Natürliche „Reparaturwerkstatt“ regenerative Landwirtschaft

Foto: Delinat

Ein Interview mit Delinat Winzerberater Daniel Wyss. Regenerative oder aufbauende Landwirtschaft ist nichts anders als eine Reparaturwerktstatt für beeinträchtigte oder zerstörte Kulturflächen, die nach bestimmten Prinzipien umgesetzt werden.

Permakultur, Agroforst, regenerative Landwirtschaft, worin unterscheiden sich diese nachhaltigen Methoden genau?

Daniel Wyss: Permakultur ist umfassend. Es geht darum, natürliche Ökosysteme und Kreisläufe aus der Natur nachzuahmen. Bei der Agroforstwirtschaft werden Elemente des Acker- und Gemüsebaus mit Elementen der Forstwirtschaft kombiniert, etwa mehrjährige (Obst-)Bäume und Sträucher mit einjährigen Nutzpflanzen. Die regenerative Landwirtschaft greift auf Konzepte der Permakultur, der Agrarökologie und des holistischen (ganzheitlichen) Weidemanagements zurück. Es geht darum, den Boden zu regenerieren und ein widerstandsfähiges Anbausystem zu schaffen.

Foto Delinat: Eine vielfältige Begrünung zwischen den Rebzeilen bietet nicht nur Nahrung für Insekten, sondern baut auch Humus auf und fördert ein gesundes Bodenleben.

Was kann mit der regenerativen Landwirtschaft konkret bewirkt werden?

Sie kommt dort zur Anwendung, wo Kulturlandflächen durch Menschenhand über Jahrzehnte durch intensive, pestizidunterstützte Bewirtschaftung stark beeinträchtigt oder gar zerstört wurden. In solchen Fällen ist eine nachhaltige, strukturerhaltende Landwirtschaft nicht zielführend. Es geht viel mehr darum, durch gezielte und konsequente Verknüpfung von Faktoren wie Standortklima, Humusaufbau, Biodiversität und Wasserretention die Bodenfruchtbarkeit wieder herzustellen oder zu verbessern. Ziel ist ein pestizidfreies, effizientes und resilientes Anbausystem mit geschlossen Stoffkreisläufen.

Weshalb ist die regenerative Landwirtschaft ein grosse Chance für den Weinbau?

Viele Rebflächen Europas sind durch die bisherige Art der Bewirtschaftung und die klimabedingten Wetterextreme beeinträchtigt. Die regenerative Landwirtschaft baut Humus auf und verbessert die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens. Letztlich ist sie ein Anbausystem, das sich durch hohe Widerstandskraft gegenüber klimatischen Extremsituationen, rasche Regenerierfähigkeit und hohe Pflanzengesundheit auszeichnet.

Welche Massnahmen kommen im Weinbau zur Anwendung?

Durch Einsaaten von vielfältigen Pflanzenmischungen, Zufuhr von Kompost oder Mulch sowie eine möglichst zurückhaltende und nur oberflächliche Bodenbearbeitung wird Humus aufgebaut und der Boden regeneriert. Dabei helfen auch weidende Schafe in den Rebflächen und das Pflanzen von Bäumen und Sträuchern.

Foto Delinat: Wasser-Management hat in der Permakultur einen hohen Stellenwert: Das Regenwasser wird während der regnerischen Monate gesammelt und vermindert im Sommer den Trockenstress der Reben.

Auf verschiedenen Delinat-Weingütern ist die regenerative Landwirtschaft schon länger ein Thema. Wie sind die Erfahrungen?

Besonders eindrücklich ist das Beispiel unseres Partnerweingutes Vale de Camelos im Alentejo. In der Kornkammer Portugals ist die Bodenfruchtbarkeit auf riesigen Flächen durch eine jahrzehntelange intensive Getreidewirtschaft mit massivem Pestizideinsatz stark dezimiert worden. Als die Adega Vale de Camelos um die Jahrtausendwende begann, auf solchen Böden Reben zu pflanzen, versprach nur eine regenerative Landwirtschaft Aussicht auf Erfolg. Mittels Förderung der Biodiversität durch grossflächige Aufforstungen mit einheimischen Bäumen und Sträuchern, einer holistischen Weidewirtschaft mit Schafen, der Anlage von grossen Regenwasserseen und einem gezielten Humusaufbau gelang es, einen zunehmend in sich selber funktionierenden ökologischen Kreislauf anzustossen. Durch die im Alentejo ausgeprägten Extreme des Klimawandels (Hitze, Trockenheit, Starkregen), wurde es zu einer ganz besonderen Herausforderung. Aber es hat funktioniert.

Gibt es andere gelungene Beispiele?

Ja. Auf unserem eigenen Weingut Château Duvivier in der Provence konnten die durch lange Trockenperioden bedingten Ernterückgänge dank Massnahmen aus dem Bereich der regenerativen Landwirtschaft gestoppt werden. Und auf dem Weingut Pago Casa Gran in der Region Valencia gelang es, eine während Jahren versiegte Quelle wieder sprudeln zu lassen.

Das Interview führte Hans Wüst, Redaktor bei Delinat – Wein aus reicher Natur.

Anmerkung der newslichter Redaktion: Es gibt eine gute Übersichtseite The Forest Farmers – Regenerative Landwirtschaft – Landwirtschaft für die Zukunft mit vielen Links zu schon bestehenden Projekten:

“Die regenerative Landwirtschaft erlaubt es uns, natürliche Ressourcen zu regenerieren und gleichzeitig vitale Lebensmittel zu produzieren. So können wir als Gesellschaft echtes Kapital an unsere Kinder weitergeben”

In regenerativen Landnutzungssystemen werden natürliche Ökosystemprozesse imitiert, die Artenvielfalt gefördert und der Boden und das Bodenleben aktiv aufgebaut. Gewässer und Biotope werden geschützt und gefördert. Je nach Produktionsziel, Betriebsstruktur und Flächen wird eine Kombination aus Bäumen, Sträuchern, Feldfrüchten, Stauden und diversen Nutztieren angestrebt, um ein resilientes Produktionssystem mit möglichst geschlossenem (Nährstoff-)Kreislauf zu kreieren. Die Palette der möglichen Erzeugnisse ist sehr breit, sie umfasst Grundnahrungsmittel wie Nüsse & Getreide, Obst, Gemüse, Fleisch & Milchprodukte aber auch Futtermittel, Pflanzenöle (auch Treibstoffe), Fasern, Baustoffe, Medizin und mehr.

Permakultur und Wein?!

 

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