Was in dir atmet zwischen loslassen und zulassen?

Lesezeit 5 Minuten –

Diese flimmernden, schimmernden Momente, wo alles Wollen, Machen, Halten, Denken und Suchen von sich aus endet und wir – meist unbemerkt – durch ein Loslassen hindurchgleiten. In diesen Momenten öffnet sich ein feiner Durchlass zu dem höchst möglichen Potenzial zum Wohl von allem, was jetzt gerade ist. Und das, obwohl wir solche Momente vielleicht nicht so ekstatisch erleben, wie es jetzt beim Lesen klingen könnte, sondern … Ja, wie?
Vielleicht eher nüchtern, erschöpft, unruhig, desorientiert, leer oder unwillkürlich seufzend, aufatmend. 
Und dann ist der Moment auch schon wieder vorbei.

Loslassen

Jedenfalls, so scheint es mir, ist Loslassen wirklich nichts, was du oder ich aktiv machen könnten – egal wie sehr wir es anstreben oder hören, dass es gut wäre, dieses oder jenes loszulassen. Und wenn wir entscheiden, etwas loszulassen, treten wir im Grund vielmehr in einen Prozess ein, der einer ganz eigenen Dynamik folgt. 

Wir setzen eher die Segel ins Unbekannte.
In seiner Natur scheint Loslassen also weniger eine Aktivität zu sein, sondern eher ein Übergang, der in uns geschieht. Und zwar in einer feinen Aneinanderreihung unberechenbarer Augenblicke, die von selbst und zu ihrer Zeit geschehen, wellenartig.

In wachen Momenten bezeugen wir diesen Prozess durch unsere Präsenz und unser offenes Gewahrsein. Wir bemerken, „Hm, ich bin da zurzeit innerlich mit etwas unterwegs, was irgendwie einem Ende zustrebt und ich kann es noch gar nicht richtig greifen“. Ein Ritual, eine Dialogform oder eine Achtsamkeitspraxis kann uns begleitend den Raum für diesen Prozess halten und sie können uns unterstützen, dranzubleiben. Aber sie können das Loslassen an sich in keinster Weise für uns tun.

Zulassen

Paradoxerweise lassen wir im Loslassen sogar eher etwas zu.
Wir lassen zunächst ganz in uns zu, was wir eigentlich loslassen wollen. Wir geben ihm vollumfänglich Raum in uns, ohne gegenzusteuern oder einzugreifen (das haben wir bis zu diesem Moment schon alles probiert) und mit einem Mal lässt uns etwas los. Vielleicht bemerken wir irritiert, dass wir etwas freigeben haben. Es kann sich anfühlen wie Aufgeben, Kapitulieren oder es taucht eine leichte Desorientierung auf. Vielleicht steigt auch ein unwillkürliches Aufatmen auf, befreiend und überraschend.

Und dann kommt ein weiteres sanftes Zulassen, denn nun kommt etwas auf uns zu. Vielleicht ein Schmerz, eine Leere oder ein Staunen, eine Verwirrung oder etwas Unscharfes, nicht-Greifbares, oder einfach ein Sich-Wundern, eine Verwandlung.

Der innere Ort

Und wie wäre es, in diesem Moment eine kleine Frage in Spiel zu bringen:
Von welchem inneren Ort aus erlebe ich das jetzt?

Von einem inneren Ort der Abwehr, der Kontrolle, der Angst? Oder vielleicht der Präsenz oder der Geduld? Oder aus einem Druck heraus, oder einer Erwartung, Anspannung oder im Autopilot der alltäglichen Gewohnheiten? Oder in einer inneren Taubheit oder einer Erstarrung? Oder einer Neugier und eines wachen Gegenwärtig-Seins?
Jeder dieser Qualitäten ist richtig und wahr! Hier gibt es kein besser oder schlechter. 
Allein zu bemerken, in welcher inneren Verfasstheit ich gerade bin, kann eine feine Bewegung in Gang setzen.

Dieser innere Ort liegt noch vor einem Wie oder Was.
Also noch vor den Überlegungen von „Wie mache ich das denn jetzt?“ oder „Was mache ich hier eigentlich?“. An dem Wie oder Was kann ich relativ leicht etwas ändern. Zumindest fällt uns in der Regel jede Menge dazu ein. Wir fragen uns zum Beispiel, „Was soll ich tun, damit ich XY loslassen kann?“ oder „Wie sollte ich dies oder das am besten beenden?“
Alles berechtige Fragen und gute, strategische Überlegungen, nur kommen sie später! Frust setzt ein, wenn sich das, was wir beenden oder loslassen wollen, so träge und schwer erscheint oder sich einfach nicht vollständig abschließen lässt. Oder das erhoffte Neue sich einfach nicht klar zeigt.

Den inneren Ort mit einzubeziehen, kann hier durchaus inspirierend sein.
Denn die Geschichte, die wir uns erzählen, erfolgt aus dem Zustand, in dem wir sie uns erzählen.
Allein durch die freundliche Frage „Wo bin ich innerlich eigentlich gerade?“ bewegt sich unser innerer Ort, also unseren Bewusstseinszustand. Und damit ändert sich unsere Beziehung zur gegenwärtigen Situation und zu unserem Erleben; manchmal kaum merklich, ganz fein und dennoch erstaunlich wirkungsvoll.

Ich kann mich also fragen, wie ist der innere Ort beschaffen, aus dem ich jetzt gerade handle / denke / wahrnehme / da bin? Oder: Von welchem inneren Ort aus erzähle ich mir diese Geschichte gerade? Selbst wenn ich dazu neige, zu sagen „Oh nee, ich handle ja gerade aus einem inneren Ort der Abwehr oder Angst oder Enge – Das will ich nicht!“, kann ein zugewandtes „Aha … !?!“ mein Bewerten für einen Moment unterbrechen. Und vielleicht kann ich auch schmunzeln und noch einen Atemzug bleiben, ohne an der Geschichte etwas umzuformulieren.

Wandel

Vielleicht kennst du es auch, mit allerbester Absicht zu versuchen, dich in ein erhabenes Gefühl hinein zu fantasieren, um von einem „guten“ inneren Ort aus das hoffentlich richtige zu tun (ist an der Anstrengung zu erkennen 😉 … macht nix.
Zwinkere dir freundlich zu und gib nach. Erlaube dir neugierig, dass allein durch deine Zugewandtheit dein innerer Ort von sich aus sich verlagert und zu etwas strebt, was in diesem Augenblick sehr stimmig ist. Vielleicht kannst du seine Qualität benennen, vielleicht nicht. Möglicherweise ahnst du sie nur vage. Oder du fühlst dich körperlich ein bisschen wohler, wacher oder geerdeter. Das genügt!

Wichtig ist diese Beweglichkeit. Sie ist die Einladung. Sie ist der Schlüssel.
Hier findet Veränderung ihren Ursprung.

Hier kann dein Lauschen zu Hause sein. Ein Lauschen auf etwas, was aus deiner/unserer höchst möglichen Zukunft auf dich zukommt. Du kannst es in deinem Körper ankommen lassen, dann in deinem Geist. Es kann Gestalt annehmen und einen nächsten Schritt setzen. Und du verkörperst es.

Ich wünsche dir eine innerlich helle Zeit zwischen den Jahren, dieser tiefen Winterzeit, in der das alte Jahr ausklingt und wir auf das neue Jahr mit seinem ersten Klang lauschen. Und vielleicht entdeckst du auch hier, wie dein innerer Ort in dir atmet. Und dich einlädt, dich ein Stück weit vom Leben, das du bist, an die Hand nehmen zu lassen.

Von Herzen
Marietta

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Marietta Heuken
Marietta Heuken

Wir alle tragen einen ureigenen Ruf in unserem Herzen. Dieser Ruf gehört schlicht zu unserem Mensch-Sein. Und was auch immer sich darüber gelegt haben mag, dass wir ihn mal mehr, mal weniger hören oder gar ganz verloren zu haben scheinen, ist veränderbar. Für diese Veränderung bin ich hier. Ich unterstütze Menschen, verbunden zu bleiben, statt auszubrennen, wenn sie beherzt tun, was sie lieben zu tun. Ich begleite traumabewusst, körper- und erkenntnisorientiert, denn jeder noch so kleinen Veränderung geht ein AHA! voraus, das uns ganz und gar geflutet hat. www.marietta-heuken.de

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