Workshop im Bremer Frauenvollzug

Lesezeit 5 Minuten –

gefängnis „Wertschätzung – Respekt – Tanz“ im Rahmen von „One Billion Rising for Revolution: 1 Milliarde Menschen tanzen gegen Gewalt an Frauen und Mädchen für Wertschätzung, Selbstbestimmung und Gerechtigkeit“ am 14.02.15 fand ein Workshop im Bremer Frauenvollzug statt.
Workshopleiterin war Edda Lorna (Persönlichkeitstrainerin) in Begleitung von Kathrin Oporek (Bewegungstherapeutin). Zur Zeit des Workshops waren 14 Frauen im Frauenvollzug. Drei Frauen haben sich entschieden an dem Workshop teilzunehmen. Die meisten anderen waren in ihrer Freistunde. Hier der Bericht:

Wer wertgeschätzt wird, wird nicht geschlagen
Die teilnehmenden Frauen waren sehr offen und hörten aufmerksam zu. Im Austausch waren Sie zurückhaltend. Durch die langjährige Erfahrung von Frau Lorna, konnte sie die Frauen behutsam und mit Humor aus ihrer Reserve locken.

Für den Einstieg in das Thema wurde die Frage gestellt: „Was hat das Thema Wertschätzung mit Gewalt zu tun?“
Die Antwort einer Frau war: „Wer wertgeschätzt wird, wird nicht geschlagen.“

Doch, wie erhält man Wertschätzung?
Wertschätzung wird bedauernswerter Weise viel zu wenig in unserer Gesellschaft gelehrt und erfahren, da wir in einer Leistungsgesellschaft leben und andere Werte dominieren.

An Hand von Geschichten und deren Bedeutung, vermittelte Frau Lorna anschaulich, wie wichtig es ist sich selbst nicht zu verurteilen. Durch Selbstverurteilung gerät man noch stärker in die Negativspirale. JedeR hat einen „Schatten“ in sich, der verletzte Anteile in sich bergen kann, die sich selbst und anderen gegenüber verletzend eingesetzt werden/wirken/agieren können. Genauso gibt es auch „helle“ Anteile, die liebend und wertschätzend zu sich selbst und anderen sein können. Diese hellen Anteile sind vielen Menschen leider nicht vertraut.

Es ist die Aufgabe von uns Menschen Verantwortung zu übernehmen, d.h. sich für eine wertschätzende Haltung sich selbst und anderen gegenüber zu engagieren. Dadurch entsteht Freude und Zufriedenheit. „Glücklich-sein fällt nicht vom Himmel“ betonte Frau Lorna immer wieder. Die Teilnehmerinnen stimmten oft Kopf nickend zu oder es zeigte sich manchmal ein wohl wissendes Lächeln auf Ihrem Gesicht.

Erinnerung: Eine Feder
Als „Handwerkszeug“ zur Problemlösung und zur Förderung von Wertschätzung bekamen sie eine Feder geschenkt, die sie an den Perspektivwechsel erinnern soll. Wenn man einen Menschen oder eine Situation aus einer anderen Perspektive betrachtet, kann es zu neuen Erkenntnisse führen und andere Umgangsweisen können aufgezeigt werden.

Ein Perspektivwechsel bewirkt eine gesunde Distanz zu Dingen, wodurch man leichter eine Lösung für Probleme finden kann. Ein Perspektivwechsel kann z.B. gefördert werden durch Gespräche, Aufschreiben der Situation oder das Lesen von Büchern.

Anschließend wurde zu dem Lied von Tena Clark: „Break the chain“ getanzt. Auf der ganzen Welt wird das Lied am Valentinstag gespielt und danach getanzt.

Die Workshop-Teilnehmerinnen lernten die Bremer Tanzchoreografie zu diesem Lied. In dieser Choreografie sind symbolische Bewegungen enthalten, die Wertschätzung, Perspektivwechsel, Verbundenheit und Handeln/Aktiv werden vermitteln. Dadurch wurden die besprochenen Themen auf der körperlichen Ebene erfahrbar gemacht und damit stärker verankert. Impulse, die zur Veränderung beitragen können, können damit leichter erinnert werden.

Als die Frauen den Tanz lernten, kam Leistungsdruck auf. Frau Lorna konnte durch Fragen den Teilnehmerinnen einen Perspektivwechsel ermöglichen: „Was ist ‚Jetzt‘ wichtig beim Tanzen?“ Das wichtigste ist nicht die Schritte korrekt nachzumachen, sondern den Symbolgehalt der Bewegung zu verstehen und Freude beim Tanzen zu haben. Der Rest ergibt sich von alleine. Mit Witz und Leichtigkeit konnte den TeilnehmerInnen der Druck genommen werden und wie von selbst tanzten dann alle zusammen im selben Rhythmus und denselben Schritten! Die Frauen haben immer wieder gelacht und Freude an der Bewegung gehabt. Auf die Frage, welche Bewegung Ihnen am meisten Spaß gemacht hat nannten sie die Bewegung, die sehr eng, geschlossen anfing und sich dann kraftvoll nach außen öffnete.

Konkrete Übungen für den Gefängnisalltag

Nachhaltigkeit erzeugte Frau Lorna, indem sie den Frauen konkrete Übungen für den Gefängnisalltag gab. Das Leben beginnt nicht erst nach der Entlassung in ein paar Monaten, sondern JETZT. Viele Frauen haben beim Schreiben ihres Lebenslaufs für bestimmte Einrichtungen die Erfahrung, dass immer die Missstände in ihrem Leben benannt werden/es immer um die Missstände in ihrem Leben geht. Frau Lorna gab die Empfehlung, dass sie sich an Abschnitte aus ihrem Leben erinnern sollen, in denen andere sich über sie gefreut haben und ihnen gedankt haben. Durch eine Übung konnten sie mit dem Erinnern schon beginnen und sollten es dann eigenständig fortsetzen. Außerdem sollten sie sich erinnern, welche Momente in ihrem Leben ihnen Freude bereitet haben.

Frau Lorna benannte immer wieder, dass jedeR etwas verändern kann. Sie zitierte den Satz: „Wenn es dunkel ist, mach Licht oder geh zur Sonne.“

Ein weiteres ‚Werkzeug‘, das den Teilnehmerinnen empfohlen wurde, war die Visualisierung.
Wissenschaftliche Untersuchungen aus der Gehirnforschung belegen, dass durch Visualisierungen Situationen verbessert werden können. In schwierigen bis ausweglos scheinenden Situationen stößt der Körper Hormone aus, sobald man sich eine Verbesserung der Situation vorstellt. Diese Hormone geben Kraft Veränderung herbeizuführen. Durch eine Visualisierung mit Tausenden von Menschen am selben Ort und in Verbindung mit anderen Orten der Welt, potenziert sich diese Kraft, um Veränderung zu bewirken.

Den Frauen im Gefängnis wurde die Empfehlung gegeben, die Visualisierung zeitgleich mit den tausenden Menschen auf dem Marktplatz zu machen und sich somit zu verbinden.
Auch an die Frauen, die nicht am Workshop teilnahmen, wurde der Visualisierungstext und eine Geschichte, die Mut macht, verteilt.

Die Frauen, die am Workshop teilnahmen, sagten in der Abschlussrunde, dass sie das Thema Wertschätzung mitnehmen. „Man sollte sich selber mehr wertschätzen.“

Mit vielen Anregungen, auch für den Gefängnisalltag, gingen sie wieder zurück in ihre Zelle.

Zur Person: Edda Lorna ist Zufriedenheitscoach, Kulturwissenschaftlerin M.A. und Tanztheaterpädagogin. Seit 23 Jahren leitt sie verschiedene Theatergruppen. „In meiner Arbeit als Tanztheaterpädagogin und Zufriedenheitscoach wirkt genau diese Kombination von imaginären Inhalten und der Körperlichkeit des Tanzes nachhaltig in den verschiedenen Bewusstseinsebenen. Jede Person wird mit Wertschätzung und Zuversicht in ihren individuellen Qualitäten gefördert. Das Resultat ist verblüffend: Eine weiter entwickelte Persönlichkeit, mehr Selbstwirksamkeit und Bewusstheit, eine bessere Handlungskompetenz und eine damit verbundene weitaus höhere Lebenszufriedenheit.“ Mehr auf ihrer Website

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Gastbeitrag
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