, dann spür ich dich. Ohne zu sprechen. BITTE!

Ich spür dich nicht. Ich bin soooo allein, wenn ich dich nicht spüren kann. Ich kann dich nur spüren, wenn du ganz da bist. Doch das bist du nie. Fast kein Erwachsener ist je ganz da, ganz bei sich, die denken alle nur und funktionieren. Maschinen!

Du kannst mir helfen, wenn du deinen Kopf wegschaltest und in dein Herz kommst. Weißt du, dein Herz spüre ich, damit kannst du mich erreichen, und ich wünschte du wärst öfter dort, doch dort bist du fast nie.

Muss ich auch so viel denken, wenn ich groß bin? Ich will keine Maschine werden, die nichts mehr fühlt und nur schnell dahinlebt, ohne Ruhe, ohne Gefühle, ohne wirklich im Herzen zu leben.
Ich mache dir doch alles nach. Ich beobachte dich jede Sekunde. Du bist schon groß. Du bist mein Vorbild. Ich lerne von dir. Deine Worte berühren mich nicht, die höre ich nie. Ich beobachte dich nur und imitiere dich. In allem.

Aber was bringst du mir da bei? Was lebst du mir vor? Dass ich nicht wichtig bin, weil es dauernd nur um das Außen und die Anderen geht? Dass ich alle NEIN – Gefühle unterdrücken muss, mir alles gefallen lassen muss, nur dass ich weiterleben darf? Anders, echt, so wie ich wirklich fühle und empfinde, darf ich scheinbar nicht sein.

Hör auf damit und sei dir bitte endlich selbst wichtig. Behandle dich bitte so, wie du von anderen behandelt werden möchtest. Steh ein für dich, damit gibst du mir die Chance, das auch für mich zu machen.

Ich trau mich nie NEIN zu sagen, weil du das auch nie machst. Du fürchtest dich so sehr davor, nicht mehr gemocht zu werden, dass du ALLES dafür in Kauf nimmst.
Ich trau mich nie gut auf mich aufzupassen, ich hab kein Recht dazu; du machst das auch nicht, du lässt andere auf dir herumtrappeln.

Ich zeige niemandem meine wirklichen Gefühle, weil du das auch nicht machst und noch nie echt warst. Anscheinend darf ich nur leben, wenn ich nicht zu mir, meinen Gefühlen und meinem Herzen stehe.
Wie du mir helfen kannst?
Ganz ehrlich?

Indem du beginnst DIR zu helfen, 100% für dich da zu sein. Indem du beginnst dich ganz zu spüren und echt zu sein. JEDEN TAG ein bisschen mehr.

Ich habe soooo wenige echte Erwachsene getroffen, die mir nichts vorspielen. Und das sind die denen ich vertrauen kann. Nur denen.

Du brauchst für mich nichts tun. Du brauchst MIR nicht helfen. Indem DU glücklich bist, geht es mir gut. Ich heile mit dir, indem du dich heilst. Ich bekomme von jedem Funken deiner Echtheit etwas ab, so stark strahlt diese von dir weg. Und nicht nur ich, nein, ALLE KINDER haben was davon, die mit dir in Berührung kommen. So wichtig bist du, so wichtig ist dein Herz. Wir sehnen uns alle einfach nur nach echten Menschen, Menschen denen wir vertrauen können.

Hilf UNS also bitte, und werde echt! Du gibst uns damit die großartige Chance, dass wir eines Tages ECHTE ERWACHSENE sein können, die auf ihr Herz hören, und das leben, was sie sich tief drinnen wünschen.

Zur Autorin:
Maja Marlen Hope, 32 Jahre, Lehrerin, Theaterpädagogin und Autorin. Ihre Aufarbeitungsgeschichte „Vom zersplitterten Spiegel zum bunten Mosaik“ wurde im März 2016 veröffentlicht. Mehr Infos auf ihrer Homepage unter: www.hope4sunshine.com

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3 Kommentare zu “So kannst du mir helfen
  1. kleine Bärin sagt:

    So etwas Gutes habe ich noch nie gelesen ! Genau ist es, was Kinder Brauchen: athentische, liebevolle Eltern !

    Wie viele Eltern habe ich erlebt, die nur noch Konventionen leben und nicht echt sind.

    Leider gibt es aber auch viele Eltern, die mit sich selbst nicht im Klaren sind und deshalb keinen Kontakt zu ihren Kindern finden oder sich von der Anwesenheit von Kindern überfordert fühlen.

    Deshalb: lasst euch Zeit mit dem Kinder bekommen, bis ihr zu euch selbst gefunden habt, euch emamziepert habt, vom Elternhaus, von Lehrern von sonstigen Ansprüchen an euch und bis ihr wirklich erwachsen seid und Vorbilder sein könnt.

  2. Andrea Schneider sagt:

    Das ist einfach WUNDERVOLL!

  3. Kiara sagt:

    Kinder brauchen liebevolle authentische Eltern – aber die Eltern sind oft selbst noch Kinder, selbst oft Opfer physischer und sexueller Gewalt und – wie ich aus eigener Erfahrung weiss – sich dessen nicht bewusst. Sie können sich ihrer traumatischen Erfahrung nicht bewusst sein, weil sie immer noch im jahrzehntelangen Schock befinden. Daraus zu erwachen geht nicht ohne Hilfe, ohne das Wahrnehmen, dass man sich im Schock befindet. Das ist ein langer und schwieriger Prozess, weil die traumatische Erfahrung oft schon über Generationen weiter gegeben wurde. Eltern zu werden heisst nicht nur Verantwortung für die Kinder, sondern vor allem für sich selbst zu übernehmen und mit der eigenen Kindheit Frieden zu schliessen.

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