4’33 Minuten Stille


An Weihnachten 2010 kam John Cage in die Charts. Popkünstler nahmen den Song 4’33 des amerikanischen Komponisten eigens neu auf – das heißt: Sie gingen ins Studio und schwiegen. Vier Minuten und 33 Sekunden lang. Da während der gesamten Spieldauer des Stückes kein einziger Ton gespielt wird, stellt eine Aufführung dieses Werkes die gängige Auffassung von Musik in Frage. 4′33 wurde so zu einem Schlüsselwerk der Neuen Musik und regte Zuhörer wie Komponisten zum Nachdenken über Musik und Stille an.

Wikipedia schreibt zur Entstehungsgeschichte: „In den späten 1940er Jahren besuchte John Cage die echofreie Kammer der Universität Harvard, wo die Wände, die Decke und der Boden keinerlei Geräusche zurückwerfen; dazu sind solche Räume oft fast vollkommen schalldicht. Cage betrat den Raum und erwartete, rein gar nichts zu hören – aber er schrieb später:
“[I] heard two sounds, one high and one low. When I described them to the engineer in charge, he informed me that the high one was my nervous system in operation, the low one my blood in circulation.”
(„[Ich] hörte zwei Töne, einen hohen und einen tiefen. Als ich dies dem verantwortlichen Ingenieur beschrieb, erklärte er mir, dass der hohe Ton ständig vom Nervensystem erzeugt werde, während der tiefe von der Blutzirkulation stamme.“)
Ob diese Erklärung der Tatsache entspricht oder nicht, Cage begab sich an einen Ort, wo er kein Geräusch erwartete – und trotzdem solche hörte: „Bis ich sterbe, wird es Geräusche geben. Und diese werden meinen Tod überdauern. Man braucht keine Angst um die Zukunft der Musik zu haben.“

Die erste Aufführung von 4’33 erzeugte einen Skandal. Das Werk wurde am 29. August 1952 zum ersten Mal von dem jungen Pianisten David Tudor in Woodstock, New York, vor einem Publikum aufgeführt, das den Benefit Artist Welfare Fund (Wohlfahrts-Fond für Künstler) unterstützte – also vor einem Publikum, das die moderne Kunst förderte. Cage sagte: „Die Leute begannen, mit einander zu tuscheln, einige begannen zu gehen. Sie lachten nicht – sie waren lediglich irritiert, als sie merkten, dass nichts passieren würde. Auch 30 Jahre danach haben sie es nicht vergessen: sie sind immer noch wütend.“

Als Nachfolger erstellte Cage noch das Stück 0′00″, das es den darstellenden Künstlern freistellt, welche Aktionen sie während des Stückes durchführen. Anders als der Name vermuten lässt, dauert es keine null Minuten und null Sekunden, sondern ist zeitlich nicht begrenzt.

Und an Weihnachten 2010 schaffte es sein 4 Minuten 33 Sekunden langes Schweigen es in die Charts – wenn auch nur auf Platz 21. Die Stille lebte.

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