Sternenklar

Von Claudia Shkatov. Eigentlich wollte ich als nächstes etwas von der Liebe schreiben. Und nun tue ich das auch. Sie kommt heute nur nicht so strahlend daher, wie ich dachte. Ich hab mich am Freitag Morgen auf ein paar Gefühle eingelassen, die ich selten zulasse. Zum Glück war dies für mich ein Tag ohne Termine. Ich war im Garten und hatte nicht nur Zeit sondern auch noch Sonne. Und so hab ich mich dann auf eine Bank hinter unserem Komposthaufen gesetzt, wo mich niemand sehen konnte, und hab aus vollem Herzen geweint. Nach all der Veränderung, dem Neuen in diesem Jahr und dem Loslassen, das damit auch einhergeht, den vielen Geschenken und dem herrlichen feedback meiner Umgebung zu meiner Arbeit und meinen neuen Projekten, tauchte ganz früh morgens ein Teil in mir auf, der sagte „Du Versagerin. Das bist Du gar nicht. Du bist viel kleiner als das, was Du da vorgibst zu sein. Du bist nichts als fake. In Wahrheit hast du Angst. Du machst so viele Fehler. Und tatsächlich, wer weiß, ob Du das alles überhaupt schaffst. Es gibt außerdem andere, die viel besser sind als Du…..

„

Ich hab diesen Teil endlich mal weinen lassen. Er war auch nicht mehr zu stoppen. Und alles, was mir Halt gab, war die Tanne neben mir, die ich mit einer Hand gestreichelt habe, um irgendwie wach und geerdet zu bleiben. Und als die Tränen weniger wurden, hab ich mich eine Weile selbst umarmt, weil mir nichts Besseres einfiel. Mir kam dabei eine Erinnerung aus meiner Kindheit in den Sinn, als meine Schwester und ich abends wie die Wilden ausgelassen vor unseren Zimmern durch den Flur tollten, kreischend und auf unseren Schlafanzughosenböden herumrutschend. Wir waren hemmungslos lebendig und laut. Zweimal kam mein Vater, und ermahnte uns, dass wir jetzt endlich still sein und ins Bett gehen müssten. Doch wir waren nicht zu stoppen. Beim dritten Mal war er nicht mehr zu stoppen und versohlte uns beiden den nackten Hintern. Dann waren wir still.

Ich war vielleicht 6 Jahre alt, meine Schwester 4. Das war sch*****, Papa. Und als Mutter von drei Söhnen weiß ich genau, wie wenig innere Kapazität manchmal da ist, um nach einem langen Tag abends noch Lärm zu ertragen. Und da ich mich auch nur an ein einziges Mal erinnern kann, dass mein Vater so reagierte, hab ich ihm nie dafür gegrollt. Und darum geht es auch gar nicht.

Es ging heute darum, den total ungeliebten Energien in mir, dem Selbstzweifel, der Scham und der Kleinheit Raum zu geben und sie zu umarmen.

Und ich möchte mit Dir teilen, wie gut mir das tat. Und ich möchte auch mit Dir teilen, wie gut es tat, mich währenddessen in meinem Frauenkreis über unsere WA Gruppe in einer Sprachnachricht so klein und schwach und schluchzend zu zeigen.

Und während ich Dir jetzt schreibe, spüre ich die Erleichterung darüber, mich auch Dir damit  offen zeigen zu können. Jetzt erinnere ich mich, wie unangenehm es mir immer war, wenn meine Mutter mich als Kind und bis heute ständig hochlobte und mir sagte, dass ich sowieso immer alles schaffe und toll hinkriege. Ich wollte das nie nehmen. Es kam mir nicht ehrlich vor. Ich bin nicht immer nur toll und groß und stark. Ich bin auch klein, ängstlich, zweifelnd, neidisch, vergleichend und kraftlos. Und vieles mehr.

Und ich erinnere mich daran, dass ich schon immer als das älteste Kind in der Familie die Rolle hatte, für alle anderen stark zu sein und anzuführend. Ätzend!

Hach, und ein Glück, ich darf auch klein und schluchzend sein. Und ich habe inzwischen die innere Kapazität, um mich selbst in diesen Momenten zu halten. Und ich habe die Kreise an Halt und Liebe um mich herum, die auch in solchen Momenten für mich da sind. Denen ich nichts vortanzen muss. Und die mir noch näher kommen, wenn ich auch in dunklen Momenten bereit bin, echt zu sein. Und überhaupt will ich niemandem mehr irgendetwas vortanzen.

Es ist so viel schöner, echt zu sein. Am Morgen hatte ich mich noch dafür kritisiert, dass mein Freitag ein Tag ohne Termine war.  Dann sah ich das Geschenk, das ich und mein Alltag mir damit gemacht haben.

Mein Gefühl war plötzlich ein anderes. Ich fühlte mich sicher und gut aufgehoben. In mir. Im Leben. Und mit Dir :-). Und dann kam wieder ein Gedanke: „Oh, nein, bist du sicher, dass Du das veröffentlichen willst…???!!!“

Ja, bin ich. Und wenn Du heute oder in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten in die Dunkelheit tappst, und nicht weißt, ob und wem Du Dich darin zeigen kannst, dann schreibe mir gern im Kommentarraum oder direkt per e-mail. Ich antworte nicht immer sofort. Doch ich höre Dir zu und antworte ganz sicher. Du darfst sein, wie Du bist. Jeden Moment.

Es braucht Dunkelheit, um Sterne sehen zu können!

Danke, dass Du da bist und mir immer wieder auf diesem Wege zuhörst :-).

Von Herzen,

Claudia

Claudia

Claudia Shkatov

Herzenshörerin – Trainerin – Autorin
www.blissbow.de

 

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31 Kommentare zu “Sternenklar
  1. Sylvia sagt:

    Danke fürs teilen <3

  2. Tanja sagt:

    So erholsam – unverstellt und ehrlich. Von Herzen danke dafür!

  3. Alexandra Mitterbauer sagt:

    Claudia, sei aus tiefstem Herzen umarmt, mit tausend Dank für deine Zeilen und Gefühle. Was das ganze alte und neue Jahr nicht geschafft haben, nämlich das meine Tränen kommen können, haben deine Worte geschafft. Und es gibt in deiner Geschichte sogar fast die selbe Situation mit Schwester und Vater wie in meiner Kindheit. Ich sende dir von Herzen ein Licht in dein Herz und deine Seele. Wir sind WUNDERBAR ! Alles so wie wir sind.
    Sei umarmt, Alex

    • Claudia sagt:

      Liebe Alex, Deine Worte berühren mich sehr. In dem Film „Die Hütte“ fängt eine junge Frau, die den Heiligen Geist symbolisiert, die Tränen eines Menschen auf und sammelt sie, bis zu dem Moment, wo er aus seinem Leiden erwacht. In diesem Moment vergiesst sie seine Tränen auf das Grab seiner kleinen Tochter, deren Tod dieser Mensch nun aus einer größeren Perspektive heraus endlich annehmen kann. Und aus seinen Tränen wächst ein riesiger wunderschöner Baum.
      Fühl Dich von mir umarmt,
      Claudia

  4. Danke fürs teilen, gerade jetzt kommen viele alte karmische Verstrickungen zur Auflösung in Liebe. Unsere Tränen erweichen unser aller aller Herzen

  5. Sybille sagt:

    Danke!!!!!
    in Liebe und von Herzen Sybille

  6. Johanna sagt:

    Liebe Claudia,

    ich lese von Herzen gerne und (fast) täglich die newslichter und Deine Texte mag ich sehr. Dieser hat mich besonders berührt. Was Du schreibst, ist mir sehr vertraut und es tut gut, mich mit all den Menschen verbunden zu fühlen, die mit den gleichen Themen unterwegs sind und den Mut haben, sich damit zu zeigen.

    Von Herzen Danke für’s Teilen!
    Johanna

  7. Margit sagt:

    Danke für diesen mutigen Beitrag. Es tut gut, wenn sich jemand so verletzlich zeigt und sich seinen Gefühlen hingeben kann. Ich meine auch, für mich und meine Kinder immer stark sein zu müssen. Gestern hatte meine Tochter, 19, Geburtstag und ich leider emotional einen sehr labilen Tag. Es ist dann schwer für mich, mich zu zeigen, obwohl ja jeder merkt was los ist. Am liebste hätte ich mich zurückgezogen… Danke🙏

  8. Simone sagt:

    Von großer Schwester zu großer Schwester. Danke! Herzberührt, Simone

  9. Gerlinde Wolz sagt:

    So wohltuend dein Text Claudia. Danke. DeinText hat meine mich selbst kritisierenden Gedanken unterbrochen, sie dürfen sein, und gehen….
    und ein Lächeln möglich gemacht. 🙂

  10. Gabriele sagt:

    Liebe Claudia und liebe Frauen,
    allein schon die Reaktionen auf deine Schilderung, sie sind so überwältigend und mutmachend, als würde eine ungeheure gebundene Kraft sich endlich Raum schaffen und all die Vorstellungen von Schwäche und Kraft auf den Kopf stellen. Während ich das Wort Schilderung schreibe, fällt mir auf, was darin enthalten ist…und was da mit anklingt im Umgang mit uns selbst. Das Bild-Schild nach außen bewahren um sich zu schützen,aber was schützt man da eigentlich, ist da eine authentische Begegnung mit sich und anderen überhaupt möglich? Wie soll da Liebe fließen, nach der wir uns so sehnen? Wie wundervoll, dass du diesen Schritt getan hast und so weit und tief ausgeholt hast um das Wesentliche zu teilen.
    DANKE, darin wird deutlich, wie unglaublich viel Gutes, Schönes, Aufbauendes, Vertrauensvolles wir einander geben können.
    Herzgruß Gabriele

  11. Björn S. sagt:

    Danke für den Mut wie die Offenheit. Das hilft sooooviiiiiel weiter in dieser Zeitqualität.

  12. Gudrun sagt:

    Danke für deine Worte, liebe Claudia. Auch bei mir ist es so, dass sich gerade jetzt in den letzten Tagen viele alten Ängste und Emotionen nochmal genau zeigen, um gesehen und geheilt werden zu können. Aber es ist nicht leicht, das alles und seine Verletzlichkeit zu spüren und anzunehmen. Gerade mit der Verletzlichkeit hatte ich ein schönes, im Wortsinne starkes Erlebnis. In dieses Gefühl konnte ich richtig hineingehen, es war mir kostbar und dann spürte ich, wie eine ganz andere, neue starke und aufrichtende Energie vom Becken aus meine Wirbelsäule nach oben durchflutete, eine wahrhaftige Wirbelsäulenaufrichtung! Das war so deutlich, wow!
    Das Geschenk hinter der Verletzlichkeit…
    Wenn wir uns mutig auf solche ungeliebten Gefühle einlassen, bekommen wir ein Geschenk.
    Gudrun

  13. Bianca Odendahl sagt:

    Danke aus tiefstem Herzen für diese Berührenden Worte

  14. Saran sagt:

    Danke Claudia. Wichtig und mutig, dass du dich so offen gezeigt hast. Wir sind eine Familie. Da geht das. Ich ziehe mich im Moment immer mehr zurück; brauche so viel Zeit für MICH! Nach all den Jahren, in denen ich mich immer angepasst habe. Das tut mir so gut jetzt: in mein Tag hinein zu leben. Kommen, was kommen will. Mir nur mir. Und meiner allerliebsten Frau. An der Stelle, an der ich glücklich sein kann und will. Wo ich ALLES habe, was ich zu meinem Glück brauche. Ich danke dir und sende dir Liebe und Vertrauen. Und ich bedanke mich bei allen hier. Wir sind toll.

  15. Tine sagt:

    So wundervoll geschrieben und diese Gefühle aufzuschreiben und sie rauszuschicken um sie loszulassen, anderen Mut zu machen ist immer gut. Sich an der Tanne festzuhalten hat mir besonders gut gefallen.

    H e r z lichst Tine

    • Claudia Shkatov sagt:

      Danke, Tine!
      Die Natur ist immer die Wahrheit. An ihr kannst Du Dich immer festhalten und Dich selbst wieder zurückholen 🙂

  16. Miriam sagt:

    Wie immer es auch gefügt ist, ich weiß den Weg nicht, lese ich deine Worte, dein Teilen heute. Zwei Jahre später. Scheinbar später. Das ist so zeitlos wahr und reich, sich in Liebe verbunden zu erleben. ALLes da sein zu lassen und wahr sein zu lassen, was in mir lebendig ist. Liebe Claudia, ich dank dir von Herzen. Und das allerschönste ist mir: dieses Aha-Erlebnis, das mir aus deiner Schilderung entegenwuchs, wie es dir mir dem Lob deiner Mutter erging. Ich konnte solches auch nie nehmen. Es war mir fremd. Wen meinte sie nur? Diese Gefühle dazu kenne ich eweig. JETZT ist es durch dich wahr und da und verstanden, diese Anmutung und Seltsamkeit. Denn ich war, älstestes Kind, älteste Tochter nach meinem vor mir gestorbenen Baby-Bruder, eben auch immer mehr als das, was viele an mir lobten. Danke für die Feier der Unsicherheit, die auch in uns wohnt. Herzgrüße aus dem Jahr 2021

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