Die Stimme der Kinder


Vor 20 Jahren hielt die damals 12jährige Severn Suzuki auf der Weltkonferenz in Brasilien eine eindrucksvolle Rede, die angesichts der scheinbar wieder scheiternden Verhandlungen bei der Klimafonferenz in Durban betroffener denn je macht. Die inzwischen 32jährige ist Ökoaktivistin geblieben und noch viele Projekte ins Leben gerufen. Als sie selbst Mutter wurde, erschien sogar ein Film „Servern“ über sie.

Nachfolgend eine Übersetzung der Rede:
„Hallo, ich bin Severn Suzuki, und spreche für ECO, die Environmental Children’s Organization (Umwelt Organisation der Kinder). Wir sind eine Gruppe mit vier zwölf- und dreizehnjährigen Kindern aus Kanada, und wir versuchen etwas zu verändern …

Wir haben das ganze Geld selbst aufgebracht, damit wir die 6000 Meilen hierher kommen konnten, um euch Erwachsenen zu sagen, dass ihr eure Wege ändern müsst. Ich spreche heute frei zu euch, ohne einen Zettel mit Stichworten. Ich kämpfe für meine Zukunft. Meine Zukunft zu verlieren ist nicht vergleichbar mit einer verlorenen Wahl, oder einigen verlorenen Punkten an der Aktienbörse. Ich bin hier, um für alle zukünftigen Generationen zu sprechen, die noch kommen werden. Ich bin hier um stellvertretend für die hungernden Kinder in der ganzen Welt zu sprechen, deren Schreie ungehört verhallen. Ich bin hier, um für die unzähligen Tiere zu sprechen, die überall auf diesem Planeten sterben, weil ihnen der Platz zum Leben genommen wurde.

Ich sorge mich wegen des Ozon Lochs, wenn ich nach draußen in die Sonne gehe. Ich bin besorgt, wenn ich die Luft einatme, weil ich nicht weiß, welche Chemikalien darin sind. Ich bin früher mit meinem Vater zum Fischen gegangen, in Vancouver, meiner Heimatstadt, bis wir vor einigen Jahren einen Fisch voller Krebsgeschwüre fanden. Und jetzt hören wir Tag für Tag von Tieren und Pflanzen die aussterben – verschwunden für immer.

In meinem Leben habe ich davon geträumt, die großen Herden wilder Tiere zu sehen, den Dschungel, und Regenwälder voller Vögel und Schmetterlinge, aber jetzt frage ich mich, ob sie noch lange genug existieren werden, damit auch meine Kinder sie sehen können.

Habt ihr euch über diese Dinge Gedanken machen müssen, als ihr in meinem Alter wart? All dieses passiert vor unseren Augen, aber wir handeln als hätten wir alle Zeit der Welt und für alles eine Lösung. Ich bin nur ein Kind, und ich habe alle diese Lösungen nicht, aber ich gebe euch zu bedenken, dass ihr sie auch nicht habt.

Ihr wisst nicht, wie Ihr die Löcher in der Ozonschicht reparieren könnt. Ihr wisst nicht, wie ihr den Lachs in einen toten Fluss zurückholen könnt. Ihr wisst nicht wie ihr ein ausgestorbenes Tier zurück in einen Wald bringen könnt, der einmal dort wuchs, wo jetzt eine Wüste ist.

Wenn ihr nicht wisst, wie ihr das alles reparieren könnt, dann hört bitte damit auf, es zu zerstören. Hier mögt ihr Delegierte eurer Regierungen sein, Geschäftsleute, Veranstalter, Reporter oder Politiker. Aber in Wirklichkeit seid ihr Mütter und Väter, Schwestern und Brüder, Tanten und Onkel. Und jeder von euch ist das Kind von irgendjemandem.

Ich bin nur ein Kind, aber ich weiß, dass wir alle Teil einer großen Familie mit fünf Milliarden Verwandten sind – genaugenommen sind wir Mitglieder einer Familie aus 30 Millionen Arten. Und Grenzen und Regierungen werden an dieser Tatsache nichts ändern können. Ich bin nur ein Kind, aber ich weiß, wir sind alle zusammen darin vereint und sollten als eine einzige Welt ein gemeinsames Ziel anstreben.

Ich bin nicht blind vor Zorn, und trotz meiner Furcht habe ich keine Angst davor, der Welt sagen, wie ich fühle. In meinem Land erzeugen wir so viel Müll. Wir kaufen und werfen weg, kaufen und werfen weg. Die reichen Länder werden jedoch nicht mit den Bedürftigen teilen.

Obwohl wir mehr als genug haben, haben wir Angst, etwas von unseren Vermögen zu verlieren, sind zu ängstlich etwas davon abzugeben.

Wir leben in Kanada mit dem Privileg viel zu Essen, Wasser und eine Unterkunft zu haben. Wir haben Uhren, Fahrräder, Computer und Fernseher. Vor zwei Tagen waren wir geschockt, als wir hier in Brasilien einige Zeit mit einigen Straßenkindern verbrachten. Eines dieser Kinder hat zu uns gesagt: “Ich wünschte ich wäre reich. Und wenn ich es wäre, würde ich allen Straßenkindern Essen, Kleidung, Medizin, Unterkunft, Liebe und Zuneigung geben.”

Wenn dieses Straßenkind, das nichts hat, zu teilen bereit ist, warum sind wir, die alles haben, immer noch so gierig? Ich kann nicht aufhören daran zu denken, dass diese Kinder in meinem Alter sind, dass es einen ungeheuerlichen Unterschied macht, wo man geboren ist.

Ich könnte eines dieser Kinder in den Favelas von Rio sein. Ich könnte ein hungerndes Kind in Somalia sein, ein Kriegsopfer im Mittleren Osten, oder ein Bettler in Indien. Ich bin nur ein Kind, aber ich weiß, wenn alles Geld, das für Kriege ausgegeben wird, für die Beendigung der Armut und die Suche nach Lösungen zur Rettung unserer Umwelt ausgegeben werden würde, was für ein wundervoller Platz diese Erde dann sein würde.

In der Schule, wie auch im Kindergarten lehrt ihr uns, wie die Welt zu bewahren ist. Ihr lehrt uns, nicht mit anderen zu kämpfen, für etwas zu arbeiten, andere zu respektieren, Ordnung zu halten, keine anderen Lebewesen zu verletzen, zu teilen, nicht gierig zu sein. Warum geht ihr dann hinaus, und macht das Gegenteil von dem, was ihr uns gelehrt habt?

Vergesst nicht, warum ihr an diesen Konferenzen teilnehmt, für wen ihr das tut – wir sind eure Kinder. Ihr entscheidet, in was für einer Art Welt wir aufwachsen werden. Eltern sollten die Möglichkeit haben ihre Kinder zu trösten, indem sie ihnen sagen können “Alles wird gut.” “Wir tun alles was wir können.” “Das ist nicht das Ende der Welt.”

Aber ich denke nicht, dass ihr das je wieder zu uns sagen könnt. Sind wir überhaupt auf eurer Prioritätenliste? Mein Vater sagt immer: “Du bist das was du tust, nicht das was du sagst.” Was ihr tut, lässt mich nachts weinen. Ihr Erwachsenen sagt, ihr liebt uns.

Ich fordere euch auf, bitte, lasst eure Taten eure Worte widerspiegeln. Danke für eure Aufmerksamkeit.“

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2 Kommentare zu “Die Stimme der Kinder
  1. Andrej sagt:

    Die letzten beiden Absätze – einfach genial auf den Punkt gebracht.

    Das wäre doch auch für die heutige Zeit mal ein schönes Motto: „Liebst du dein Kind, dann… (und an dieser Stelle kann man inzwischen ein ganze Reihe von möglichen Nachhaltigkeitsbemühungen stellen).“

    Ein besserer Grund zum zukunftsfähigen Handeln ist schwer zu erdenken, wie ich finde.

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