Hommage an das Banale

Foto: Elske Margraf

Einsendung von Bobby Langer an die OYA. Kürzlich saßen wir beisammen und schmiedeten Pläne zur Gründung einer Lebensgemeinschaft. Allesamt waren wir mehr oder weniger spirituell orientiert, ausgenommen Manfred. Wir sprachen über die unverzichtbaren Grundwerte einer Gemeinschaft. Weil es ein Kreisgespräch ohne Diskussion war, kam auch Manfred an die Reihe.

In fundamentalen Runden wie dieser pflegt er lächelnd zu sagen, er habe seinen Vorrednern nichts hinzuzufügen und alles sei gut. So erwarteten wir auch diesmal keinen Kommentar von ihm. Doch nun räusperte er sich, überlegte einige spannende Sekunden lang und sagte dann: „Ich wünsche mir ganz viel Banalität.“ Darunter konnten wir uns nichts vorstellen und schwiegen in der Hoffnung, er werde seinen Wunsch weiter ausführen.

Als er unsere wartenden Blicke auf sich liegen spürte, räusperte er sich zögernd und sprach weiter: „Würden wir einsehen, dass wir nichts Besonderes sind, sondern ganz banal Lebewesen wie alle anderen Tiere und Pflanzen auch, dann wäre uns schon viel geholfen. Wir werden geboren, und irgendwann verkrümeln wir uns wieder. Buchstäblich. Das ist auch schon alles. Und in der Zwischenzeit bilden wir uns ein, wichtig zu sein. Die meisten Probleme auf diesem Planeten entstehen schlicht deshalb, weil sich die Leute überschätzen.“

In den folgenden Sekunden fühlte es sich an, als sei unser gedankliches Wolkenschiff auf dem Boden gelandet. Ich hatte sogar den Eindruck, als hätte es in Simons und Carinas Wohnzimmer gerade laut und deutlich gerumpelt. Und dann sagte einer: „Manfred, wenn du jetzt spirituell wärst, hättest du gesagt: ‚Ich wünsche mir mehr Demut.‘ Aber so klingt es irgendwie klarer, banaler. Danke.“ Alle musste grinsen – Manfred auch.

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Dies ist ein Einblick in die aktuell erscheinende Oya 43, die sich intensiv mit dem Thema „auf den Boden kommen“ beschäftigt. Viele Leserinnen und Leser haben sich an dieser Frage mit eigenen Gedanken, Fotos, Gedichten und Recherchen beteiligt. Hier bestellen.

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Ein Kommentar zu “Hommage an das Banale
  1. Björn S. sagt:

    Danke! So banal und doch so gut.

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