André Heller: Die Weltmuttersprache ist das Mitgefühl


Herrschaften! Wir leben an einem der sichersten, reichsten und insgesamt privilegiertesten Plätze der Welt. Wir haben den Haupttreffer in der Geburtsort-Lotterie gewonnen. Nun müssen wir bereit sein, faire Preise zu bezahlen und permanent, etwas abzugeben und mit jenen zu teilen, die etwa von den katastrophalen Umständen in ihren Ländern zur Flucht gezwungen sind.

Wir müssen dazu beitragen ihnen ein, zumindest einigermaßen, würdevolles Dasein in Frieden, mit gerechtem Einkommen, medizinischer Versorgung, sauberem Wasser und gesunder Nahrung in ihren Heimatregionen zu ermöglichen. Das Verdrängen, das Ausblenden, das Wegschauen im Antlitz der grausamen Tatsachen, sowie Amerika oder Österreich zuerst Haltungen, befördern logischerweise die Katastrophe. Die Bewältigung der globalen Probleme und Bedrohungen bedürfen fast ohne Ausnahmen, globaler Anstrengungen, solidarischer Verbündetheiten und der leidenschaftlichen gegenseitigen Anteilnahme.

Diejenigen unter Ihnen die, eventuell, dieser Analyse nicht zustimmen, bitte ich höflich, orientieren Sie sich noch einmal an den schonungslosen Fakten und gestatten Sie sich einen Lernprozess und eine Verwandlung. Tun Sie dies aus Liebe zu Ihren Kindern und Ihren Enkeln. Es ist in der Politik und im Leben überhaupt keine Schande, wenn man sich einmal irrt. Man sollte Irrtümern nur wider besseres Wissen nicht treu bleiben.

Erlauben Sie mir Ihnen noch eine Merkwürdigkeit aus meinem Leben zu erzählen. Ich dachte Jahrzehnte lang, ich wäre etwas Besseres als andere. Klüger, begabter, amüsanter, zum Hochmut berechtigt. Ich war arrogant, selbstverliebt, ständig andere bewertend und es tat mir nicht gut, bis ich eines Tages in einem Wagon der Londoner U-Bahn um mich schaute. Da saßen und standen unterschiedlichste Menschen mit unterschiedlichster Hautfarbe und ich hörte unterschiedlichste Sprachen: In einer Art von Blitzschlag in mein Bewusstsein, erkannte ich, dass jede und jeder von diesen Frauen und Männern, alten und jungen, hoffnungsfrohen und verzweifelten, auch ich selbst bin und nicht Deutsch, Englisch, Russisch, Chinesisch, Spanisch, Arabisch oder Swahili unsere wirkliche Muttersprache ist, sondern die Weltmuttersprache ist und sollte das Mitgefühl sein. Es ermöglicht uns in jedem anderen, uns selbst zu erkennen und mit ihm innigst und liebevoll verbunden zu sein und diese Erkenntnis in weiterer Folge in all unseren Gedanken und Taten zu berücksichtigen.

Mitgefühl!

Eine fulminate Rede von André Heller gehalten am 12.3.2018 beimGedenkakt zum 80. Jahrestag des Anschlusses von Österreich an Nazi Deutschland. Heller (* 22. März 1947 in Wien; geboren als Francis Charles Georges Jean André Heller-Huart) ist ein österreichischer Chansonnier, Aktionskünstler, Kulturmanager, Autor, Dichter und Schauspieler.

Den ganzen Text hier nachlesen.

 

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Ein Kommentar zu “André Heller: Die Weltmuttersprache ist das Mitgefühl
  1. Rolf Eder sagt:

    Bravo André Heller, Bravo Bettina für dieses starke Statement bzw. es hier zu posten!
    Dabei möchte ich noch jemand verehrend erwähnen: Safi Nidiaye, „Herz öffnen – statt Kopf zerbrechen“ (Buch und Video). Darum geht`s. Gandhi ruft uns auf: Sei selbst die Veränderung, die du in der Welt wünschst. Namasté (das Göttliche in mir grüßt das Göttliche in dir)! Rolf

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