Aufstand der Worte

Wie soll ich die Einzigartigkeit der Eiche zu Papier bringen, die mir bei meinen Spaziergängen ab und zu einen Sitzplatz mit Aussicht anbietet? Wie das Lebensgefühl meiner Kindheit? Was kann ich schreiben, damit der sanfte, leicht bittere Geschmack von Kakao wirklich in den Mündern der Leserin schmilzt? Wie soll ich die Worte setzen, um das Hochgefühl von Applaus in einem vollen Theater nachfühlbar zu machen?
Sind all diese Worte in mir?
Oder sind sie alle schon gesagt, etliche Male benutzt – ausgeleiert, ausgepowert?
Wird meine Stimme tragfähig sein, wenn ich beginne, zu erzählen? Oder wird sie auf halbem Weg versiegen? Ausdünnen, wie ein Spuckefaden nach dem Zähneputzen. Alle Bilder, die ich beschreiben möchte, alle Gefühle, alle Welten sind in mir vorhanden. Sie sind klar, mächtig, bunt, kräftig und sie wollen Geschichten formen, die die Welt berühren.
Und sobald die Worte aufs Papier sollen oder auf dem Bildschirm, dann sperren sie sich und stehen genannt und linkisch herum, fühlen sich unwohl. Beäugen ihren Nebenmann kritisch, schubsen das Satzzeichen mürrisch beiseite: Du passt hier nicht hin.
Immer wollen sie mehr sein – größer, schöner, gewaltiger und sie wollen vor allem auch ein angemessenes Umfeld. Sie möchten sich nämlich – bitte sehr, bitte gleich – veröffentlicht sehen. Wollen gelesen werden. Und zwar am liebsten hübsch verpackt zwischen Buchdeckeln, auf denen ein ordentlicher Verlagsname steht – Aufbau-Verlag wäre doch hübsch, raunt das eine Wort. Quatsch, unter Diogenes tun wir’s nicht, das wusste schon Benedict Wells, meint das andere. Oder so ein schickes Self-Publishing wie Heike Pourian mit „Wenn wir wieder wahrnehmen“ – ganz innovativ, noch nie dagewesen? Das wünscht sich ein drittes und die feministischen Worte vier und fünf möchten einen kleinen Frauenbuchverlag – oder doch was Spirituelles? Eine wilde Diskussion beginnt, man kann sich vorstellen, was passiert, wenn Worte sich in ein Wortgefecht verwickeln… Einig werden sie sich nicht! Einig sind sie sich allerdings in ihren Ansprüchen an mich: Zackzack – Andrea, kümmere dich darum.
Und leise, geduldig wartet immer noch die Eiche darauf, in ihrer Lebendigkeit erfasst zu werden, damit die Leser ihr mächtiges Grün im Mittagslicht vor sich sehen, das Licht- und Schattenspiel ihrer Blätter; die Wärme der harten und zarten Rinde an meinem Rücken nachspüren können.
Möglich?
Unmöglich. Ich schließe das Word-Dokument und gehe nach oben, mir einen Tee kochen.
Morgen vielleicht.
———————-
Lauschen und spüren. Schauen und riechen. Notieren und sammeln. Und aus den sinnlichen Momenten Texte gestalten – fröhlich, ernst, leicht, tief. Von allem ein bisschen. Wäre das nicht schön? Am Samstag, 30.8.2025, gibt es im Tipi des Café Grünental (Monschau-Imgenbroich) eine sommerlich-leichte Schreibauszeit für Frauen, die Lust auf Sinn-volle und Sinn-lose Texte haben – einfach so. Mehr: https://www.andrea-goffart.de/termine/mit-allen-sinnen-schreiben-in-der-eifel