Poesie: Die hundert Sprachen des Kindes

Lesezeit 1 Minute –

Von Loris Mallaguzzi. Die Hundert gibt es doch
Das Kind besteht aus Hundert.
Hat hundert Sprachen
hundert Hände
hundert Gedanken
hundert Weisen
zu denken, zu spielen und zu sprechen
Hundert immer
hundert Arten
zu hören, zu staunen und zu lieben.
Hundert heitere Arten
zu singen, zu begreifen
hundert Welten zu entdecken
hundert Welten frei zu erfinden
hundert Welten zu träumen.
Das Kind hat hundert Sprachen
und hundert und hundert und hundert.

Neunundneunzig davon aber
werden ihm gestohlen
weil Schule und Kultur
ihm den Kopf vom Körper trennen.
Sie sagen ihm:
Ohne Hände zu denken
ohne Kopf zu schaffen
zuzuhören und nicht zu sprechen.
Ohne Heiterkeit zu verstehen,
zu lieben und zu staunen
nur an Ostern und Weihnachten.
Sie sagen ihm:
Die Welt zu entdecken
die schon entdeckt ist.

Neunundneunzig von hundert
werden ihm gestohlen.
Sie sagen ihm:

Spiel und Arbeit
Wirklichkeit und Phantasie
Wissenschaft und Imagination
Himmel und Erde
Vernunft und Traum
seien Sachen, die nicht zusammen passen.
Sie sagen ihm kurz und bündig,
daß es keine Hundert gäbe.
Das Kind aber sagt:
Und ob es die Hundert gibt.

Loris Malaguzzi war ein italienischer Pädagoge, der die Reggio-Pädagogik begründete und leitete. Die kleinen Waldfürsten aus Fürstenwald haben mich auf diesen wunderbaren Text aufmerksam gemacht. Sie können noch auf allen Ebenen Unterstützung gebrauchen. Einfach mit Iris Walden Kontakt aufnehmen.

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Gastbeitrag
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