Der Zauber des Orients in der Rumiform

Lesezeit 3 Minuten –


Von Anne-Elisabeth Seevers. 
„Siehe, ich werde immer bei dir sein, bedeutet, wenn du nach Gott Ausschau hältst, ist Gott im Blick deiner Augen, im daran Denken, dass du schaust, dir näher als dein Selbst oder Dinge, die dir widerfahren sind.“ 
Diese Zeilen gehören zu einem Gedicht von Mevlana, hierzulande eher bekannt als Dschellaluddin Rumi, dem großen Sufi-Lehrer, Mystiker und Dichter aus dem 13. Jhd.
 Sein Name Rumi ist abgeleitet von der Stadt Rum in Anatolien, das damals unter byzantinischer Herrschaft stand, wo er die meiste Zeit seines Lebens verbracht hat.

Die Bezeichnung Rumi findet sich auch bei einem der am häufigsten verwendeten Grundelemente der islamischen Kunst, deren Werke mich ebenso tief berührt haben, wie die Gedichte Mevlanas. Die Rumiform umfasst eine Vielzahl verschiedener blattähnlicher Strukturen, die in den Werken die Tierwelt repräsentieren, meist in der Form stilisierter Flügel. Im osmanischen Raum wurden sie besonders von den Seldschukken häufig verwendet, die ebenfalls in Anatolien ansässig waren.

Kunsthistorisch werden diese Arbeiten der islamischen Kunst als Illuminationen bezeichnet, abgeleitet von den Vergoldungen und Verzierungen, die die Texte „beleuchten“.

Diese Illuminationen bedeuten allerdings viel mehr als nur ein schmückendes Beiwerk zum Text: wohl geplante Geometrie, die Endlosigkeit der Linien und die ständig wiederkehrenden Tier- und Pflanzenmotive, eingebettet in ein harmonisches Ganzes, sind aus einer tiefen Symbolik heraus entstanden, die die Einheit von Himmel und Erde widerspiegelt.

Meine Liebe zum Malen und Zeichnen hat schon in der frühen Kindheit begonnen. Doch dann hatte ich noch eine weitere Neigung früh entwickelt, nämlich den Drang heraus zu finden, was das Leben ausmacht und was die Welt im Innersten zusammenhält. Diese Neigung hat mich zunächst durch eine naturwissenschaftliche Ausbildung und ein Studium geführt. Das war der analytische Weg.

Doch schließlich wurde mir klar, dass es hier für jede Antwort zehn neue Frage und letztlich keine Lösung gibt. Aber da ist noch ein anderer Weg, und der ist zutiefst individuell und subjektiv. Im Betrachten der alten Meisterwerke kann sich mehr Erkenntnis über das Universum entfalten, als in einer wissenschaftlichen Abhandlung. Und im Malen entfaltet sich noch eine weitere Dimension!

Diese Illuminationen sind ein Spiegel unserer Welt und unseres Lebens. Wir alle sind eingebettet in ein Netz aus Harmonie und Regelmäßigkeit. Rhythmen wie Herzschlag und Atmung durchströmen unser Inneres. Der Wechsel von Tag und Nacht, die Jahreszeiten, die noch größeren kosmischen Rhythmen umgeben und bewegen die Erde. Eine endlose Vielfalt von feinen Mustern durchzieht die ganze Natur, vom Aufbau der Kristalle über die Struktur der Pflanzen bis zur Ausformung der Landschaften. Wie viel nehmen wir im Alltag überhaupt davon wahr? Ist es leichter das Alltägliche zu erkennen, wenn es ganz aus seinem Zusammenhang herausgenommen ist?

Zu Anne-Elisabeth Seevers: Die Begegnung mit Ilona Klautke, die in Istanbul bei Prof. Ünver und an der Malschule im Top Kapi-Palast studierte, bildete für mich vor etwa 25 Jahren den Einstieg in diese spezielle Kunstrichtung. Dazu kamen viele Reisen in die Türkei, unter anderem auch in das Atelier von Mehmet Gürsoy in Kütahya und nach Algerien. Seither gab es zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland, außerdem Malkurse und Workshops an verschiedenen Orten.

Jetzt ist ein Buch mit aktuellen Arbeiten neu herausgekommen, die frei entwickelte Kalligraphien enthalten, in Verbindung mit Textauszügen und Gedichten (natürlich von Mevlana, von Rilke Kafka, Ouspenky u.v.a.). Hier gibt es einen Blick ins Buch.
Zu beziehen bei Anne-Elisabeth Seevers für 29 € + Porto oder in einigen Geschäften des Hamburger Buchhandels.

Weitere Informationen gibt es hier: www.ornamentis.de

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Gastbeitrag
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3 Kommentare

  1. Ein faszinierendes Buch, Albert hat recht, ich besitze zwei Exemplare. Da bewegt sich jemand mit unglaublicher Präzision und Detailvirtuosität in einem – den meisten von uns fremden – Kulturkreis. Ein Epigone? Nein, jemand, der im fortschrittlichen Geist unserer Zeit arbeitet, im Bewußtsein, daß die westlich bestimmte – oder gar eurozentristische – Epoche der Kunst zu Ende ist. Daß sich die Kunst, genau wie Handel und Produktion, globalisiert hat – und daß das keineswegs immer zum Schaden der eigenen Tradition geschieht. Da der spirituelle Urgrund überall der gleiche ist – die Quellen der schöpferischen Arbeit in gleicher Weise sprudeln – kann ein Künstler, der diese Tiefe erreicht, überall andocken. Diese Künstlerin kann es ! !

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