Wahrheit, Freiheit und Liebe – die heilsame Kraft der Begegnung

Von Isabel Meissner. „Der Mensch wird am Du zum Ich“, sagt Martin Buber. In der dunkleren Zeit des Jahres, wenn die Sonne seltener scheint und Nebel die Welt umhüllt, sind wir eingeladen, still zu werden und uns dem Inneren zuzuwenden.
Gerade jetzt kann Begegnung – das wirkliche, wache Gegenübertreten eines Menschen mit einem anderen – zur Quelle innerer Wärme und Freude werden.
Wir gehen unseren Weg allein, und doch erkennen wir uns erst im Gegenüber.
In der Begegnung entsteht ein feines Wechselspiel aus Nähe und Distanz, Hingabe und Abwehr – Sympathie und Antipathie.
In dieser Bewegung lebt jene leise Wahrnehmung, die uns das Wesen des anderen Menschen erahnen lässt.
Gerade in heilsamen Beziehungen, in Momenten echter Offenheit, zeigt sich diese Kraft besonders deutlich.
Wenn ich mich dem Anderen wahrhaft öffne, wenn ich ihm mit Mut, Achtsamkeit und Liebe begegne, kann ich sein Wesen berühren – auch ohne Worte.
„So wie beim Todesnäheerlebnis die Erfahrung eines Lichtwesens eintreten kann, so kann auch in der Erfahrung des Ich-Bin und in der Begegnung mit dem Anderen diese Qualität erfahrbar werden.“ (Grundlagen spiritueller Psychologie und Seelentherapie, Meyer 2003)
In einem solchen Moment kann sich etwas Drittes einstellen – ein feines, lebendiges Beziehungswesen, das im Raum zwischen zwei Menschen entsteht.
Es ist mehr als die Summe beider, ein schöpferischer Zwischenraum, in dem Liebe, Bewusstsein und Heilung wirken.
Dieses Dritte lässt uns spüren, dass jede echte Begegnung ein geistiges Geschehen ist – ein Raum, in dem etwas Neues geboren wird.
Liebe, in diesem Sinn, ist keine Emotion, sondern eine geistige Kraft.
Sie gründet auf Erkenntnis, nicht auf Bedürftigkeit.
Wenn ich für einen Menschen ein inneres, liebevolles Bild halte – auch in seiner Not –, dann nähre ich die heilenden Kräfte, die in ihm selbst leben.
Liebe kann nie in Antipathie umschlagen.
Liebe vermittelt zwischen den Gegensätzen von Antipathie und Sympathie.
Wie die Natur sich im Herbst zurückzieht, um im Verborgenen Neues vorzubereiten, so können auch wir in der stillen Jahreszeit innerlich wachsen.
Indem wir unsere Gefühle verwandeln, wird aus Antipathie Mitgefühl, aus Urteil Verständnis, aus Kälte Wärme.
Wahrheit, Freiheit und Liebe sind drei Seiten eines lebendigen Ideals:
Wahrheit lebt im Denken – durch Ehrlichkeit.
Liebe im Fühlen – durch Mitgefühl.
Freiheit im Wollen – durch Bewusstsein.
Wenn wir sie bewusst leben, begleiten sie uns wie stille Freunde durch die dunklen Tage.
Dann wird das Licht nicht nur im Außen erwartet, sondern von innen geboren – als Wärme, Vertrauen und Liebe, die aus der Begegnung mit dem Anderen und mit uns selbst erblüht.
Wir bieten unsere Begleitung vor allem auch jetzt, in der dunklen Jahreszeit, für alle Menschen in Wandel- und Veränderungsprozessen auf unserem Therapiehof, dem WandelRaum, im Chiemgau an.