Chorgesang als Seelen-Medizin

Foto: Chorleiterin Susanne Weiß

Von Conny Dollbaum-Paulsen. Mein Leben hat sich verändert, was ja zunächst mal jeden Tag passiert. Tatsächlich meine ich hier aber eine ganz besondere, etwas tiefer und weiter in mich hinein reichende Veränderung. Ich singe nämlich jetzt. In einem Chor, in MEINEM Chor und das hat tiefe wunderbare Spuren hinterlassen. Vom ersten schrägen Ton an, den ich dort mitgesungen habe vor einem halben Jahr.

Etwas speziell: Ein Chor für Trost, Kraft und Heilung

Nun singe ich nicht in irgendeinem Chor, wobei das wahrscheinlich jede sagt, die singt. Ob Schlager, A Capella, große Werke oder Gospel: Wer singt, verbindet sich mit dem, was dort ins Klingen kommt. So ging und geht es mir – ich schreibe also, sozusagen persönlich-stellvertretend, über die Einzigartigkeit meines Chores, dem Chor für Trost, Kraft und Heilung.

Schon unser Proben-Raum ist, ganz ohne Übertreibung ziemlich außergewöhnlich – wir singen im Raum für Abschied und Erinnerung, oder auch, etwas eindeutiger formuliert, einem wunderschönen Raum in einem ebenfalls recht außergewöhnlichen Bestattungsinstitut. Aus diesem Kontext ist er auch entstanden, mehr dazu hier.

Neben dem Probenort ist auch die Ausrichtung etwas speziell: Wir singen oft, aber nicht immer, sozusagen im Auftrag; für Menschen, die krank sind, im Sterben liegen, für gerade Verstorbene und ihre Seelen, für trauernde Angehörige – also insgesamt für Menschen, die Trost, Kraft und Heilung gut gebrauchen können.

Diese Ausrichtung, die Widmung an bekannte oder unbekannte Seelen, die Trost benötigen, macht etwas mit mir, mit uns allen – das Herz wird weit und offen, richtet sich über uns selbst, über den Chorkörper hinaus in die Welt an diejenigen, die durch unseren Gesang, sei er schief oder lerchenhaft, immer aber zugewandt, getröstet werden. Und wir gleich mit.

Wir singen aber auch ganz ohne Auftrag – die Lieder trösten, geben Kraft, machen Freude, sind voller Humor und Lebenskraft, vielsprachig, als Mantra, Kanon oder vielstimmiges Wunderklangwerk.

Im Klang einzig und verbunden

Zurück zu meiner Erfahrung – seit ich im Chor singe, konzentriert sich ein kleines feines Sehnen in meiner Brust auf den Termin am Donnerstag. Auch wenn ich die einzelnen Mitsingenden noch wenig kenne, höre und liebe ich jede der einzigartigen Stimmen. Mal abgesehen davon, dass die herzliche Aufnahme einer Nicht-Sängerin wie mir so liebevoll und freundlich ablief, wie ich es bisher selten erlebt habe, ist dieser Chor ein seelischer Heimathafen.

An diesen Abenden sprechen wir alle Sprachen dieser Welt (mit ostwestfälischem Akzent, versteht sich), singen in Zulu oder Hindi, in Sanskrit aber natürlich auch ganz banal auf Deutsch oder Englisch. Wir singen Mantren, Kinderlieder, Volkslieder – wir singen, wie andere Chöre auch, mehrstimmig, wir üben für kleine Auftritte. Und erfreuen uns, auch das ist Chören wohl gemein, am großen Klang, der alle Einzigartigkeiten zu etwas Neuem werden lässt.

Wir sind verschieden, nicht nur in Alter, Größe, Hintergrund und Aussehen – dem angepasst sind unsere Stimmen das natürlich auch. Hell und dunkel, zurückgenommen, herausfordernd, weich, ein wenig kratzig, jubilierend, erdig, luftig, leicht, eher schwer, natürlich hoch und tief in Stimmlage und -vermögen. Wir sind ganz da, mit jeder Einzelstimme, um uns dann ineinander miteinander aufzulösen – ein Urgefühl, das eine tiefe Sehnsucht heilt: im Einzigartigen erwünscht und gerade darin verbunden zu sein. Wem das jetzt arg pathetisch klingt…dem gebe ich vollkommen recht. Und bleibe ganz bei mir und dem Gefühl: Das Singen in meinem Chor hat mein Leben verändert.

Zentral, also das Herz des Ganzen, ist natürlich unsere Begleitung, ohne die wir einfach nur ein Haufen Stimmen wären, ein ostwestfälisches Gesangs-Babel. Unsere Chorleiterin, Susanne Weiß ist eine durch und durch singende Seele. Mit ihr und durch sie finden wir gemeinsam den Ein(en)Klang. Ich stelle mir vor, dass es nicht immer leicht ist, uns dorthin zu bringen und schicke einen Dank an sie. Sie holt uns alle ab, hört sehr genau, was da am Rande klanglich überragt – und holt uns immer wieder mit sanfter klarer Kraft zurück zu uns. Ganz nebenbei und doch zentral: sie singt ganz wirklich wunderbar, zu hören bei den Frauen von amai.
Weiter, leichter, freundlicher…

Wir singen immer zwei Stunden – nehmen Atem und den ganzen Körper am Anfang mit dazu, singen in unseren Stimmen, hören den anderen zu, singen gemeinsam, widmen den Trostbedürftigen die einzelnen Lieder, proben für ein Konzert. Ich bin mit meiner Stimme ganz präsent und doch nicht dominant (hoffe ich jedenfalls). Ich bin ein Teil und spüre alle ganz im Ganzen. Kein Wunder, dass ich dann mit Trällertönen auf dem Rad nach Hause brause – ich bin verändert, zweifellos. Beglückt, verbunden mit mir, den Mitsänger*innen, den Vögeln draußen, deren Lied ich anders höre, mit Welt und Erde, Himmel, was auch immer. In jedem Fall bin ich von Herzen durch und durch zufrieden. Und voller Dankbarkeit, ein Teil davon sein zu dürfen.

So ist das mit mir und meinem Chor und dem, was er in mir verändert.

Die Wissenschaft hat festgestellt….

…dass Singen nicht nur Spaß enthält. Besser gesagt, dass gerade die empfundene und geteilte Freude nicht nur ein ganz nettes Gefühl, sondern dass eben diese beim Singen empfundene Freude ausgesprochen gesund ist. Was ich da gerade an freudiger Veränderung in mir erlebe, macht mich also zusätzlich auch noch gesund. Ich teile diese ganz besondere Medizin mit tausenden von Menschen – allein in Deutschland gab es 2017 die satte Menge von 21.258 Chören, Tendenz steigend.

Die Psychneuroimmunologie, die sich mit dem komplexen Zusammenspiel beispielsweise von Gefühlen mit dem Hormonsystem beschäftigt, hat das Feld des Singens bereits erforscht und bestätigt: Gemeinsames Singen ist ausgesprochen gesund. Es stärkt das Immunsystem nachweislich, hat positiven Einfluss auf den Verlauf chronischer Erkrankungen, entspannt und stärkt das Gemeinschaftsgefühl. Daraus könnte geschlossen werden, dass Singen auf Rezept keine ganz so abwegige Idee wäre.

Mehr dazu unter Singende Krankenhäuser oder  unter https://www.heilnetz-owl.de/news/singen-als-gesundheitserreger.html

P.S. Wer in der Nähe von Bielefeld wohnt, kann den Chor für Trost, Kraft und Heilung übrigens am 26.4. in der capella hospitalis hören – mit Ukuthula, Lieder zum Frieden.

Hinweise der newslichter Redaktion zu weiteren Chorprojekten

https://www.newslichter.de/2017/12/ritualchor-einfach-mitsingen/

Ritualchor für Frauen

Einfach zusammen singen

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7 Kommentare zu “Chorgesang als Seelen-Medizin
  1. Maria sagt:

    Chor in Lüneburg
    Chor für Freies Kreissingen, Lieder des Herzens, Heilung und Stille
    jeden Dienstag, 19.30 Uhr und vorab treffen sich einige zur Meditation um 18.30 Uhr. Besuchsoffen!

    Wir singen auch Mehrstimmig, frei und ohne Druck. Einfach aus Freude am Singen!
    Kleine Konzerte gibt es auch ab und an 🙂

    https://www.sajema.de/copy-of-konzerte-1

  2. Wir singen regelmäßig im Yogini Dome an der Elbe im Wendland Mantras und bald auch im Harmonic Temple http://www.yoginidome.de

  3. Kathi aus Wien sagt:

    Gibt es ähnliche Chorprojekte auch in Wien?Weiß jemand darüber vielleicht Bescheid?🙄

  4. Cornelia sagt:

    Ich lebe in Leipzig und möchte schon lange in einem CHor mitsingen. Bei uns gibt es etliche Chöre, jedoch mit einigem Anspruch und es werden schon ausgebildete oder zumindest „gut klingende“ Stimmen gesucht. Ich bin ein Neuling und finde es schade, dass ich damit -bisher zumindest- keine Chance hatte. Und wenn ich ein Probesingen oder gar eine Eignungsprüfung absolvieren muss, dann ist mir schon die Freude am Mitsingen vergangen. Deshalb danke ich Conny sehr für ihren Beitrag. Das macht mir Hoffnung, dass ich vielleicht auch in meiner Region einen ähnlichen Chor finden kann. Vielen Dank und weiterhin Freude beim Singen!

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