Lebe

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„Fang an zu leben. Du stirbst.“ – Veit Lindau
Von Claudia Shkatov. Ich sitze im Zug von Berlin nach Stralsund auf dem Weg zu meiner Mutter. Sie ist gestern Abend per Notarzt ins Krankenhaus gekommen. Und ich hatte eine unruhige Nacht. Mir wird schmerzlich bewusst, wie wichtig meine Eltern für mich sind. Wie oft bin ich zu beschäftigt, um zu ihnen zu fahren oder ihnen einfach nur mal entspannt, mit Zeit und Präsenz am Telefon zuzuhören.

Vieles ist mir durch den Kopf gegangen, seit der Anruf ihrer Freundin kam, die glücklicherweise rechtzeitig den Krankenwagen rief. Meine Mutter wurde 1940 geboren. Mich brachte sie als ihr erstes Kind 25 Jahre später zur Welt. Am 1. Juli 1958, also 18 Jahre nach der Geburt meiner Mutter und 7 Jahre bevor ich zur Welt kam, trat in Deutschland das Gleichberechtigungsgesetz in Kraft, nach dem Frauen zB das Recht erhielten, ohne die Erlaubnis ihres Ehemannes oder Vaters einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben und ein Bankkonto zu eröffnen. Außerdem durften sie nun von ihnen in die Ehe eingebrachtes Vermögen selbst verwalten. Ebenfalls seit 1958 können Frauen in eigener Entscheidung einen Führerschein machen. Bis zum 1. Juli 1977 durfte eine Ehefrau dann berufstätig sein, wenn es nach Einschätzung des Ehemannes mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar war. Gleichzeitig galt ein väterliches Entscheidungsrecht in allen Erziehungsfragen und eine gesetzliche Versorgungspflicht des Ehemanns gegenüber seiner Frau und seinen Kindern.

Die Frauen vor mir

Ich blicke auf das Leben meiner Mutter zurück, soweit ich es überblicken kann. Und ich sehe einen langen Lebensweg als Ehefrau, Mutter, Schwiegertochter, Tochter, Schwester und auch als geschiedene Frau. Meine Mutter hat ein gutes Leben. Ihr wurde immer vieles geschenkt. Und bis heute fliegen ihr die Herzen von Menschen, Tieren und allem, was lebt, zu. Insgesamt hatte sie es nicht leicht damit, in den traditionellen Rollen und mit den Pflichten zu leben, die ihr als Frau von Familie und Gesellschaft zugedacht waren. Sie wollte lieben und träumen. Und sie wollte ihren Rollen gerecht werden und ihre Pflichten erfüllen. Sie wollte es gut machen. Und sie wollte alle, insbesondere ihren Mann und ihre Kinder glücklich machen. So hatte sie es von ihrer Mutter gelernt. Und diese wiederum von meiner Urgroßmutter. Und ich bin ihr unendlich dankbar dafür, wie sie mich und auch meine Kinder voller Liebe, Wärme, Spiel, Weisheit und mit unermüdlicher Tatkraft bis heute begleitet.

Die Mutter meiner Großmutter war eine stille, ernste Frau und Ehefrau eines Bürgermeisters, die auf allen Familienfotos stets mit kerzengeradem Rücken und ohne sich jemals anzulehnen saß. Sie ließ meine Mutter und meine drei Tanten täglich eine Stunde mit einem Stock im Rücken eine aufrechte Haltung trainieren. Und meiner Mutter brachte sie bei, niemals aus vollem Halse zu lachen. In ihren Augen war ein weit geöffneter Mund bei einer Frau nicht schicklich. Zum Glück hat meine Mutter sich nicht ihr Leben lang daran gehalten ;-). Über die Träume meiner Urgroßmutter weiß ich nichts.

Meine Großmutter, die heute 111 Jahre alt wäre, heiratete für ihre Zeit sehr spät. Sie war lieber mit ihren vielen männlichen Freunden auf ihrem Segelboot oder auf Skitouren in den Bergen unterwegs. Ihr Traum war es, auf einer Farm in Afrika zu leben. Ihre Eltern schickten sie auf eine Hauswirtschaftsschule. Zu Beginn des zweiten Weltkrieges empfing sie dann bestens vorbereitet für ihre Aufgaben in Haushalt, Gesellschaft und Familie Hand und Herz meines Großvaters. Sie brachte vier Mädchen zur Welt. Die Familie überlebte die Wirren des Krieges. Meine Großmutter erschuf sich in der Nähe des Drachenfels’ am Rhein einen riesigen Garten, einen reich gefüllten Vorratskeller und einen Stall voller Tiere. Gleichzeitig spielte sie perfekt ihre Rolle als Gastgeberin und Dame der Gesellschaft im Rahmen aller beruflichen Verpflichtungen ihres Mannes. Mein Großvater baute ihr ein Schwimmbad in ihrem Garten. Solange ich denken kann, erinnere ich sie kochend, backend und in ihren Beeten wirkend. Jeden Morgen, bevor alle anderen aufstanden, ging sie schwimmen. Und wenn sie mal stillsaß, dann strickte sie wollene Unterhosen für ihre zehn Enkelkinder. Meine Großeltern haben sich sehr geliebt und ein langes gemeinsames Leben in großem Wohlstand genossen.

Innere und äußere Welt in Einklang bringen

Als ich soweit war, folgte ich dem Beispiel meiner Ahninnen. Scheinbar ist meine Geschichte ganz anders und viel freier. Ich wurde in eine Gesellschaft und Zeit hineingeboren, in der Frauen offiziell sicher und gleichberechtigt sind. Ich habe studiert, bin gereist, lebte und arbeitete im Ausland. Meinen Beruf, meine Arbeitsplätze und selbstverständlich meine Liebespartner konnte ich frei wählen. Im Jahr 1994 heiratete ich. 14 Jahre später, am 11. Mai 2011, erlies der Europarat seine Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.   Die Durchsetzung von Gesetzen gegen häusliche Gewalt wurde seitdem zum Standard der Politik in allen westlichen Ländern.

Bei aller offiziellen äußeren Freiheit – unser Erbe lässt sich nicht leugnen. Auch in meiner Familie gab es häusliche Gewalt. Auch ich bin mit engen Vorstellungen davon aufgewachsen, was eine Frau sein soll, was sie darf, kann und was nicht. Und ein Mann. Doch das hatte mit der Frau und dem Wesen, das ich tatsächlich bin und sein will, sehr wenig zu tun.

Was ich viel später erst erkannte: Mein Inneres war der äußeren sogenannten Emanzipation noch längst nicht gefolgt. Mein innerer Mann lebte als vor Kraft strotzendes riesiges Wesen wie in einem engen Aquarium sitzend ohne jede Chance, wirklich mit irgendetwas in Kontakt zu sein oder wahrhaft atmen zu können. Meine innere Frau existierte neben dieser eingesperrten und abgewandten männlichen Kraft als kleines verängstigtes Mädchen, das immer nur aus dem Untergrund agierte und keine Stimme hatte. Sie sehnte sich nach dem Mann und gleichzeitig verachtete sie ihn aus tiefster Seele für sein Abtauchen und seine Unfähigkeit mit ihr in Kontakt zu sein.

Es kam der Moment in meinem Leben, an dem sich meine innere Frau endgültig vom inneren Mann abwenden wollte. In diesem Moment erwachte er aus seiner Starre, stand auf aus dem Aquarium und wandte sich ihr zum ersten Mal wirklich zu. Von nun an begann meine innere Frau zu wachsen. Mein innerer Mann und meine innere Frau begannen langsam, sich auf einander zuzubewegen. Ihr Herz war berührt von diesem männlichen Wesen, das plötzlich bereit war sich in seiner ganzen Verlorenheit aufzurichten und zu zeigen. Sie war nun ihrerseits bereit, ihn wahrhaft zu sehen, ihn von ganzem Herzen anzunehmen und zu nähren. Und er wünschte sich nichts mehr, als sich ihr mit seinem ganzen Sein zu geben und sie von Herzen, mit all seiner Kraft und Liebe zu halten und zu schützen.

Wie steht es um die Beziehung zwischen dem Mann und der Frau in Dir?

Die Welt ist ein Spiegel

Den meisten Menschen ist es nicht bewusst. Doch das ändert nicht an der Tatsache, dass in jedem von uns Animus und Anima, als Archetypen männlicher und weiblicher Energie in irgendeiner Form von Ko-Existenz leben und wirken. Damit wir sehen können, in welcher, hält uns das Leben einen Spiegel vor und gibt uns die Chance zu erkennen und bewusst neue und authentische Entscheidungen für unser Leben und unsere Beziehungen zu treffen. Dann kann Freiheit beginnen. Die besten Spiegel sind unsere Beziehungen zu anderen Menschen. Je näher wir uns kommen, umso detailgenauer gelingt die Spiegelung.

„When male and female combine, everything falls into place.“ Dies ist ein Zitat von Lao-Tse. Mir kommt es ganz oft in den Sinn. Es scheint mir der Schlüssel zu sein für alle Probleme dieser Welt. Für mich klingen diese Worte wie ein „Sesam-öffne-Dich“, ein magischer Zauberspruch, der alles, was er berührt, heilt.

Unsere Vorfahrinnen, unsere Urgroßmütter, Großmütter und Mütter haben den Weg bereitet für uns Frauen, die wir heute leben. Sie haben Kriege, Hunger, Flucht, Ohnmacht und Not erlebt. Sie haben sich gefügt, gebeugt und durchgehalten. Meine Großmutter nannte das „parieren“. Sie und unsere Vorväter haben gekämpft, hart gearbeitet und überlebt, damit wir heute leben können.

Lasst uns unser Erbe annehmen und unsere Vorfahren ehren, indem wir aus vollem Herzen leben. Jetzt.

Die Zeit des Kämpfens und Überlebens ist vorbei. Sie weiß es nur noch nicht.

Heute geht es darum, die Welt als den Spiegel zu begreifen, der sie ist, und mutig und standhaft uns selbst im Anderen zu begegnen, zu erkennen und zu lieben.

  • Was ist Deine tiefste Wahrheit in diesem Moment?
  • Bist Du ganz da und in der vollen Verantwortung für Dein Leben?
  • Was sagen Deine Handlungen über Deine Prioritäten aus?
  • Wer in Deinem Leben fühlt sich von Dir zutiefst verstanden und gesehen?
  • Lebst Du Dein Genie?
  • Bist Du dankbar?
  • Nimmst Du Deinen Körper von innen wahr?
  • Bist Du noch neugierig, oder weißt Du schon alles?
  • Wie gut bist Du in Kontakt mit Deiner Seele?
  • Welche Fragen wagst Du Dir nicht zu stellen?

Lebe ☺

Heute ist mir klar geworden: Seit langer Zeit habe ich die Gabe, die Berufung eines Menschen zu erspüren. Und Fakt ist, dass ich diese Gabe bisher nur so nebenbei und nicht ganz ausdrücklich an andere Menschen weitergebe. Daher beginne ich heute damit, es zu tun.

Ab sofort biete ich eine Guidance Berufung an. In einem ersten Schritt erspüre ich intuitiv Deine Aufgabe. Im zweiten Schritt erarbeite ich mit Dir erste konkrete Schritte zur Umsetzung in Deinem Leben.

Wir arbeiten 120 Minuten per zoom oder persönlich. Der Ausgleich beträgt 222,- Euro.

Anmeldung unter cs@blissbow.de

– Herzenshörerin – Trainerin – Autorin
www.blissbow.de

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4 Kommentare zu “Lebe
  1. Karin sagt:

    „Die besten Spiegel sind unsere Beziehungen zu anderen Menschen. Je näher wir uns kommen, umso detailgenauer gelingt die Spiegelung.“

    Das ist esoterischer gefährlicher Blödsinn.Die Welt ist auch kein Spiegel aber im Sinne der Synchronizität gelingt es dir leichter gewisse Zusammenhänge in deinem Leben zu erkennen wenn du die Stimme deiner Seele nicht deutlich hören kannst.

  2. Melanie sagt:

    Vielen Dank.
    Da ist in kürze so vieles an Informationen, wo ich aus meiner Sicht und Erfahrungen nur bejahend zustimmen kann.
    Die Ahnenthematik und somit auch kollektiven Informationen, die so viel Einfluss haben.
    Die Spiegelungen, die uns so sehr zu uns kommen lassen, wenn wir sie bewusst lesen, deuten und annehmen können.

    Zu sehen, verstehen und auszugleichen dieser Energien lässt immer mehr Frieden entstehen. In dem Moment, wie wir all das als ein Teil von uns verstehen.

    Mögen so viele den heilsamen Weg der inneren wie äußeren Beziehung für sich erkennen und leben, sodass die Energien des weiblich und männlich wieder in ihren Uressenzen gelebt werden können und verbunden.

    Aus eigener Sicht habe ich die Erfahrung gemacht wie viele und tiefe Verletzungen und Glauben darin liegen, vor allem im verborgenen was Stück für Stück gesehen und gehoben werden will.

    Danke Dir für Deine beschriebenen Erfahrungen und Geschichte.

    Alles Liebe

  3. Claudia sagt:

    Wieder einmal (es fiel mir in verschiedenen Medien schon mehrfach auf) wurde durch die Autorin nicht differenziert zwischen der Gesetzlage in der BRD und der DDR. Es wird von Deutschland geschrieben. Es lohnt sich, die Unterschiede wahrzunehmen, die es per Gesetz für Frauen und Männer gab. Sei es das nicht vorhandene eigene Konto, Erlaubnis zum Arbeiten beim Mann einholen ect. Diese Form der Abhängigkeit gab es so in der DDR nicht. Da waren Frauen durch Arbeit und Familie eher doppelt belastet.

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