Schuster Martin

Bild von Trixie Liko auf Pixabay

Nach Leo Tolstoi. Es war einmal ein Schuster, der Martin hieß, und in einem Keller wohnte. Durch das kleine Kellerfenster konnte er die Menschen sehen, die draußen auf der Straße vorübergingen. Zwar sah er nur ihre Füße, aber er erkannte jeden an seinen Schuhen. Fast alle diese Schuhe und Stiefel hatte er schon ein paar Mal geflickt und ausgebessert. Er lebte ganz allein in dem Keller, der zugleich Wohnung und Werkstatt war. Seine Frau und alle seine Kinder waren gestorben. „Warum hat Gott mir das angetan. Ich habe keine Freude mehr am Leben.“ Über diesen einsamen Gedanken schlief Martin ein und er hörte eine Stimme im Traum, die zu ihm sprach:  “Martin, sei Licht für andere Menschen und du wirst dich nicht mehr traurig und einsam fühlen!“

Als er am nächsten Morgen erwachte, fiel ihm die Stimme in der Nacht wieder ein: “Ein seltsamer Traum! Wie kann ich Licht für andere sein?“ Martin begann sein Tagwerk, er nagelte neue Sohlen auf die Schuhe und schaute dabei immer wieder aus dem Fenster. Bald sah er ein Paar geflickte Filzstiefel, und er wusste, dass es Stefan war, der alte Soldat, der draußen Schnee schaufelte. Martin schlug eifrig Nägel in die Schuhsohle. Weil es ihm aber doch keine Ruhe ließ, schaute er erneut zum Fenster hinaus. Er sah, wie müde der alte Soldat war und wie sehr ihn das Schnee Schaufeln anstrengte. „Komm herein, Stefan, und wärm dich in meinem Keller!“ Der alte Mann schüttelte den Schnee von den Stiefeln und kam herein. „Setz dich zu mir“, sagte Martin, „und trink ein Glas Tee. Das wird dir gut tun.“ Nachdem der Alte den heißen Tee getrunken hatte und fort gegangen war, arbeitete Martin weiter.

Nach einer Weile sah er auf der Straße eine junge Frau mit einem Kind auf dem Arm. Die Frau fror in viel zu dünnen, mit Löchern übersäten Stiefeln und versuchte ihr Kind vor dem kalten Wind zu schützen. „Komm herein!“ rief ihr Martin zu. „Setz dich an den Ofen, dass dir warm wird.“ Er schnitt ein Stück Brot ab, nahm die Suppe vom Herd und füllte einen Teller. Während die Frau aß, nahm Martin das Kind auf den Schoß und spielte mit ihm. Bevor die Frau fortging, holte er die neuen Stiefel, die er gerade fertig gestellt hatte „Da! Nimm sie! Sie sind sehr gut für kalte Wintertage geeignet, damit wirst du keine nassen Füße mehr haben.“

Nicht lange danach hörte Martin lautes Geschrei vor seinem Fenster. Eine Marktfrau schlug auf einen kleinen Jungen ein, der einen Apfel aus ihrem Korb gestohlen hatte. „Warte nur, du Dieb!“, schrie sie zornig. „Ich bringe dich zur Polizei.“ Martin rannte auf die Straße hinaus. „Lass ihn doch laufen!“, sagte er zu der Frau. „Er wird es bestimmt nicht wieder tun. Den Apfel werde ich dir bezahlen.“ Er gab der Frau ein paar Münzen, dann nahm er den Apfel und schenkte ihn dem Jungen. „Du musst dich aber entschuldigen!“, sagte er. Der Junge fing zu weinen an. „Ist schon gut!“, sagte die Frau. Als sie weiterging, lief ihr der Junge nach und half ihr, den schweren Korb zu tragen.

Am Abend las Martin wieder in seinem Lieblingsbuch in der Bibel. Da hörte er die Stimme an seinem Ohr: „Martin, Ich bin bei dir gewesen. Hast du mich erkannt?“ „Wann? Wo?“ fragte Martin erstaunt . „Schau dich einmal um“, sagte die Stimme. Da sah Martin plötzlich den alten Stephan im Licht der Lampe stehen und daneben die junge Mutter mit ihrem Kind. Auch den Jungen mit dem Apfel sah er und die Marktfrau mit dem Korb am Arm. „Erkennst du mich jetzt?“ flüsterte die Stimme. Dann waren alle auf einmal verschwunden.

Da freute sich Martin. Er schlug wieder seine Bibel auf und las, was Jesus gesagt hatte: „Alles, was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Math. 25)

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