Mitt-Winter. Die alte Mutter.
Da sitzt sie auf ihrem dreibeinigen Hocker.
Vor sich das Feuer mit dem Kessel. Sie rührt.
Dreimal links herum, dreimal rechts herum.
Und von vorn, im steten Rhythmus.
Gerade so, dass es blubbert, doch nicht überschwappt.
Und nicht ansetzt, unten auf dem Grund des Kessels.
Die Suppe, die Suppe des Lebens, immer im Kreis, immer im Fluss.
Jeden Tag aufs Neue.
Nachts schöpft sie, verteilt großzügig, immer neu. Empfange, wer will.
Nicht alle wollen.
Manche schrecken zurück: Leben – pfui. Zu roh, zu wild, zu heiß. Falsche Zutaten. Hexenkessel, lieber nicht, lieber zahmes Fertigfutter.
Andere sind gierig. Mehr Leben, mehr Suppe, mehr Zutaten, viele, viele Löffel voll. Manche nehmen es einfach so hin.
Manche sind dankbar, manche wollen bezahlen.
Sie schöpft gleichmütig.
Und stetig weiter, bis der Tag beginnt.
Dann rührt sie neue Suppe.
Und rührt. Dreimal linksherum, dreimal rechtsherum, immer wieder, immer weiter.
Bis zur längsten Nacht. Mitt-Winter.
Da schöpft sie nicht, sie ruht.
Die Zeit steht still, die ganze Nacht und am Tag.
3 Nächte lang kein Schöpfen, 3 Tage lang kein Rühren.
Stille. Mitt-Winterstille.
Mutter-Nacht, Mutter-Nächte.
Sie gebiert.
Eine neue Seele, eine neue Zeit. Ein neues Äon.
Ihr Kind, ihr Licht-Kind.
In der dritten Nacht entlässt sie es. Es wird wachsen.
Sie betrachtet das Kind.
Sie betrachtet den Kessel.
Und kichert. Erst leise, dann immer lauter.
Bis sie sich den Bauch hält und die Suppe schwappt.
Da lacht sie noch mehr. So laut, dass die Erde bebt und der Kessel fliegt.
In weißen Flocken legt sich der Inhalt auf die schwarze Erde.
Das Kind streut Sternenlicht darüber.
Und die Alte fliegt auf schwarzen Wolken im Sturmgebraus dahin.
12 raue Nächte lang.
Dann beginnt ein neuer Jahreszyklus.
Doch jetzt, jetzt ist sie frei und Ihre wilde Jagd beginnt.
Hey, jo, Hey, JA!
Whow. Kraftvolle Worte. In mir ist Lachen und Freude. Heute kann ich Suppe genießen. Wie schön ist das Älterwerden.
Danke Dorothee ! Tolle Geschichte zu meinem Tagesbeginn
Namaste
Monika
Wow, liebe Dorothee, was für eine wunderbare, und humorvolle Geschichte. Ich lächelte beim Lesen und konnte die alte Weise bildlich vor mir sehen. Danke von Herzen, Alexandra
Liebe Dorothee,
gestern haben wir mit einer Freundin einen riesengroßen Kessel mit Gemüsesuppe angesetzt. Sie blubberte stundenlang und wir rührten und erzählten uns Geschichten und teilten das Sehnen nach einem wilden, ursprünglichen Leben und luden es ein.
Deine Zeilen ein Volltreffer mitten hinein, in den inneren Kessel und dann begeistert hinaus in unsere wunderschöne wilde Heimat, den Körper, die Erde, das Universum.
Mit würzigem, feurigem Dank
Maria