Über Glaubenssätze

Wie viele Stimmen
haben sich wohl schon in dein Haar geflochten?
Wie viele kennst du selbst –
und kannst die Liste noch erweitern?
„Sei brav.“
„Schäm dich.“
„Nicht so wild.“
„Du bist zu laut.“
„So macht man das nicht.“
„Wer glaubst du, dass du bist?“
Es sind die Stimmen der Ahnen –
doch nicht nur.
Nicht alles ist transgenerational,
nicht alles kann den Ahnen zugeschoben werden.
Oft sind es auch die Stimmen des Feldes um dich:
Lehrer und Mitschüler,
Freundinnen und Kollegen,
Gesellschaft, Vergleich, Neid.
Projektionen, Manipulationen,
unausgesprochene Erwartungen.
Alle webten ihre Worte in dich hinein,
getragen von eigenen Wunden,
die sie selbst nicht halten konnten.
Das ist das Erbe des Traumas:
Sätze wie Ketten,
weitergereicht und aufgenommen,
unausgesprochen und doch schwer.
Und du hast sie gehört,
geglaubt, getragen –
als wäre es dein eigenes Gewicht.
Doch tief in dir ruht ein anderer Klang.
Leise, klar, unverfälscht.
Die Stimme deiner Seele,
die keiner Erlaubnis bedarf.
Und über dir, am Scheitel,
hebt der Drache die Schwingen.
Er wacht als Mittler, als Beschützer,
als Hüter der Linie zum Sternenstaub.
Aus diesem Staub sind unsere Seelen geboren –
deine, meine, unsere aller.
Der Drache atmet,
und die alten Stimmen verglühen,
fallen zurück in Staub,
wie Funken in den Wind.
Er neigt sich zu dir,
sein Atem ist Feuer und Erinnerung.
„Kind“, sagt er,
„das Fremde endet hier.
Du darfst zurückgeben,
was nie deins war.
Du darfst die Kette lösen.“
Was bleibt,
ist dein eigener Ton.
Ein Lied, das Heilung webt –
für dich,
für die Ahnen,
für alle, die nach dir kommen.
Der Vogel mit der Krone flüstert:
„Erinnere dich an deine Würde.“
Die Katze schnurrt:
„Halte dich nicht länger klein.“
Und du gehst,
getragen von deinem Lied,
beschützt vom Drachen,
frei in der Kraft deiner Linie.
Ich lege die Stimmen nieder,
die nicht mir gehören.
Ich löse die Ketten des Neides, der Missgunst, des nie ehrlich Ausgesprochenen.
Am Scheitel wacht der Drache –
Mittler zu den Sternenvölkern,
aus deren Staub unsere Seelen geboren sind.
Heute singe ich mein eigenes Lied –
für mich, für die Ahnen, für die, die kommen.
Autorin und Bild: Susanna Amberger. Zuerst erschienen im Spinnerinnen Magazin – Für Undogmatische, Offene und Wunderfitzige. Bilder und Geschichten – gesponnen aus alten und neuen Zeiten. https://www.spinnerinnen.ch.
Das ist ein ganz wunderschöner Text. So ziemlich das Wetvollste das ich seit langem gelesen habe. Vielen Dank dafür.