Leiben

DSCN1967Der Mensch lebt nur, sofern er leibt. Das Wort verdanke ich dem Denker Martin Buber. Und es bekundet eine stille Wahrheit, die dieser Tage oft erschütternd ihre Dringlichkeit verrät: Es gibt kein Menschenleben ohne Leib. Das Leben ist konkret und es immer inkarniert. Zumindest, insofern wir sterblich auf der Erde wandeln, leiben wir in Fleisch und Blut. Das Leiben ist das Wesen des konkreten Menschen. Als Leiber sind wir da – und zwar genau dort, wo der Leib ist. Nicht irgendwo in digitalen Welten, sondern an einem je bestimmten Raum zu einer je bestimmten Zeit. Wir hatten das womöglich schon vergessen. Nun werden wir daran erinnert. Von den Millionen Leiber jener Menschen, die nun als Flüchtlinge in unseren Ländern leiben.

Es sind Leibhaftige, die zu uns kommen. Nicht Zahlen sind sie, nicht Faktoren, nicht Probleme. Sie sind konkret und nicht abstrakt. Sie sind auch keine Datensätze, die man löschen oder auf andere Speicherplätze verschieben könnte. Sie sind keine Waren, mit denen sich Handel treiben ließe, sie sind noch nicht einmal Verbraucher oder Konsumenten. Sie sind beseelte Leiber, die sich nähren müssen.

Wissen wir überhaupt noch, was das heißt? Können wir diese Menschen überhaupt noch als das gewahren, was sie in Wahrheit sind?

Wie leicht ist es, das Leiben auszublenden! Wie leicht ist es, den Leib zum Körper umzudeklarieren und zum Instrument des freien Willens zu ernennen – zu einer Sache, die das Ich gebrauchen und benutzen kann; und notfalls reparieren oder technisch aufrüsten, sofern das Ich sich solches leisten kann. Das alles hat mit der einfachen Tatsache des Leibens nichts zu tun. Es hat mit der einfachen Tatsache des Lebens nichts zu tun. Allein dafür, dass sie uns ungefragt vor diese
Wahrheit stellen, sollten wir den Flüchtlingsmenschen dankbar sein.

Denn dieses Wissen tut uns allen Not. Ein Leib ist mehr als nur ein Körper. Ein Leib ist inkarnierte Seele. Er braucht nicht nur Nahrung, Schutz und Pflege. Er braucht auch Zuspruch und Begegnung. Er braucht ein Du, das sich ihm zuleibt. Nicht dass die Flüchtlingsmenschen zu uns kommen, macht mir Sorge. Sondern dass sie in unserem Land so selten einem Du begegnen, das sie leiben lässt. Auch dort noch, wo konkret geholfen wird, erscheinen sie zu oft als Dinge, die nun einmal zu versorgen sind. Was nicht getadelt werden soll, es geht mir nur darum, auf eines hinzuweisen: Die Flüchtlingsmenschen kommen nicht allein als Nehmende zu uns. Sofern sie (b)leiben sind sie immer auch die Gebenden – sie können uns die Einsicht geben, was es bedeutet, Mensch zu sein.

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Spendenaufruf – nicht tatenlos zusehen: Um notleidende Menschen in Griechenland finanziell zu unterstützen, haben der Philosoph Dr. Christoph Quarch und der Archäologe Dr. Wolfgang Hautumm eine Hilfskampagne gestartet. Unter dem Motto „Wir helfen Hellas“ wollen die beiden Fuldaer Geld sammeln, um von der Euro-Krise betroffene konkrete Projekte, Familien oder Initiativen in Griechenland unbürokratische und schnelle Hilfe leisten zu können. Die ausgewählten Projekte kennen die Initiatoren von ihren vielfältigen Seminarreisen nach Griechenland und den dort gewachsenen Kontakten mit den Einheimischen.
„Ich mag nicht länger tatenlos zusehen, wie unsere europäischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern von starrsinnigen Politikern ins Elend gestürzt werden“, erklärt Quarch sein Anliegen. Gleichzeitig wolle er nicht, dass die „tapferen und freiheitsliebenden Griechen an die Kette ‚humanitärer Hilfen‘“ gelegt werden. Vielmehr gehe es ihm darum, „ein Zeichen gefühlter, menschlicher Solidarität zu geben“. Als Kenner der griechischen Philosophie wisse er, dass die griechische Kultur und Weltsicht für Europa von ungebrochener Bedeutung ist.

Wichtig ist den Initiatoren, dass mit den gesammelten Mitteln konkrete Hilfe geleistet wird. „Wir stehen dafür, dass jeder Cent bei denen ankommt, für die
er bestimmt ist“ versprechen sie potenziellen Spendern. Welche Personen und Projekte welche Unterstützung erhalten, werde auf der Internetseite der Initiative dargestellt. Auch kleine Beträge würden dankbar entgegengenommen werden und können auf das

Konto Dr. Christoph Quarch „Wir helfen Hellas“ Sparkasse Fulda,
IBAN DE 19530501800047428016 SWIFT-BIC HELADEF1FDS
eingezahlt werden.
Spendenbescheinigungen können nicht ausgestellt werden, da es sich hier um eine private Initiative handelt. Dadurch werden
die Kosten für die hiesige Bürokratie gespart und somit auch der deutsche
Steuerzahler nicht belastet. Weitere Informationen: www.wir-helfen-hellas.de

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