Warum Schweigen in Familien so laut ist

Lesezeit 2 Minuten –

Manchmal sind es nicht die lauten Worte, die uns verletzen – sondern das, was unausgesprochen bleibt. Das Schweigen zwischen Eltern und Kindern, zwischen Geschwistern oder Partnern kann eine dichte, kaum greifbare Atmosphäre schaffen. Etwas hängt in der Luft – ein Unausgesprochenes, das doch jeden Raum füllt.

Schweigen als Schutz – und als Grenze

In vielen Familien war Schweigen über Generationen hinweg eine Überlebensstrategie. Man sprach nicht über Gefühle, über Trauer, über Schuld oder Scham. Man machte einfach weiter. Das Schweigen diente dem Schutz – vor Überforderung, vor Konflikten, vor dem Auseinanderbrechen. Doch das, was einst schützen sollte, kann später trennen.
Denn Schweigen sendet ebenfalls Botschaften:

  • „Ich kann das nicht hören.“
  • „Ich halte das nicht aus.“
  • „Ich will dich nicht verlieren – also sage ich lieber nichts.“

Und manchmal hört das Gegenüber nur:

  • „Du bist mir egal.“
  • „Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben.“

Die unsichtbare Sprache hinter den Worten

Jede Familie hat ihre eigene, oft unbewusste Kommunikationskultur. Manche Familien wirken harmonisch, aber die wirklich wichtigen Themen bleiben tabu: Krankheit, Schuld, unerfüllte Erwartungen, Enttäuschungen. In anderen Familien herrscht Schweigen nach einem Streit – als ob Worte nur noch etwas zerstören könnten. Doch Schweigen ist nie leer. Es transportiert Gefühle, Haltungen, alte Geschichten. Ein unausgesprochenes „Ich liebe dich“ kann genauso schwer wirken wie ein unausgesprochenes „Ich bin verletzt“. Und manchmal hören wir gar nicht, was gesagt wird – weil das Ungesagte so laut ist.

Das Schweigen der vorherigen Generationen

Wenn du das Schweigen in deiner Familie spürst, dann ist es oft älter als du denkst. Vielleicht haben schon deine Eltern gelernt, dass man Gefühle nicht zeigt. Vielleicht haben deine Großeltern Verluste oder Krieg erlebt, die nie betrauert wurden.  Solche Erfahrungen wirken weiter – still, aber eindringlich. In der systemischen Arbeit zeigt sich oft: Was unausgesprochen blieb, sucht später einen Ausdruck. Das kann durch Konflikte, Rückzug oder Kontaktabbrüche geschehen. Nicht, weil jemand „schuld“ ist – sondern weil etwas im System gehört werden will.

Eine kleine Reflexion: Was wurde in meiner Familie nicht ausgesprochen?

Vielleicht magst du dir einen Moment Zeit nehmen und diese Fragen wirken lassen: Worüber wurde in meiner Familie geschwiegen – bewusst oder unbewusst? Welche Themen oder Gefühle durften keinen Platz haben? Wann wurde das Schweigen als Schutz erlebt – und wann als Schmerz? Gibt es heute etwas, das ich nicht mehr verschweigen möchte? Manchmal reicht schon das bewusste Hinschauen, um Bewegung in etwas Altes zu bringen. Denn Schweigen verliert seine Macht, sobald wir beginnen, das zu merken.

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Petra Droll
Petra Droll

Als systemische Familiendialog-Begleiterin (nach Maxima Elke C. Post) unterstütze ich Menschen, die die Familie als Kraft, Stärke und Halt nachhaltig wieder aufbauen wollen. Meine Aufgabe ist, das Generationenpaar einfühlsam, ehrlich und liebevoll ins Gespräch zu bringen, alte Traumata und gemeinsame Ressourcen zur Sprache zu bringen. Die Eltern müssen sich nicht rechtfertigen und die erwachsenen Kinder bekommen Raum für ihre Verletzungen und werden von den Eltern gesehen und gehört. Das macht eine tiefe, nachhaltige Verbindung. https://www.praxis-droll.de

2 Kommentare

  1. ….oooh, DANKE , liebe Petra….interessanterweise beschäftigt mich genau dieses Thema seit letzter Woche wieder intensiver…..da kommen auch Deine Reflexionsfragen genau richtig…..ganz herzlichen Dank für Deine ermutigenden, klärenden Schilderungen…..die mir in der Bewältigung und Aufarbeitung meiner Trauer über den Tod meines jüngeren Bruders so hilfreich sind.

    Von Herzen,
    Dagmar

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