Die Geschichte vom traurigen Troll

Von Martina Wanitscheck. In einer wilden kargen Landschaft weit weg von allem trug sich vor langer Zeit eine wundersame Geschichte zu – von der ich euch heute erzählen möchte.
Tief in der Erde, in kleinen Erdhöhlen, lebte mal hier, mal dort, ein trauriger Troll. Er war klein in seiner Statur, hatte eine leicht knubbelige Nase und blätterförmige spitz zulaufende Ohren. Seine grün-gesprenkelte Haut war gespickt mit winzigen Steinen, Flechten und Moosen. Das Auffälligste an ihm waren seine grünen Augen, die an einen klaren Bergsee erinnerten.
Solange der kleine Troll denken konnte, war er fast ununterbrochen traurig in seinem Leben gewesen und sein Herz war schwer davon geworden. Er durchlebte viele schmerzliche Formen der Trauer: sei es der Umzug in neue Erdhöhlen, die Abwanderung von Freunden in andere Täler, oder auch die Art von unaussprechlichen kleineren und größeren inneren Nöten, die ihn plagten. Aus einem ihm unerfindlichen Grund trug er in sich das dumpfe Gefühl, dass seine Traurigkeit auf eine bestimmte Weise zu ihm gehören würde, aber eigentlich wollte er diesen Schmerz überhaupt nicht in seinem Leben haben.
Manchmal, wenn er in der wilden Natur umherwanderte, rollten ihm stumme, grünlich schimmernde Tränen über seine Wangen. Sobald sie die Erde benetzten, geschah etwas Wunderliches. Kleine Pflanzen, unterschiedlich in Art, Form und Farbe, sprossen kraftvoll aus der Erde empor. Kullerten sie hingegen Grashalme hinunter, schienen die Gräser nur von innen heraus zu leuchten. Gelegentlich schwoll die Intensität seiner Traurigkeit so an, dass sie tief und weit wie das Meer wurde. Sein aufgestautes und unaufhaltsames Gefühlswasser brach dann in breiten Tränenwellen aus ihm hervor, während sein gesamter Körper und sogar seine Troll Seele miterzitterte. Obendrein erbebte mit ihm sogar Mutter Natur. Irgendwann brach sein gesammeltes Wasser aus den Erdhöhlen empor, schoss in den Himmel und regnete auf das Land herab. So geschah es, dass in den unzähligen Vertiefungen der wilden Natur, kleinere und größere Seen entstanden und das Aussehen der Landschaft sich stetig verwandelte.
Heute war wieder ein Tag, an dem er zu seinem Lieblingsplatz, einem großen Felsen mit einer gesprenkelten Oberfläche aus Flechten, wanderte. Der raue Felsen thronte über der Weite der Landschaft. Dort konnte der kleine Troll sitzend gut bei sich ankommen, während die belebte gesprächige Natur in ihn hineinfloss. Die Töne und Laute der Natur webten behutsam eine Geborgenheitsdecke aus feinschimmernden goldenen Fäden um den kleinen Troll. In seinem Inneren spannte sich ein großer freier Raum aus und ihm war, als würden seine Traurigkeitsberge in einen unbekannten Raum hineinfragen und um Antworten bitten.
Nach einiger Zeit sprach es plötzlich im kleinen Troll. Zu seiner Verwunderung erfuhr er, dass er das Wesen der Traurigkeit sei. Seine inneren Wunden sprachen aus ihren Körperverstecken heraus, wünschten sich gesehen zu werden, sich mitteilen zu dürfen, ohne Wenn und Aber. Sie sprachen von ihrem tiefen Bedürfnis zu heilen, mit Zeit, Geduld und vor allen Dingen mit einer riesigen Portion Liebe. In einfühlsamer Art sprach die Stimme weiter von der Natur der Gefühle und deren unterschiedlich ausgeprägtem Seegang. Augenblicklich konnte er das Meer deutlich in seiner Nase riechen, aber nicht nur das: Er hörte und fühlte förmlich den Ozean in seinem Troll Körper. Er spürte die unterschiedliche Wildheit der Meereswellen, wie sie sich anhoben und senkten in ihren Rhythmen, um nach einiger Zeit wieder ganz zu verebben. Eine prickelnde Lebendigkeit, wie nach einem erfrischenden Bad im See, durchströmte seinen Körper. Je mehr das Gefühl seiner Selbstannahme sich Raum nahm, desto mehr wurde auch sein Herz leicht und warm. In ihm wuchs die Erkenntnis, dass er sein Leben lang gegen seine eigene Natur angekämpft hatte. Ein tiefer Seufzer, gepaart mit einer riesigen Welle der Akzeptanz seiner eigenen Natur, durchflutete ihn. Von Atemzug zu Atemzug wurde es in ihm weiter und er nahm in sich ein quietschendes Geräusch wahr, wie von einem verrosteten Schleusentor, das sich gerade just in diesem Moment für ihn öffnete und somit den Raum für seine Traurigkeit frei gab. Jetzt konnten auch seine Augen all die lebendige Schönheit in der wilden Natur sehen, die seine Tränen erschaffen hatten und auch weiterhin erschaffen würden – nur jetzt in anderer Weise.
Das war die wundersame Geschichte vom kleinen traurigen Troll und seinem Aufblühen, von der ich Euch heute erzählt habe.
Welche Wundersamen trägst Du in Dir, die zum Erblühen kommen könnten?
Der Text entstand nach einem Schreibimpuls im Schreiben – einfach so und die Autorin und intuitive Künstlerin Martina Wanitscheck hat aus den Worten auch ein Bild empfunden.
Liebe Martina, wie schön, diesen Text hier zu lesen. Und gut, erinnert zu werden, dass da Wundersamen/Wunder-Samen in uns allen sind, die gesehen werden wollen und die wir würdigen dürfen. Danke!
….wie wunderwunderwunderschööööööön…..DANKE ❤️ 💕 💞 🥰 ….und bezaubernd tröstlich…..
Von Herzen,
Dagmar