Hoffnung. Sowohl-als-auch?
Sollten wir die Hoffnung aufgeben, weil hoffen bedeutet, dass es jetzt gerade nicht gut ist? Oder ist Hoffnung ein universelles Prinzip der Lebensenergie, dem wir uns anvertrauen dürfen? Bilden diese beiden Aussagen überhaupt ein Entweder-oder? Auf jeden Fall liegt sehr viel Raum dazwischen; ein Raum, den wir auf der Suche nach dem „Prinzip Hoffnung“ spielerisch entdecken dürfen.
Aus unserem Garten haben mir gestern der Apfelbaum, die Mirabelle und die Zwetschge jeweils einen knospenden Zweig für den Osterstrauß geschenkt – geschmückt mit bunten Eiern steht er als Symbol der Hoffnung nun im Wohnraum und verbreitet Heiterkeit.
Was ist Hoffnung?
Ein knospender Apfelbaum ist Hoffnung, er trägt in sich bereits das Abbild des Apfels, den er uns im späten Sommer schenken wird – leuchtend rot, saftig. Im Apfel der Kern – als Hoffnung auf einen neuen Baum. Also ist Hoffnung die Ausrichtung auf ein künftiges Geschehen – herbstlicher Apfel, neuer Baum. Ist Hoffnung somit eine Erwartungshaltung, ein Hin-zu oder sogar ein Weg-von? Ist Hoffnung Trost in dunkler Zeit, die Gewissheit, dass es wieder besser werden wird? Und wenn es so wäre – woher käme diese Gewissheit? Aus der Erfahrung?
Aus der christlichen Lehre? „Wer Ostern kennt, kann nicht verzweifeln“, hat der Theologe Dietrich Bonhoeffer gesagt, der wahrlich viele Anlässe gehabt hätte, eben dies zu tun. Ostern feiern die Kirchen die Auferstehung Christi, als Hoffnung darauf, dass den Gläubigen ein ewiges Leben bei Gott beschieden sein wird. Auch hier also der Gegensatz zwischen Jetzt und später, zwischen irdischer Mühsal und ewigem Frieden an der Seite (oder zu Füßen) Gottes. Dazwischen Hoffnung als Licht im Dunkel – als Ansporn? In diesem Kontext verstehen wir das Hoffen auch als Veränderungsenergie, als Wollen.
Was ist Hoffnung?
Ein Kind ist Hoffnung, doch liegt diese Hoffnung nicht in Tenniskursen und Japanisch-Stunden. Eine hoffnungsvolle Kindheit ist keine Investition in die Zukunft. Die Hoffnung der Kindheit liegt in der Fähigkeit, zu 100 Prozent Kind zu sein. Und so ist eigentlich auch die Hoffnungsfähigkeit der Baumblüte zu 100 Prozent Blüte-Sein – sich nicht scherend um das künftige Potenzial, Frucht sein zu dürfen. Sie lebt und erfüllt ihr volles Potenzial im Blühen – ist Einladung und Freude und Lebendigkeit. In diesem zutiefst durchdrungenen Jetztsein, im Ausleben dieser Vollständigkeit – als Kind, als Blüte, als Bewohner:in des Augenblicks, liegt die Hoffnung.
Hoffnung ist kein Das-wird-schon – Hoffnung ist ein Das-ist-schon.
Dann wäre Hoffnung nicht auf die Zukunft gerichtet und es scheint aus diesem Blickwinkel sinnvoll, was die buddhistische Nonne Pema Chödrön in ihrem Buch „Wenn alles zusammenbricht“ (Goldmann) schreibt. Sie lädt uns ein, die Hoffnung aufzugeben und formuliert die Aufforderung, bei uns selbst zu bleiben, Freund mit sich selbst zu werden und nicht davonzulaufen, egal was geschieht. Oft reicht uns ja ein einziger Gedanke, und schon hängen wir wieder in Erwartung und Befürchtung, in Hoffnung und Furcht. Chödrön vermutet, dass wir eine positive Beziehung zu unserem Leben aufbauen können, wenn wir die Hoffnung auf eine Alternative zum gegenwärtigen Augenblick aufgeben.
In diesem Kontext ist Hoffnung also ein Element der Polarität von Hoffnung und Furcht – streichen wir die Hoffnung, entfällt auch die Furcht; sparen wir uns die Erwartung, so wird auch die Enttäuschung überflüssig. Wir bleiben im Augenblick und erkennen ihn als ewig und perfekt und als einzige wahre Realität.
Ist Hoffnung überflüssig?
In der aktuellen Evolve (Heft 41 „Leben, Tod und Transformation“) spricht der 97-jährige Bruder David Steindl-Rast von den vielen kleinen Sterbeerlebnissen des Lebens, die wir alle erfahren. Von ihnen, sagt er sinngemäß, können wir lernen, wenn wir erkennen, dass in jedem Sterben immer ein Anfang liegt. Für ihn kommt die Hoffnung aus der gelebten Erfahrung, dass in seinem Leben jedes Sterben zu einer Neugeburt geführt hat und er erklärt, dass Hoffnung ein fester Grund sei, auf dem man stehen könne. Dort entstünde die Kraft, voranzugehen. Die wirkliche Kraft der Hoffnung müssen wir – sagt Steindl-Rast – nicht zusammenkratzen, sondern sie kommt aus der Kraft des Lebens. Hoffnung ist Vertrauen auf das Leben, das Öffnen der Schleusen des Lebens, damit dessen Kraft durchfließen kann. Dies sei die größte Kraft, die es überhaupt gibt.
Was ist Hoffnung?
Ich setzte mich hin, irgendwo zwischen diese Sichtweisen und lausche. Was ist Hoffnung? Für mich? Ich meine zu verstehen, dass Hoffnung das Urprinzip der zyklischen Wirklichkeit aus Entstehen und Vergehen ist und ich interpretiere diese zyklische Wirklichkeit als das „ewige Lebens“ in und mit Gott. So würde nach meiner Interpretation aus dem christlichen Hin-zu (hier Welt – dort Ewigkeit) ein universelles Mittendrin: Wir (du, ich, alle) sind genau jetzt und hier Teil des ewigen Lebens, Teil des ewigen Entstehens und Vergehens in Lebendigkeit. So gesehen könnten wir wirklich die Hoffnung aufgeben – wir sind dort, wo wir hinwollen. Für mich ist Hoffnung nichts Vages, nichts in die Zukunft gerichtetes, sondern eine brachiale Kraft, die entsteht, wenn wir das Leben feiern. Sie ist pure Lebensenergie. Das Prinzip Hoffnung wohnt in jedem Atemzug, in jedem nächsten Schritt, in jedem Regentropfen, in jeder Träne, in jedem Sonnenstrahl oder in jeder abgrundtiefen Verzweiflung – wenn wir fühlen, wenn wir uns erlauben, präsent zu sein auf unserem einzigartigen Lebensplatz.
Was also ist Hoffnung? Hoffnung ist die Einladung, unseren Platz inmitten der Lebendigkeit einzunehmen.
Was ist Hoffnung – für dich? Teile deine Gedanken gerne unten in den Kommentaren oder schreib mir ( )
Andrea Goffart ist Autorin und Schreibcoach. Im Schreiben – sagt sie – lassen sich auch die großen Fragen spielerisch beantworten – einfach so. www.andrea-goffart.de
Danke Andrea für diese Hoffnungsschimmer zu Ostern!
„Das Prinzip Hoffnung wohnt in jedem Atemzug, in jedem nächsten Schritt, in jedem Regentropfen, in jeder Träne, in jedem Sonnenstrahl oder in jeder abgrundtiefen Verzweiflung – wenn wir fühlen, wenn wir uns erlauben, präsent zu sein auf unserem einzigartigen Lebensplatz.“
Besser kann es, liebe Andrea, nicht beschrieben sein!
Danke dafür, und danke, liebe Bettina, für den offenen Raum, der Hoffnung weckt und mir immer wieder zeigt, dass schon viele auf ihrem Lebensplatz sind.
Herzensgrüße und gesegnete Ostern
Imke
DANKE … DER GUnTEr SCHMIDT
Ihr Lieben, ich danke Euch für Eure Kommentare und Eure Bestärkung. Ich merke – auch Bestärkung ist Hoffnung, weil sie den Weg bereitet für mutige Schritte, die möglich werden. Herzlich, Andrea