Staub in den Haaren
… eigentlich ist es wie Asche auf der Haut. Asche überall, das ganze Haus ist voll davon. Je mehr sie versucht zu kehren, desto mehr wirbelt davon auf. Und dann setzt sich die Asche ab, auf ihrer gesamten Haut, ihrem gesamten Körper. Sie bekommt es nicht sauber, nicht weg. Als würden es mehr Aschepartikel werden, je mehr sie versucht sie wegzufegen. Schmerz und Wut überkommt sie, Verzweiflung. „Ich fühle mich so ekelhaft.“ Im Haus ist kaum Licht zu erkennen, alles wie diffus; Staub wirbelt auf und setzt sich nur allmählich, wie Aschestaub. Ein Bild wie nach dem Herausreißen von Mauern und Wänden, als läge alles in Schutt und Asche.
Wir machen Pause, Hand aufs Herz, Atmung; ich lasse sie spüren. Der Moment ist wichtig, in ihr bewegt sich eine Menge.
Traumata hinterlassen Spuren. Auf der Seele so stark, dass sie es körperlich mit einer Ascheschicht beschreibt. Jeder weiß, dass sich Asche kaum auffegen lässt. Dass es einen Wischlappen braucht, einer, der nicht klatschnass, sondern feucht ist.
Sie fühlt sich ekelhaft. „Es klebt überall an mir“. Wir sind beide still; ich halte den Raum; und sie hält aus, spürt rein, lässt zu. Staub in den Haaren, er lässt sich ausschütteln. Asche auf der Haut braucht mehr. Wir nehmen ein Taschentuch, eines von der Sorte, wie es früher meine Großeltern bei sich trugen, aus Stoff, blütenrein und auf schönste Weise bestickt und verziert. Sie lächelt bei dem Bild und sagt „es ist ein schönes Taschentuch“. „Ja, das ist es. Und schau, hier ist noch etwas Wasser in der Flasche. Ich will Dir etwas zeigen.“ Ganz sachte gebe ich Wasser auf das blütenreine Taschentuch und nehme dann behutsam ihren Arm, um an einer Stelle ganz vorsichtig die Asche wegzutupfen. Und dann zeige ich ihr, was ich gemacht habe. Ihr Atem stockt, Stille über uns. Dann spricht sie: „Ich bin dort nicht schmutzig.“ Ihre Haut ist zu sehen, der Rest mit Asche bedeckt. Eine weitere Stelle tupfen wir frei von Asche und Staub, derselbe Effekt. In ihr regt sich etwas. Dann will sie weg und Stille umgibt uns eine ganze Weile. Ich gebe ihr diesen Raum. Es ist wichtig. Sie hat etwas tief in sich gespürt; sie muss es aushalten. „Ich fühle mich jetzt, als musste ich mich nach hinten auf eine weiße Bank setzen und blicke jetzt in die Sterne. Es fühlt sich so friedlich an. Es ist wie, als ist etwas Unmögliches gerade geschehen. Dabei kamen mir die Tränen, weil es mitten reingeht. Und ich halte es kaum aus.“ Du darfst es einfach so sein lassen, wie es gerade ist. Und aus dem Moment heraustreten, wenn Dir danach ist.
Was ist geschehen?
Eine junge Frau, zutiefst geprägt von wirklich schlimmen Erlebnissen, für sie real spürbar, als sei sie selbst ekelhaft und schmutzig. Wir haben es etwas sauber gemacht – bildlich, gedanklich, auf einer besonderen Ebene – nämlich in der Ebene, in der all das wirkt -damit sie spürt: unter der Asche ist ihre zarte Haut sichtbar und alles andere als ekelhaft und beschmutzt. Es ist ihr Selbst, ihr Eigenes, ihre Haut; sie selbst wahrlich lichtvoll, stark und rein. Das, was sie alles geprägt und begleitet hat, im Grunde genommen ihr ganzes Leben, es ist kaum auszuhalten. Ihre Selbstbild verschmerzt, verzerrt, übernommen. Aber das Licht, was dann über einen solchen geschützten Raum hereinfinden kann, das muss man auch erst mal aushalten. Schritt für Schritt und der Erste ist getan. Es braucht Mut, jede Menge davon und Vertrauen; Vertrauen in denjenigen, der diesen Raum dazu öffnet. Und dieses Vertrauen zu bekommen, es ist wie ein eigenes Geschenk, was in dem Moment seinen Raum findet. Von Herzen, seid mutig und gebt euch diese Schritte, diese Zeit. Das Licht will rein!