Muttertag

Für die meisten von uns ist die Kindheit noch nicht vorbei. Die meisten von uns sind chronisch untervatert, untermuttert, übervatert, übermuttert oder in einer Mischung daraus aufgewachsen. Ist das etwas Schlimmes? Keinesfalls! Es ist das Beste, was unsere Eltern uns anbieten konnten als Nachkriegsgeneration, Kinder von Soldaten und Trümmerfrauen. Sie alle gaben von Herzen ihr Bestes. Was jedoch noch viel wichtiger ist:  Ihre Erfahrungen sind unsere Sprungbretter. Ja! Ihre Erfahrungen sind unsere Sprungbretter. Sie sind der Kontrast, aus dem unsere Kraft entspringt, uns aufzumachen in neue Welten. Wir sind Seelen mit neuen Seelengaben. Und die Erfahrungen unserer Vorfahren sind der Boden, auf dem wir diese Seelengaben setzen und zum Erblühen bringen können. Die Erfahrungen unserer Ahninnen und Ahnen sind der Kontrast, der unsere innere Mutter und unseren inneren Vater zum Leben erweckt.

Natürlich ist es wundervoll, wenn wir aufwachsen mit wachen Menschen, die uns ihre ganze Liebe und Aufmerksamkeit schenken. Doch gleichzeitig wachsen wir und machen unsere größten Schritte in unsere Seelengaben durch Kontrast. Und mit Kontrast meine ich in einer Welt der Polarität immer das Gegenteil von dem, was wir uns wünschen. Denn das, was wir aus tiefster Seele ersehnen, speist sich aus einem uralten intuitiven Wissen und einzigartigen Gaben, die unsere Seele ausmachen.

Unsere Generation, die Enkel derer, die im zweiten Weltkrieg kämpften, ist hier um uns selbst die beste Mutter und der beste Vater zu werden. Von hier aus gelingt es uns, unsere eigenen Kinder so zu begleiten, dass sie ihre Kindheit nicht nur äußerlich mit Diplomen, eigenen Autos, Wohnungen, Geld und Ehen ausläuten und körperlich erwachsen werden. Sie können durch unser Vorbild erleben – und so lernt der Mensch am effektivsten – wie es ist, sicher mit sich, mit Himmel und Erde verbunden zu sein, dem eigenen Seelenpfad zu folgen, ohne irgendjemandem gefallen oder etwas beweisen zu müssen. Sich zu lieben, zu nähren und zu halten, egal was gerade im Außen passiert. Und sich klar und unbeirrt auszurichten auf das, was sie im Leben sehen wollen. So können sie im eigenen Körper sicher, wach und seelenerfüllt werden. Sie können es wieder werden. Als Erwachsene. Denn als sie von uns Müttern in dieses Leben geboren wurden, waren sie es schon. Genauso wie wir und alle vor uns

Werde erwachsen. Und lass Deine Kinder in Ruhe. Sie finden ihren Weg am leichtesten, wenn Du Deinen findest. Sie brauchen Dich als Mutter, die sich selbst bemuttert und bevatert, und von niemandem ein spezielles Verhalten braucht, um sich seelenerfüllt und glücklich zu fühlen. Und sie brauchen Dich als Vater, der sich selbst bevatert und bemuttert, und für den niemand irgendwelche Erwartungen erfüllen muss, damit er selbst heldensicher in sich ruhen kann.

Und über eines insbesondere sei Dir im Klaren: Du machst alles richtig. Wir befinden uns in einem großen evolutionären Prozess. Und wir stehen am Anfang, sind noch sehr junge bewusste Evolutionärinnen und Evolutionäre. Sei so geduldig, verständnisvoll, bedingungslos liebend und wissend um Deine Perfektion wie bei einem geliebten Kind, das gerade laufen lernt. Denn das tun wir. Wir Enkelkinder der letzten Weltkriegsgeneration, lernen gerade laufen. Je wacher und freudvoller wir das tun, umso mehr Interesse und Freude finden unsere Kinder darin, ihren ureigenen Seelenpfad ganz frei und unabhängig von uns zu entdecken. Sie entdecken ihn nicht durch uns. Wir haben unseren eigenen.

Nachklang

Ich bin mir bewusst, dass alles was sich auf unserer Weltbühne abspielt, ein Spiegel der Dynamiken und Muster in uns und unseren Beziehungen ist. Dabei unterscheidet sich das kollektive Maß an Übermutterung, Übervaterung, Untermutterung und Untervaterung in einzelnen Ländern und Kulturen ebenso wie in einzelnen Familien. Und mir kommt hier der Gedanke, dass z.B. Russland vermutlich zu den Kulturkreisen gehört, in denen Übervaterung und Übermutterung in hohem Maß vorhanden sind. Schon die Zaren und Zarinnen wurden ‚Väterchen‘ und ‚Mütterchen‘ genannt. Besonders wichtig ist für mich in diesem Zusammenhang auch die Erkenntnis, dass sowohl Übervaterung als auch Übermutterung zwar immer auch aus einem Wunsch nach Liebe, doch gleichzeitig auch aus einem Übermaß an Angst entstehen. Untervaterung und Untermutterung wiederum entstehen ebenfalls aus einem Wunsch nach Liebe und gleichzeitig aus einem Übermaß an Schuld und Scham. Und alle diese väterlichen und mütterlichen Emotionen sind mit einander verwoben und bedingen einander. Unterm Strich brauchen alle Seiten einfach Sicherheit. Ein Mensch, dessen Verhalten von unbewusster Angst geleitet wird, neigt daher eher zu strengen Regeln, Bestrafung, Druck und sogar Gewalt gegenüber seiner Familie als zu vertrauensvoller Führung durch Verkörperung und Vorangehen. Und ein Mensch, der sich unbewusst schämt und Schuldgefühle kompensiert, neigt eher zu innerem Rückzug, Manipulation und Unterkühlung als zu bedingungsloser Liebe, Wärme und Klarheit.

Jedes Urteil über einen Menschen oder ein Land kann nur gefällt werden, sobald wir grundsätzliche Dynamiken wie diese in uns selbst außer Acht lassen. Jedes Urteil in einem Moment gegenüber uns oder anderen kann weder die ganze Wahrheit sein, noch führt es uns in den Frieden. Ein Urteil ist letztlich nur ein Beweis für meine eigene Überforderung in einem Moment, die unweigerlich entsteht, wenn ich mich nicht ausreichend nähre, halte, ausrichte, kläre und auf Seelenebene erfülle. Und diesen Hinweis kann ich nutzen!

Wenn ich das tue, lande ich zuhause zwischen Vater Himmel und Mutter Erde und fühle mich tief in mir sicher und geborgen. Von hier aus kreiere und gestalte ich Leben – im Unterschied zu einfacher Reaktion.

Er war’s. Nein, sie war’s, … usw, usw, usw.

Zeit für neue Geschichten. Und für’s Erwachsen werden. Alle Mütter und Väter geben immer ihr Bestes! Und wenn es gerade anders aussieht, dann gibt’s da noch ein paar super coole Sprungbretter. Für Dich und mich :-).

PS Während ich dies schreibe sitze ich im Zug von Berlin nach Amsterdam, und direkt neben mir im Abteil schläft engelsgleich ein Baby.

Claudia Shkatov
TELLING A NEW STORY
www.claudiashkatov.com
Mentoring for a New Age
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Posted in Kolumne
3 Kommentare zu “Muttertag
  1. Miriam sagt:

    Dank dir, liebe Claudia – die Klarheit deiner Worte ist Seelennektar pur!

  2. Dagmar sagt:

    ….ich weine,liebe Claudia….die Schwingungung Deines Textes bringt mich dazu…..ES……meine Schmerzstarre…. schmelzen zu lassen….Leben ist Bewegung….ja….

    Danke,daß Du mich bewegst mit Deinen Worten….aus tiefstem Herzen, mit einem sanften Ausatmen….

    Einen feinen Wochenbeginn,
    Dagmar

  3. Oh ja, liebe Claudia – unsere Urteile fällen wir, wenn wir uns nicht bewußt sind, daß eines oder mehrere unserer Bedürfnisse – vielleicht Wertschätzung, Respekt, Gesehen werden – nicht erfüllt sind. Wenn wir keine Strategien / Wege kennen, uns diese wichtigen Bedürfnisse selbst zu erfüllen. Dann, wenn wir diese innere Leere nicht aushalten, dann gehen wir ins Außen und senden unsere Bewertungen, Urteile, Diagnosen, Analysen an andere Menschen und erwarten von ihnen, uns unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Dein Text zeigt mir auf seine wunderbare Weise noch einmal, wie wichtig es ist, unsere Bedürfnisse zu kennen, sie bewußt wahrzunehmen und anzuerkennen. Das reicht meist schon, denn indem wir das tun, kümmern wir uns schon liebevoll und nährend um uns selbst. DANKE … GUnTER

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