Geschichten des Gelingens

Lesezeit 4 Minuten –

20121123_futurzwei-data Von Stephanie Ristig-Bresser. Zukunftsfähigkeit – wie geht das? Wie schaffen wir es, so zu haushalten, dass unser Planet auch für unsere Enkel noch lebensfähig bleibt? Das sind zwei große Fragen, in deren Antwort wir „hineinleben werden“, um einmal ganz frei Rainer Maria Rilke aus seinem feinen Gedicht „Über die Geduld“ zu zitieren. „Es handelt sich darum, alles zu leben“ weiß Rilke darin. Und genauso allumfassend sind auch diese eingangs gestellten Fragen zu begreifen, denn „Zukunftsfähigkeit entsteht nicht allein durch Energieeffizienz oder Umschwenken auf alternative Energien. Veränderung beschränkt sich nicht auf ein Segment, sie ist vielschichtig und passiert im Ganzen“, argumentiert Prof. Harald Welzer. Der kann gut davon reden, denn genau um die Themen „Veränderung und Zukunftsfähigkeit“ kümmert er sich von Berufs wegen den lieben langen Tag – und seit einem Jahr nennt er das auch so. Welzer ist seit Juli 2012 Honorar-Professor für Transformationsdesign an der Universität in Flensburg und außerdem Mitbegründer und Direktor der gemeinnützigen Stiftung futurzwei. Futurzwei – ein Stiftung, die also sammelt, was einmal gewesen sein wird.

Also: Zurück in die Zukunft, …

eine allumfassende, transformierte Zukunft, eine zukunftsfähige Zukunft eben. Doch wie wird beschreib- und erlebbar, was zukunftsfähig ist, weil derartige umfassende Modelle noch gar keine gelebte Praxis sind, es gar nicht sein können, weil das System ein komplett anderes sein müsste? Denn: Grünes Wachstum gibt es nicht, das wäre die Wiederholung des vorhandenen Systems, eben nur „in grün“. Vielmehr ist die Aufgabe, die „Erfolgsprodukte des Kapitalismus“ wie Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte für jeden Menschen und weitere zivilisatorische Standards zu erhalten bei einem circa fünffach verringerten Ressourcenverbrauch. Eigentlich gilt es also zu erreichen, wie uns Reduktion gelingt. Vielleicht also Kultivierung statt Wachstum?

DAS geht gar nicht…

Glasklar ist schon einmal was gar nicht geht und die meisten von uns in alten Gewohnheiten verharren lässt: Moral-Aposteln, Jammern, Rum-Apokalypseln. Denn: „Apokalypse ist ein kommunikativer Erwartungsraum.“ Wieder so ein schlauer Satz von Harald Welzer, in Klartext übersetzt: Mit Hiobsbotschaften werden wir ständig konfrontiert, aber wir beziehen sie nicht auf uns und unser konkretes Handeln. Veränderung: folglich Fehlanzeige.

“Geschichten des Gelingens” als Schlüssel

Eine bessere Methode ist es sicherlich, gute, inspirierende Beispiele aus der Praxis zu sammeln. Beispiele, die in Mosaiksteinchen andere Wege aufzeigen, Schritte auf dem Weg zum großen allumfassenden Anderen, zur Transformation, die es braucht. Geschichten, die eine andere Wirklichkeit etablieren, die zeigen, dass es bereits ein richtiges Leben auch im falschen geben kann. „Geschichten des Gelingens“ nennen Harald Welzer und sein Team diese Beispiele. Wie etwa die Geschichte von Heini Staudinger mit seiner Schuhfabrik im österreichischen Waldviertel, der den Kauf einer neuen Produktionsstätte unabhängig von Banken abwickelte, dem es nicht um Gewinnmaximierung, sondern um das Gemeinwohl seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht. Eine weitere, gute Geschichte, eine gelebte Vision, gibt auch die „essbare Stadt“ Andernach ab: Wo vor Monaten noch Brachland war, laden jetzt Früchte und Gemüse inmitten der Stadt zur Ernte im Vorbeigehen ein.

Von Geschichten-Wandlern und dem Leben von Antworten

150 Geschichten des Gelingens haben Harald Welzer und sein Team mittlerweile gesammelt. Geschichten, die Inspirationsquellen sind, Geschichten, die andere Wege aufzeigen, Geschichten, die verführen und motivierend wirken. Geschichten auch, die vernetzen. Denn diese Geschichten, aufgeschrieben, gefilmt, vertont, wirken auch, bei denen, die schon in einer dieser Geschichten leben. Sie rufen dazu auf, sich in die anderen Geschichten hinein zu begeben und diese mit der eigenen Geschichte zu verweben. Real existierende Un-Wirklichkeiten erkennen einander. Und sie erkennen Schritt für Schritt die Möglichkeit von Wunschträumen. Und wer weiß: vielleicht entsteht auf diese Weise, durch diese verwoben-gelebten Geschichten, etwas völlig Neues, vielleicht sogar die gewünschte Transformation? „Alles ist austragen – und dann gebären.“ In jedem Fall leben diese Menschen in ihren anderen Geschichten in eine andere Zukunft, vielleicht in die gesuchte Antwort, hinein.

Dieser Artikel über Harald Welzer und die Arbeit seiner Stiftung FuturZwei beruht auf einem Vortrag, den er im Rahmen des Zukunftskongresses von Stefan Schostok am 01. Juni 2013 in Hannover über “Die Geschichten des Gelingens” gehalten hat und ist zuerst bei markensinn.net erschienen.

Zur Person: Stephanie Ristig-Bresser ist Gründerin von markenSinn – das blühende Markenleben. Sie ist Kulturwissenschaftlerin (studierte an der tollen Leuphana-Uni in Lüneburg), DPRG-zertifizierte PR-Managerin (Complus GmbH & Uni Münster) und seit 15 Jahren in den Bereichen Marketing und Public Relations tätig, davon u.a. acht Jahre bei der Volkswagen AG und seit 2007 mit ihrer Agentur und “Schreibstube” ars:scribendi selbständig .

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