Die Schönheit des leisen Lebens

Lesezeit 3 Minuten –

Kurz vor ihrem 90. Geburtstag schrieb Elizabeth Warden endlich nieder, was sie all die Jahre nur gedacht hatte: Nächste Woche werde ich 90. Ich war nie verheiratet. Bin nie umgezogen. Ich habe fast sechzig Jahre in demselben kleinen Haus in einer ruhigen Straße gelebt – lang genug, um zu wissen, welche Nachbarn dir den geliehenen Zucker zurückgeben und welche ihn zur Hälfte aufgebraucht zurückbringen.

Ich war immer die Ruhige, diejenige, die den Tee gemacht hat. Ich mochte es nie, im Mittelpunkt zu stehen. Das überließ ich lieber anderen – wie der lieben Hyacinth, die nie müde wurde zu betonen, dass man ihren Namen „Bouquet“ ausspreche.

Aber ich erinnere mich daran, dass ich einst träumte, nach Paris zu ziehen. Mit 19 hatte ich einen Brieffreund – Jacques, glaube ich. Er schrieb Gedichte auf hauchdünnem Papier. Ich habe seine Briefe jahrelang aufbewahrt, obwohl ich nach dem dritten nie mehr antwortete. Ich sagte mir, ich sei zu vernünftig für solche Träumereien.

Mein Leben kam nicht mit Paukenschlägen. Es rollte in sanften Wellen: Dienstagabende beim Bridge, Kirchenbasare, geteilte Kekse mit meinem Bruder Emmet. Keine großen Auftritte – nur kleine, stetige Gesten. Und das war genug.

Mit 55 begann ich zu zeichnen. Erst einfache Kohleskizzen – Äpfel, Straßenlaternen, die Ecke meiner Spüle. Ich war nicht besonders gut, aber ich mochte die Stille dabei.

Mit 65 wurde ich mutig genug, Nein zu sagen. Nein zum Helfen, wenn ich nicht wollte. Nein zu Hyacinths opulenten Abendessen. Und das, das war wahrer Mut.

Mit 70 lernte ich, Wein zu trinken, ohne zu kleckern (meistens). Und ich begann, Krimis im Bett zu lesen – manchmal bis nach Mitternacht, mit einer Taschenlampe unter der Decke, wie ein Kind.

Mit 80 verzieh ich mir selbst. Dafür, dass ich schüchtern war. Vorsichtig. Dafür, dass ich manchen Träumen nicht nachgejagt bin – und dennoch fand ich unterwegs eine stille Art der Erfüllung.

Und heute, kurz vor 90, betrachte ich meinen Garten – den ich Saison für Saison gepflegt habe, ganz ohne Applaus – und ich fühle Frieden. Die Kamelien blühen, als hätten sie nie von Enttäuschung gehört. Die Rosen neigen sich zur Sonne, als würden sie noch immer an die Liebe glauben.

Wenn ich dir eines sagen darf, dann dies:

Ein stilles Leben ist kein verschwendetes Leben.

Nicht jeder muss glänzen. Manche von uns sind da, um leise zu beobachten, Tee zu servieren, ein freundliches Lächeln zu schenken, und anderen Beifall zu spenden – ganz ohne Rampenlicht.

Es liegt Schönheit darin, nicht die lauteste Stimme im Raum zu sein.

Und es liegt stille Stärke darin, einfach jeden Tag freundlich zu sein – ohne, dass jemand es bemerkt.

Mit Wärme und einer ruhigen Hand um die Teetasse,

– Elizabeth Warden

PS: Elizabeth Warden ist eine fiktive Figur aus der Sitcom „Keeping Up Appearances“, gespielt von Josephine Tewson. Sie ist die ängstliche Nachbarin und widerwillige beste Freundin von Hyacinth Bucket. Wer, wann und wie dieser Text geschrieben wurde, konnte ich nicht abschließende verifizieren. Anyway ist er wunderschön 🙂

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