Fragen ohne Antworten: Stolz sein

Lesezeit 3 Minuten –

Gestern war ich beim Friseur, Strähnchen machen lassen. Um mir die Wartezeit zu verkürzen, las ich die Vogue. Zum Schluss – meine Haare leuchteten schon frühlingsschön – wollte ich gar nicht wieder gehen. Es gab so viele spannende Artikel über so viele engagierte Menschen, wie ich sie in der Vogue gar nicht vermutet hätte. Unter anderem gibt es dort eine regelmäßige Kolumne mit dem Titel “Fragen ohne Antworten”, in der berühmte Menschen eine Reihe Fragen stellen, um uns – die Leser – anzuregen, unsere eigenen Antworten zu finden.

Beim Einwirken der Farbe hatte ich viel Zeit und so begann ich, mir alle Fragen in Ruhe durchzulesen und zu beobachten, was sie in mir bewirkten. Es war beeindruckend! Besonders eine der etwa 20 Fragen berührte und inspirierte mich stark – und deshalb möchte ich sie an euch weitergeben.

Die Frage lautete in etwa so: „Würde dein jüngeres Selbst stolz auf dich sein, wenn es sehen könnte, wie du jetzt lebst?”

Ich las sie mir innerlich selbst vor, und dann saß ich mit geschlossenen Augen im Friseurstuhl, die Folienstücke für die Strähnchen im Haar, und versetzte mich in die Zeit Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre, als ich noch sehr jung war. Wie eng damals alles war! Wie sehr der Schock des gerade vergangenen Krieges allen noch in den Knochen steckte! Wie sehr wir uns alle bemühten – zu überleben, etwas Wohlstand aufzubauen, alles richtig zu machen…

So zu leben, wie ich es jetzt tue –

– das war einer meiner größten Träume! So groß, dass ich mir gar nicht erst vorstellte, er könnte sich jemals verwirklichen.
In jenem Traum lebte ich meine Kreativität, ich war frei, hatte Freunde, die ebenfalls ein freies, individuelles Leben suchten, die sich künstlerisch verwirklichten, die sich entwickelten, die ehrlich waren und leidenschaftlich…
Das war ein toller Traum, und ich weiß, ich träumte ihn auch für meine Mutter und für meinen Vater, die beide gar keine Chance gehabt hatten, jemals jugendlich, frei, wild zu sein.

Und dann sah ich mich jetzt, als erwachsene Frau mit kindlicher Seele, ich sah meine Power, meinen Mut, mein sich ständig wandelndes, lebendiges Leben. Ich sah die vielen einzigartigen Menschen, die meine “Familie” geworden sind. Und ich sah die Liebe, die ich häufig komplett übersehen hatte, aber die einfach da war, jeden Tag, in mir, in anderen … Und mir traten dort, mitten im Friseursalon, die Tränen in die Augen.
Mein Gott, war ich stolz auf mich!
Ich war so stolz – und ich spürte, wie ein tiefer, verborgener Teil von mir erleichtert aufseufzte: Wenn ich damals gewusst hätte, was für Möglichkeiten mir das Leben bieten würde. Wie großzügig es zu mir sein würde! Wie es mir selbst in den allerschwersten Momenten stets Geschenke geben würde!
Ich hätte mir all die vielen sorgenvollen Gedanken und Ängste ersparen können…

Und ich dachte: Diese Übung sollte jeder ab und zu machen!

Also: Findet euren eigenen Stolz auf euch!
Erlaubt euch zu entdecken, was ihr alles geleistet habt in eurem Leben. Erlaubt euch, stolz und dankbar zu sein… Allein schon dafür, dass ihr lebt, dass ihr atmet, dass ihr das hier lest, dass ihr Interesse an Kreativität, an Lebendigkeit, an einem mutigen, wahrhaftigen Leben habt…

Klopft euch dafür auf die Schulter, dass ihr euch auf dieses “Abenteuer Leben” einlasst, jeden Tag aufs Neue, mit allen Konsequenzen (selbst wenn der innere Kritiker manchmal meckert, ihr könntet irgendetwas noch besser machen. Er wird IMMER etwas zu meckern finden)!

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Paro Bolam
Paro Bolam

Paro Christine Bolam erforschte, lehrte und lebte Kreativität - die Kunst, im Fluss zu sein. In ihrem Atelier für Worte & Farben am Staffelsee gab sie Kurse in Intuitivem Malen, Kreativem Schreiben und Meditation. Die Verbindung von schöpferischer Freiheit und Achtsamkeit beim kreativen Tun und im täglichen Leben lag ihr zutiefst am Herzen. Von 2011 bis 2017 veröffentlichte sie als Partnerin der newslichter viele wundervolle Beiträge. Am 7.5.2024 hat sie Planet Erde verlassen. Danke und gute Reise.

4 Kommentare

  1. Danke für den schönen, berührenden Artikel – auch mir kamen heute Morgen Tränen in die Augen. Und der Blick nach innen hat mich stolz gemacht. Herzlichen Dank

  2. Herzliches hallo ! Ich habe berufsbedingt (Modedesignerin) viele alte VOGUE und MADAME (ein ähnliches Niveau) aufbewahrt und das nicht nur auf Grund inspirierender, fantasievoller (und positiver) Fotos, sondern teilweise auch auf Grund einzelner Beiträge — die man in dieser für die Sinne lebensinspirierenden Form mit so tollen Anregungen und / oder Gedanken in keinen anderen Zeitschriften findet ! DANKE für den Beitrag und GLG ! Andrea

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