Poesie: Mascha Kaléko

Lesezeit 2 Minuten –

Schon lange eine meiner Lieblingsdichterinnen: Mascha Kaléko. Witzig, weltläufig, lässig, pointiert – ihre Lyrik ist einzigartig in ihrem Sound. Es ist der Klang der 1920er Jahre.

1938 musste die jüdische Dichterin Nazideutschland verlassen. Jetzt erlebt ihr Werk zu ihrem 50ten Todestag seine verdiente Renaissance, auch durch die Neuvertonungen von Dota Kehr. Die Gedichte spiegeln das Lebensgefühl im Berlin der 1920er-Jahre, begeistern mit Sprachwitz und leiser Selbstironie. Ihr früher Ruhm währte nur kurz, die Nationalsozialisten verboten die Bücher der jüdischen Dichterin. 1938 emigrierte sie in die USA, später lebte sie in Jerusalem.

Im Exil wurde ihre Lyrik ernster, tiefgründiger, aber an den einstigen Erfolg konnte sie nicht mehr anknüpfen. Als Mascha Kaléko vor 50 Jahren, am 21. Januar 1975 starb, war sie fast vergessen – und fand erst spät ihren Platz in der Literaturgeschichte.

Hier mehr nachhören im SWR

Chanson für Drehorgel

Gäb uns der Herr Genies statt der Talente
Zwei Drittel Weisheit und ein Drittel List
Wär man daheim in jedem Kontinente
Statt überall ein stotternder Tourist

Wenn uns der Himmel etwas mehr Zeit gönnte
Als die uns zugeteilte Galgenfrist
Ich träume oft vom Leben, wie′s sein könnte
Wenn’s nicht so wäre, wie es nunmal ist

Bedächt uns wer in seinem Testamente
Ein Kunst-Mäzen, ein edler Utopist
Hätt man statt Schulden eine fette Rente
Man würde hauptberuflich Optimist

Und übte sich im „Dolce far niente“
Weil man es sonst am Ende noch vergisst
Ich träume oft vom Leben, wie′s sein könnte
Wenn’s nicht so wäre, wie es nunmal ist

Gäb uns der Herr die wahren Parlamente
Wär jeder Mann bloß Mensch und Zivilist
Und wär die Freiheit keine Zeitungsente
Der Freund ein Freund und kein Opportunist

Wenn uns doch endlich keine Mauer trennte
Dem faulen Zahn der Zeit fehlt ein Dentist
Ich denke oft ans Leben, wie’s sein könnte
Wenn′s nicht so wäre, wenn′s nicht so wäre
Wenn’s nicht so wäre, wie es leider ist

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Bettina Sahling
Bettina Sahling

Bettina Sahling ist die Gründerin und Hauptakteurin hinter dem Online-Magazin newslichter.de, das sich seit seiner Gründung im Jahr 2009 der Verbreitung positiver Nachrichten widmet. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, täglich inspirierende Geschichten und gute Nachrichten zu teilen, um den Lesern Hoffnung und positive Impulse zu geben.

5 Kommentare

  1. Liebe Bettina,
    über diesen Beitrag freue ich mich so sehr
    Von Herzen: Danke!
    Als ich vor vielen Jahren das Gedicht
    „An meinen Schutzengel“ las, hatte ich das Gefühl, es sei für mich und meinen Ältesten geschrieben worden
    Und seitdem liebe ich Mascha Kaleko

  2. Liebe Bettina, danke für den Beitrag. Auch Sängerin Etta Scollo hat aktuell eine CD veröffentlich mit von ihr vertonte Gedichte von Mascha Kaléko, zu hören morgen Abend in Freiburg, Donnerstag in Karlsruhe und ua 14.6. in Klandorf/Brandenburg. Alles Gute!

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