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Keine Zukunft ohne Liebe

4362Das Wort zum Sonntag kommt heute vom Philosophen Christoph Quarch:…there is no future without love. Da ist keine Zukunft ohne Liebe. – Was für ein wunderbares Wort von Brian Andreas! Es trifft mich mitten ins Herz; an einem Tag, an dem die Börse auf Talfahrt geht, der Terror in den Nahen Osten zurück kehrt, der Hunger in Afrika um sich greift und und und. Die Seele wiegt mir schwer in solchen Zeiten, und unweigerlich drängt sich die Frage auf, was eigentlich zu tun ist angesichts der vielen Hiobsbotschaften, die über uns hereinbrechen.

Interview Christoph Quarch: Verliebe Dich ins Leben

644Passend zum Frühlingsanfang plädiert der bekannte Autor und Philosoph Christoph Quarch in seinem Buch „hin&weg. Verliebe dich ins Leben“ leidenschaftlich und sehr persönlich für eine erotische Lebenskunst. Er ruft Schönheit und Eros zurück in unser tägliches Leben, damit wir jeden Tag vom Glück, ein blühender Mensch zu sein, erfahren. Im nachfolgenden Interview erläutert er seine Gedanken zu einer Kultur der Schönheit, erotischer Liebe und spirituellem Leben. In Ihrem Buch schlagen sie vor, sich ins Leben zu verlieben. Warum? Schon lange beschäftigt mich die Frage nach dem Glück. Und dabei habe ich mir irgendwann überlegt: Wie wäre es, wenn wir unser ganzes Leben so leben könnten wie Verliebte, wie ein verliebter Mensch? Mit einem offenen Herzen, mit der Begeisterungsfähigkeit eines Verliebten, der die Welt in einem anderen Licht sieht, der sich an der Welt erfreuen kann und der darin glücklich wird. Und warum „hin und weg“. Das klingt so ein bisschen nach sich loswerden wollen? Weil es die vielleicht zentrale Qualität des Verliebtseins ist, hin und weg zu sein – hingerissen, begeistert und tatsächlich über sich hinausgetragen; deswegen nicht nur hin, sondern auch weg. Was meinen Sie damit, den Eros wieder zu Ehren bringen? Eros ist diejenige Kraft, mit der das Leben zu sich selber kommen will. Eros ist so gesehen zunächst eine Energie, eine Grundkraft, die in jedem Menschen angelegt ist. Und diese Kraft zeigt sich in allen Facetten in allen Aspekten des menschlichen Daseins. Sie zeigt sich auf der körperlichen Ebene in der Sexualität und sie zeigt sich in der spirituellen Ebene in der sehnsuchtsvollen Hingezogenheit zum Göttlichen, zum All-Einen oder wie immer es man nennen möchte. Immer ist da diese Grundkraft, diese Grundsehnsucht, die uns über uns hinaus in eine größere Wirklichkeit, in eine tiefere Dimension hineinträgt. Das ist es, was ich Eros nenne. Das habe ich natürlich nicht selber erfunden, sondern da nehme ich Bezug auf die alte griechische Philosophie, die dieses Verständnis erotischer Liebe geprägt hat. Vor allem Platon ist hier zu nennen, der nicht zufällig das Vorwort zu meinem Buch geschrieben hat; naja… ein bisschen jedenfalls. Sie plädieren für eine Kultur der Schönheit. Warum? Weil Schönheit und Eros – also als diese leidenschaftliche, hingebungsvolle Liebe, nach altem philosophischen Verständnis immer zusammen gehören. Man kann das eine nicht vom anderen trennen. Wir verlieben uns ins Schöne; und das Schöne wird dadurch schön, dass wir uns in es verlieben. Wenn ich in meinem Buch für eine Kultur der Schönheit werbe, dann geht es mir dabei um eine Lebenspraxis, die es bewusst darauf anlegt, Schönheit zu inszenieren, Schönheit im Leben zu integrieren; um dadurch ein Feld zu schaffen, das uns öffnet – das Herz bereit macht und aufbricht. Damit wir uns dann auch tatsächlich verlieben können. Und zwar in wen oder was? In Gott und die Welt. Ich werbe nicht dafür, dass wir uns in Hinz und Kunz und jeden x- beliebigen Menschen verlieben. Das ist nicht mein Thema. Mein Thema ist: Mit einer offenen Haltung des Herzens leben – in einem Sich-verbunden-Wissen mit der Natur, mit den Tiere, ja letzen Endes mit dem Kosmos im Ganzen; aber auch mit den Menschen uns. Wenn uns diese gelingt, werden wir – je reifer und erfahrener wir in der Liebe werden – mehr und mehr das Potential in uns entwickeln, in einem umfassenden Sinne glücklich und frei zu werden. Und wenn ich hier ‚in einem umfassenden Sinne‘ sage, dann meine ich damit: in einem sehr menschlichen Sinne. Ich glaube, dass Menschsein immer das ganze Spektrum an Möglichkeiten umfasst: Lieben und Leiden, Glück und Schmerz. Gut leben, intensiv leben, blühend leben bedeutet – all das gehört dazu. Und ich bin überzeugt, dass wir diese Intensität und Blüte dann leben und in unsere Bewusstsein bringen können, wenn wir diese erotische Grundhaltung in unseren Herzen ausprägen. Ist das ein spirituelles Programm? Ja und Nein. Es ist allem voran ein sehr diesseitiges Programm. Erotische Lebenskunst heißt nicht, über das Leben hinauszukommen in höhere Bewusstseinssphären, wo wir eine Alleinheit erfahren. Auch solche Erfahrungen sind wichtig, aber sie sind nach meinem Ermessen nicht das Entscheidende für unser Glück hier und jetzt. Zu diesem Glück braucht es das liebende In-Verbindung-Treten mit der Welt in ihrer Konkretion und Paradoxie: mit anderen Menschen, mit der ganzen Natur, mit der Schöpfung, mit allem was ist. Der Weg dahin bedeutet vor allem: die Schönheit in alledem erkennen – die Schönheit, die uns ja sagen lässt, zu dem, was uns dort begegnet. Und in dem Maße, in dem es uns gelingt, zum Leben und zu uns selbst ja zu sagen und mit uns und der Welt im Einklang zu sein, in dem Maße sind wir glücklich. In diesem Sinne meine ich, dass der erotische Weg ein spiritueller Weg ist, der uns mit unserem menschlichen Potential in Verbindung treten lässt und es zur Blüte bringt. Ein blühender Mensch ist das, was mir als das Ziel eines erotischen Lebensweges vor Augen steht. Zur Person: Dr. phil. Christoph Quarch (geboren 1964 in Düsseldorf), Philosoph, Theologe und Religionswissenschaftler, arbeitet freiberuflich als Autor, Publizist, Kursleiter, Veranstaltungsmacher und Berater, lehrt Philosophie an der FH Fulda. Vom 2000 bis 2006 Programmchef des Deutschen Evangelischen Kirchentags; von 2006 bis 2008 Chefredakteur von „Publik-Forum“. Lebt mit seiner Familie in Fulda. Autor und Herausgeber von über 25 Büchern, zuletzt: Angaangaq, der Schamane der Eskimos: Schmelzt das Eis in euren Herzen (Kösel 2010), Unsere Welt ist heilig. Auf dem Weg zu einer globalen Spiritualität (Herder 2009), Die Erotik des Betens (Kösel 2007), Die Macht der Würde (Gütersloh 2007), Eros und Harmonie. Eine Philosophie der Glückseligkeit (Herder 2006).