Raupenbeet

Lesezeit 4 Minuten –

Von Imke Rosiejka. In unserem Garten ist in diesem Jahr allerlei Gemüse gewachsen und die Ernte ist recht üppig ausgefallen. Im Laufe des Sommers hat sich dann ein Beet besonders gut entwickelt – unser Raupenbeet.

Nachdem die Meisen ihre Jungen groß hatten, die ja vorwiegend Raupen aller Art verfüttern, haben wir beschlossen, den verbliebenen Kohlrabi zu spenden … und haben alle Raupen, die in den beiden Hochbeeten geschlüpft sind, in dieses eine Hochbeet einziehen zu lassen, in dem drei große Futterpflanzen auf sie warteten.

Eines Tages, ich hatte mich gewundert, warum immer wieder Raupen „verschwanden“, beobachtete ich, wie sich eine Wespe eine der Raupen schnappte und mit ihr davonflog.

Das Raupen-Experiment ging in die nächste Runde: Das Raupenbeet wurde mit einem Netz abgedeckt

Das Ergebnis? Die Raupen gedeihen prächtig und wir warten gespannt darauf, ob sie sich verpuppen oder ins Erdreich zurückziehen. Ob ihnen unsere Obhut wohl hilft, die nächste Phase ihrer Metamorphose zu erreichen?

Damit sie sich zurückziehen und überwintern können, haben wir bereits einige Äste und Blattwerk im Beet platziert – ob sie es annehmen, werden wir sehen.

Einige von ihnen haben eine beträchtliche Größe erreicht und ich frage mich, wie groß sie wohl werden müssen, bevor sie sich verpuppen …

Während ich jeden Tag nach ihnen schaue und mich freue, wenn ich sie wohlbehalten und fressend vorfinde, kommt mir mein eigener Wachstumsprozess in den Sinn.

Ich scheine viel mit den Raupen gemeinsam zu haben, an der Schwelle zu einer neuen Lebensphase zu stehen, mich aber noch nicht entschließen zu können, den nächsten Schritt zu gehen.

Die Zeit des „Fressens und Sammelns“ ist vorbei – das spüre ich deutlich. Ich habe so viel gelernt, meine Gaben entdeckt, mir viele Techniken angeeignet, die mir zum Leben dienen, einiges davon wieder verworfen, wenn es nicht nützlich war … und nun?

Ja, ich glaube, dass es Zeit ist, mich wie eine Raupe zu verpuppen, mich in einen Kokon zurückzuziehen, alles loszulassen und staunend zu schauen, was daraus wachsen wird.

Mein Zuhause, mit all den vertrauten Sicherheiten, empfinde ich heute als wichtiger denn je; ich brauche Ruhe vor den Unruhen da draußen, die ich kaum aushalten kann. Mich von den Nachrichten fernzuhalten, hilft nichts, sie dringen dennoch zu mir vor und lassen mich irritiert zurück. Ja, irritiert ist das richtige Wort dafür – Ich frage mich, was in „die Menschheit“ gefahren ist, woher all die kriegerischen Ausdrücke und Ausbrüche kommen, obwohl sich doch eigentlich alle nach Frieden sehnen. Und ich frage mich, wo mein Platz in dieser Welt ist, wie und wo meine Stimme gebraucht wird. Wird sie überhaupt gebraucht?

Mir kommt mein Taufspruch in den Sinn: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein“ (1. Mose 12,2)

In ein „fremdes Land“ bin ich vor Jahren gezogen – aber bin ich dort auch zum Segen geworden?

Reicht das, was ich gebe, wie ich es mit drei Büchern, den Mandala-Heften, Kartens-Sets und Fotos getan habe?

Oder braucht es etwas anderes?

Kann das „du sollst“ eine freudvolle Erfüllung sein oder ist es eher belastende Verpflichtung? Manchmal denke ich, es wäre einfacher, mit weniger Gaben gesegnet worden zu sein … mein Füllhorn ist prall bis an den Rand, nein zum Überlaufen gefüllt … aber wofür bin ich so reich beschenkt?

Also Rückzug!?

Kokon spinnen und schauen, was sich auflöst und neu formt!?

In alle dem Gedankenchaos höre ich plötzlich etwas: Eine leise Stimme meldet sich liebevoll zu Wort, dringt an mein inneres Ohr und schenkt mir ein wenig Frieden in diesen turbulenten Zeiten.

„Du bist ein Segen, weil du bist! So wie du gerade bist, auch mit all den Zweifeln, dem immer wieder Hinterfragen, der Unruhe, die sich immer wieder in dir breit macht … Du bist ein Segen, weil du dich nach Frieden sehnst, nach friedvollem Miteinander strebst, für dich und für die Welt – und das, was du zu geben hast, ist anderen bereits vielfach zum Segen geworden, auch wenn du es nicht immer mitbekommst.“

Der Friede, der sich durch diese Worte in mir ausbreitet, zeigt mir, dass es wahr ist. Auch wenn sich das ein bisschen überheblich anfühlt, spüre ich die Wahrheit in diesem Gedanken.

Selbst wenn ich die großen Konflikte kaum beeinflussen kann, kann ich mein kleines Licht auf den Scheffel stellen und die Welt ein bisschen heller machen – und wenn auch nur eine Raupe zum Schmetterling werden sollte, ich auch nur einen Menschen berühren und beim eigenen Wachstum mit meinen Impulsen helfen kann, so macht das für diese eine Raupe und für diesen einen Menschen einen Unterschied, wird mein Sein zu einem kleinen Segen.

Mit diesem Gedanken lasse ich werden, was werden soll – vielleicht bin ich längst ein Schmetterling, der von Blüte zu Blüte flattert, sie mit Impulsen, Ideen oder Fotos berührt und bestäubt, und damit zu dem einen oder anderen neuem Lebensweg anregt …

Ich bin damit sicher nicht allein unterwegs – in jeder/m von uns schlummert dieses Potenzial und wenn wir alle unser Licht nach draußen stellen und somit auch anderen „erlauben“ das zu tun und zu leben, was in ihnen angelegt ist, könnte daraus Frieden erwachsen.

Mit lächelnden Herzensgrüßen wünsche ich uns allen eine friedliche Zeit

Imke

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4 Kommentare

  1. Das ist ein schöner Beitrag. Ich möchte jeden, der einen Garten hat, ermutigen, Refugien für die Tiere (welcher Art auch immer) zu lassen. Ein oder zwei Kohlpflanzen für die Kohlweißlinge zu lassen, einen Josta- oder Stachelbeerstrauch für die Johannisbeerwespen, eine Brennesselecke für Tagpfauenaugen und andere Falter, Klettenlabkraut für die Taubenschwänzchen… alles etwas unordentlicher und wilder, auch für Insekten, die man weder kennt noch sieht. Sie haben eine eigene Existenzberechtigung, sie dienen anderen Tieren (Vögel, Fledermäuse etc. als Futter, alles ist ein Riesenkreislauf, den wir gar nicht so überblicken. Und dann kann man dankbar dafür sein, daß es diese Tiere gibt und man sich daran freuen kann.

  2. Liebe Imke,
    Jedes Wort stimmt 🙂 Du bist schon Schmetterling. Allein diese wunderbare Idee, ein Raupenbeet als Schutzzone einzurichten. So schön.
    Es ist nicht einfach den “ alten “ Glaubensdruck “ du bist nicht genug “ als solchen zu erkennen und “ zu sein “ Jetzt noch Sonnenstrahlen sammeln für den Winter 🙂
    Danke für deine Worte. Danke für dein Sein. Danke für dein Teilen.
    DU bist wertvoll.
    Namaste
    Monika

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