Selbst ein Anfang sein

Von Dirk Grosser. Was haben Graugänse, die Ringe des Saturns, spirituelle Krieger und Zen praktizierende Hunde gemeinsam? Was verbindet die Sterne des Nachthimmels, Bruce Springsteen, 3.000 Jahre alte Mammutbäume und Meister Yoda? Was bringt Freiheit, Achtsamkeit und Mitgefühl mit Sauerstoff produzierenden Blaualgen zusammen? All diese Phänomene sind Teil unseres Kosmos, Teil einer Kosmologie, Teil einer Spiritualität, die jenseits von allen Traditionen und Dogmen ihren ganz eigenen Weg findet. Einen Weg, bei dem wir selbst unser eigener Anfang sind…

Immer mehr Menschen sind heute nicht mehr in einer bestimmten Tradition beheimatet – und das aus gutem Grund: Mangelnde Glaubwürdigkeit, Machtmissbrauch und die Widersprüche zu einem modernen Welt- und Menschenbild kennzeichnen viele institutionalisierte Religionen. Wir spüren deutlich, dass wir diese Wege nicht gehen können, dass die einzelnen Schritte uns nicht entsprechen und dass das Ziel dieser Wege nicht das unsrige ist. Gleichzeitig bleibt die Sehnsucht nach Zugehörigkeit, nach einer geistigen Heimat.

Das Ende der Suche – der Beginn des Seins

Nichts, was lebt, muss seine Heimat suchen! Sie umgibt uns ständig! Der Kosmos mit all seiner Fülle, die sich jeden Tag mehr und mehr ausdehnt und entfaltet, ist unser eigentliches Zuhause. Inmitten der fortschreitenden Evolution unseres Universums ist unser Platz, den wir auf ganz natürliche Weise einnehmen können.

Der Prozess dieser Entwicklung ist ein Prozess des Weiterwerdens. Auch wir können daran Anteil haben: Wir öffnen uns für eine größere Zugehörigkeit. Wir lassen das Kleine los und öffnen uns für das Größere. Manchmal macht dieser Prozess Angst, weil man sich so sehr an seine kleine Welt gewöhnt hat. Doch indem man das Kleine loslässt, schafft man Raum in sich, um das weitaus Größere einzuladen. Man verliert die Zugehörigkeit zu einem kleinen Teil dieser Welt, um dann festzustellen, dass man dem ganzen Kosmos zugehörig ist.

Man verliert die Identifizierung als Deutscher, Franzose oder Koreaner und erkennt seine Gemeinschaft mit allen Menschen auf dieser Erde. Man verliert seine Identifizierung als Christ, Hindu oder Moslem und gewinnt eine Einheit mit dem Entfaltungsprozess des Lebens.

Man verliert die einzelne Religion und gewinnt eine universale Spiritualität. Man verliert den personalen Gott und gewinnt die Zugehörigkeit zum Geheiligten Universum.

Man spürt, wie das Leben alles durchdringt: den Duft der Orchidee, das einen Wintervorrat anlegende Eichhörnchen, die eng beieinander stehenden Pinguine zur Brutzeit, den Wind über der Tundra, die Wellen am Strand von Bali, den Schnee in der Innenstadt von Frankfurt, die Bewegung der Planeten, das eigene menschliche Herz.

Ein Empfinden für die Schönheit der eigenen Menschlichkeit und für die Schönheit der Welt, in der wir leben, befähigt uns, weiter und weiter zu werden. Wir erklären uns bereit, mitzuwirken an der Entfaltung des Seins. Wir sehen uns als Teil des Kosmos, der ebenso wie wir frei ist, sich immer weiter zu entwickeln und alle Begrenzungen hinter sich zu lassen.

Wir sind so viel mehr

Ohne Begrenzungen wird ein Weg zu einem „weglosen Weg“ – wir verorten uns selbst jenseits aller
spirituellen Theorien und Konzepte, die stets nur Versuche sind, uns in eine Schublade zu stecken, uns zu etikettieren und einzuordnen in etwas, das meiner Meinung nach zu klein für unser wahres Selbst ist. Profanes und Heiliges sind auf einem „weglosen Weg“ nicht mehr voneinander getrennt – in allen eingangs genannten Phänomenen, in Mammutbäumen und Rocksongs, in wundervoll befremdlichen Tieren und schrägen Science-Fiction-Charakteren ist das Heilige gegenwärtig und führt uns in die volle Verwirklichung unseres Menschseins, indem wir im anderen und in uns selbst eben diese Heiligkeit erkennen.

Jeder einzelne von uns trägt die grundlegende Menschlichkeit, das Potential zur Entwicklung in sich. Unser Bewusstsein lässt uns erkennen, dass wir nicht immer so bleiben müssen, wie wir gerade sind. Wir können uns SEHEN und dieses achtsame Schauen führt zu Verständnis, Toleranz, Mitgefühl und Verantwortung. Wir sehen, dass ohne Ehrlichkeit unsere Sprache ad absurdum geführt wird. Wir sehen, dass ohne Warmherzigkeit unsere Welt kein lebenswerter Ort ist. Wir sehen, dass ohne Verstehen ein Miteinander unmöglich ist. Wir sehen, dass ohne Entwicklung das Leben stillsteht und somit stirbt. Wir sehen, dass wir mehr sind als wir haben und dass wir noch viel mehr sein können.

Ich bin überzeugt, dass wir selbst ein Anfang von etwas ganz Neuem sein können, dass wir sowohl unsere Universalität als auch unsere Individualität wertschätzen und eine freie Spiritualität entwickeln können, die auf eigener (Natur-)Erfahrung gegründet ist und uns in allen Aspekten und allen Widersprüchen unseres Seins gerecht wird. Aller Sinn, alle Tiefe liegen im Lebendigen selbst! Alles Wilde, Freie und Heilige in uns wartet darauf, wahrhaft gelebt und empfunden zu werden! Wir können selbst ein Anfang sein…

Dirk Grosser

Zum Buch: Selbst ein Anfang sein: Eine mystische Kosmologie der Möglichkeiten von Dirk Grosser beschreibt eine Kosmologie der Zugehörigkeit und Entfaltung, eine wahre Naturspiritualität, die die Heiligkeit der Welt nicht aus einem angeblich göttlichen Ursprung herleitet, sondern den Geist für die alltäglichen Wunder, die uns umgeben, zu öffnen vermag. Es schenkt uns neue Augen für die Reise unseres Lebens, für die Sinnhaftigkeit des bloßen Seins und den Wert der Menschlichkeit.

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