Im November

Foto: Kathrin Stein

Von Kathrin Stein. Unser erster Winter ohne Heizung steht bevor. Naja, nicht ganz, wir haben zwei alte Kaminöfen. Ich bin jedenfalls gespannt. Das nötige Holz dafür hat unser nächster Nachbar, der Schreiner ist, schon angeliefert. Für unseren Kater, einem älteren Herrn mit Gewissem Standards und Ansprüchen, ist das jedenfalls soweit ganz in Ordnung. Ausserdem findet er sehr interessant, wenn es knistert und knackt. Er sitzt dann vor dem Kamin, beobachtet, macht sich Gedanken über diese Geräusche, während ihn regelmässig die Müdigkeit übermannt und er schließlich einnickt. Ich stelle mir dann vor, wie die Geräusche in seinem Traum beginnen zu tanzen und Bilder zu malen, die ihn zusammen mit der wohligen Wärme verzaubern.

Vorbereitungen zum Winterschlaf
Gerade befinden wir uns, zumindest hier in der alten Schmiede in Oberbayern, wo wir im Frühjahr dieses Jahres gelandet sind, auf rund 460 m ü. M., also nicht so hoch, mitten im Herbst. Die Natur bettet sich in buntem Laub zur Ruhe, Vögel freuen sich über die letzten Beeren und Trauben im Garten oder sind gen Süden aufgebrochen. Ein kleiner Igel tappt noch allabendlich über den Hof, um sich den nötigen Winterspeck anzufressen, bevor er sich schlafen legt. Vor ein paar Wochen waren es mehr, die meisten dürften sich unterdessen in den Winterschlaf begeben haben. Igel benötigen um die 500g Körpergewicht, um gut durch den Winter zu kommen und einen ruhigen, trockenen und sicheren Unterschlupft, der nicht zu warm sein darf. Letzteres haben wir gebaut und angehäufelt. Was sein Gewicht angeht, bin ich bei dem Kleinen noch skeptisch. Er bekommt spezielles Igelfutter vom LBV, wo man mir den Rat gab, den Kleinen jetzt bei nächster Gelegenheit einmal zu wiegen. Allerdings sagten sie auch, dass die Igelstationen in der Nähe alle voll sind. Wenn er sich nicht weiter auffällig verhält und frisst, müsse ich vorerst nichts weiter unternehmen. Wir haben uns vorgenommen, dass der kleine Stachelmann das schafft. Mal schauen, wie viel er auf die Waage bringt.

Foto: Kathrin Stein

Die Tage sind bedeutend kürzer geworden und der Nebel wird dichter. Der November ist da, eine Zeit, in der unsere Vorfahren glaubten, dass nun Geister umherziehen. Die Erde atmet ein, die Kräfte ziehen sich in die Wurzeln zurück. Wenn ich in der Natur unterwegs bin, habe ich trotz der vielen Farben, die der Herbst hervorbringt das Gefühl, dass es ruhiger wird. Es sind keine knalligen, lauten Farben, wie im Sommer, sondern andächtige, getragene. Ich umwickle zu dieser Zeit meine Topfpflanzen mit Jutesäcken, die ich aus einer alten Mehlfabrik haben durfte, um sie vor Frost zu schützen. Drumherum ein rotes Band und je nachdem auf einer Filzmatte stehend, wenn es von unten zu kalt werden kann und/oder die Erde oben noch mit Laub bedeckt. Bei manchen (Blatt-)Pflanzen macht es Sinn, sie obenherum zusätzlich mit Fließ zu schützen, nicht nur gegen den Frost, sondern auch vor zu starker Sonneneinstrahlung im Winter.

Im Rhytmus der Natur
Im Garten gibt es nun nicht mehr so viel zu tun. Das Laub, vor allem der Eschen, die hier zahlreich stehen und das sehr wertvoll ist, nutze ich nach dem Zusammenkehren vom Hof, entweder für den Kompost, die Igelhaufen oder ich decke meine Pflanzen und jungen Bäumchen im Garten damit ein. Chrysanthemen, die langsam verblühen kann man noch schnell auspflanzen und mit etwas Glück und viel Laub hat man dann mehrjährige Freude an ihnen.
Zu ernten gibt es noch reichlich. Beispielsweise Endivien, die bis ca. -5° C draußen bleiben können, sowie Feldsalat und wir, als alte Rheinländer freuen uns nach den ersten Frösten auf den Grünkohl oder auch Federkohl, wie er in der Schweiz genannt wird.

Wir Menschen haben den Rhythmus der Natur ebenso in uns, wie Tiere und Pflanzen. Mein Lieblingsdrogist aus St. Gallen erzählte mir einmal, dass im Herbst, wenn sich die Natur zurück zieht, merklich mehr Menschen zu ihm kommen und erzählen, dass sie sich ausgelaugt fühlen, sich gern zurückziehen möchten, Ruhe brauchen. Natürlich können viele von uns ihren Alltag nicht einfach über den Haufen werfen und es Flora und Fauna mindestens ein halbes Jahr lang gleich zu tun. Ich glaube auch nicht, dass das Sinn der Sache ist. Aber wir können uns regelmäßig kleine Auszeiten nehmen, jetzt umso mehr und ganz bewusst. Wir können draußen durch den Herbst spazieren und uns in Stille mit ihm verbinden, um uns so Raum dafür nehmen, was uns nährt und uns auch entspricht.

Plötzlich atme ich Herbst
Eine sehr einfache aber effektive Achtsamkeitsübung wäre zum Beispiel, sich an einen ruhigen Ort zu begeben, der behagt, um den Herbst zu betrachten. Sich bewusst machen, dass dieser Moment ganz mir gehört. Wie fühle ich mich? Ist meine Stirn entspannt, meine Gesichtsmuskeln? Ziehe ich meine Schultern gerade hoch? Loslassen. Allein auf den Atem konzentrieren. Einfach nur das Atmen, ganz leicht und fließend. Vielleicht wird, nach einiger Zeit beides eins, das schöne Herbstbild und der Atem verschmelzen. Ich merke gar, wir waren nie getrennt, ich bin ein Teil davon und plötzlich atme ich Herbst.

Kathrin Stein

Zur Autorin: Kathrin Stein schreibt und fotografiert mit Leidenschaft. Dazu ist sie Hobbiegärtnerin, wobei sie am meisten in den Kursen von Wolf-Dieter Storl und in dem Biogartenbaukurs von der Stiftung bioterra in St. Gallen lernte. Sie lebt glücklicher Weise in einem wunderschönen Altbau (gar noch ohne Heizung), am Rande eines Naturschutzgebietes und wird uns von dort immer mal wieder vom einfachen, achtsamen Leben berichten.

 

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3 Kommentare zu “Im November
  1. Oliver sagt:

    Liebe Kathrin,
    als gebürtiger Rheinländer mit nun mehr als 25 Jahren Lebenserfahrung in Bayern auf ca. 407m ü. NN mit Holzofenheizung kann ich Dir sagen: man erfriert nicht im Winter! Wenngleich es des nächtens schon einmal etwas frisch wird, umso größer ist dann der Genuss, wenn am Morgen der Ofen langsam an Temperatur gewinnt und ich mir die Hände über der heißen Ofenplatte reibe. Für manch einen mag das ungewöhnlich klingen, doch ich habe mich bewusst für die Ofenvariante ohne geregelte Zentralheizung entschieden. So gibt es mehr zu spüren, den Wechsel der Jahreszeiten, die Schwankungen zwischen Tag und Nacht … und ein Feuer brennt immer!
    Herzliche Grüße aus bayer. Schwaben,
    Oliver

  2. Claudia sagt:

    Nach 20 Jahren „nur“ mit Ofenheizung erlebe ich nun den zweiten Winter mit Gasheizung in einem erneuerten Teil unseres alten Häuschens.
    Ich bin für beides dankbar: ausschließlich mit Öfen zu heizen bedeutet für mich immer in unmittelbarem Kontakt mit dem Element Feuer zu sein und meinen Tagesrhythmus (auch) auf die Versorgung der Öfen abzustimmen, wenn es durchgehend warm bleiben soll. Ich erlebe dadurch vermutlich den Winter anders als jemand, der nur am Thermostat dreheh muss…

    Die Gasheizung empfinde ich als großen Luxus und bin sehr sehr froh darüber.
    Besonders ab Februar, wenn ich merke, dass ich so langsam keine Lust mehr auf Winter habe… ;o)

    Also liebe Kathrin, auch ich kann dir sagen: eine Ofenheizung ist ein tiefes Erlebnis und wundervoll. Alles Gute und viele kuschelige Stunden!!!

  3. Anita sagt:

    Ich habe in meiner ersten Wohnung einige Jahre nur mit Ofenheizung gelebt und muss sagen, das ich damit allein nicht mehr leben möchte. An einem frostigen Wintermorgen bei Minusgraden dauert es doch einige Zeit, bis die Wohnung gemütlich wird. Nie konnte ich so schlecht aus den Federn kommen, wie zu dieser Zeit. Zusätzlich oder für den Übergang eine wunderbare Sache, aber ausschließlich, freiwillig nicht wieder.

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