Neuanfang – neu anfangen

Foto: Evelin Rosenfeld

Es nun doch noch einmal Zeit, das Individuelle neben das Spirituelle zu stellen, ein paar Worte zu sagen zu dem magischen UND, das so wenige Menschen realisiert bekommen. Daß es nicht darum geht, das Ego zu verneinen – sondern zu verEinen.
 Das lernen wir nicht in der Schule. Das VerEinen läuft der Dressur unserer Zeit sogar entgegen – denn wer will heutzutage schon „das Gesicht verlieren“, „Grenzen hingeben“ oder den angestammten Platz verlassen?

Doch all dies geschieht – muß geschehen – für einen Neuanfang. Warum, wie das geht und wie des schönes Neues entsteht, darüber möchte ich in meinem heutigen Beitrag reflektieren.
Laß uns mit einem Spiel, einem Experiment beginnen: 
Hast Du Dich einmal mit Klängen und ihrer Wirkung befaßt?
 Hast Du das „Amen“ oder das „Om“ schon einmal richtig klingen lassen?

Im Yoga wird mit so genannten „Mantren“ gebetet. Diese Mantren kombinieren bestimmte Sanskrit-Silben, die zwar auch wörtliche Bedeutung haben – oft sind es Götternamen – deren Magie aber vor allem im Klang der Silbe liegt.
Im tantrischen Yoga erforschen wir die Wirkung dieser Silben auf bestimmte Chakren – und damit auf bestimmte Sinnesebenen.
 Das A im AAAAmen, im AAAAnfang, ist beispielsweise ein Klang, der laut ausgesprochen am deutlichsten im Brustkorb vibriert. Er vermittelt das Empfinden von Öffnung und ist mit dem Herzchakra assoziiert.
 Doch vor dem AAAAnfang kommt das Neu – ursprünglich NEEEEOOOO.
 Töne mal ein langes EEEE.

Wo vibriert das am stärksten?
 Welche Empfindung entsteht, worauf fokussiert die Wahrnehmung ?
 Bei mir – und bei vielen Mit-Yogis – spricht das E das Kehlchakra an, die Schwelle zwischen stofflicher und nichtstofflicher Welt, der Übergang zum Feinstofflichen, Ätherischen.
Das OOOO aus dem OOOOm oder eben NeOOOO hingegen vibriert im Wurzelchakra, bildet eine Art „Anker“, eine Verbindung zum Raum, in dem ich bin, zur Erde, die mich trägt.
 Schön, wie in dem Wort NEUANFANG also eigentlich schon die ganze Bewegung beschrieben ist, die es braucht…
… doch seltsam, daß die allermeisten Menschen den Neuanfang vermeiden und verhindern, bis er in ihr Leben einbricht.

Wenn der Neuanfang ins Leben einbricht

Jeder Mensch hat in seinem Leben wohl so zwei, drei Komplettzusammenbrüche.
Also nicht einen großen Ärger, der alles zum Kochen bringt oder einen Verlust, der lähmt: Nein, ich spreche von einem Punkt im Leben, an dem der ganze bisherige „Lebensentwurf“ nicht mehr trägt und wegbricht.
 Erinnerst Du Dich an eine solche Phase ? Erinnerst Du Dich an die Empfindungen und Gedanken in der Vorhut des Neuanfangs?
 Warst Du Familienvater und hast Dich in eine andere Frau verliebt? So richtig? 
Oder hat dein Geschäftspartner Dich kurzerhand vor die Tür gesetzt? 
Oder hat der Doc eine kleine Horrornachricht aus seinem Zauberhut gezogen?
… es gibt tausend Auslöser für einen Neuanfang – selten kommt er aus der freien Wahl. Dabei ist es nach meiner Auffassung klug, natürlich, lebendig, einen Neuanfang selbst zu wählen. 
Denn ein Neuanfang beinhaltet nicht nur Erweiterung auf allen Ebenen – neue Erfahrungen, Eindrücke, Möglichkeiten.

Die besondere Qualität des Neuanfangs liegt eher in der Nacktheit. In der Tatsache, daß Du Dich plötzlich an einem Ort, in einer Situation befindest, in der Du „nicht weißt“.
 Dieses bewußt erlebte „Nichtwissen“ aktiviert alle Sinne, dein ganzes Potential: Du bist wacher, empfindsamer, mutiger, zugänglicher … als in all den Jahren des Bekannten.
 Ich liebe diesen Zustand !
 Und deswegen wollte ich lernen, ihn herbeizuführen und immer wieder zu gestalten.
Dazu mußte ich die Angst davor abgelegen, nackt, neu, unwissend zu sein.

Nach der Nacktheit kommt das Spiel

Die Phase des Tastens, des Nichtwissens dauert mal länger und mal weniger lang.
Mancher Neuanfang trägt bereits einen Impuls, eine Richtung oder Idee in sich. Eine Verliebtheit. Ein faszinierendes Erlebnis, das nach tieferer Erforschung ruft. Eine alte Sehnsucht, die Dich endlich in Bewegung bringt …
… oft ist es jedoch ein zähes Warten und Suchen, in dem wir uns gefangen fühlen, bis dieser Impuls aus uns erwächst. Und weil ich diesen Vorgang schon immer faszinierend fand und immer wieder in meinem Leben angestoßen habe, kenne ich ein paar Dinge, die die Phase zwischen Abschied und Neuanfang etwas angenehmer gestalten, ja, sie sogar zum lebendigen Spiel mit deinen Möglichkeiten werden läßt.
 Das Wichtigste, glaube ich, ist, daß Du Dich deiner Nacktheit nicht schämst. Daß Du weder zurückgreifst auf Altbekanntes, das Dir das Gefühl gibt, „alles im Griff zu haben“ – noch Dich „schwach“ fühlst, nur, weil Du die Spielregeln zu einem Spiel noch nicht kennst, das gerade erst entsteht.
Diese Scham abzulegen bedeutet, zu vertrauen.

Dir selbst – daß Du dem Leben gewachsen bist und alle Fähigkeiten hast – auch wenn Du sie noch nicht kennst.
Vertrauen aber auch in deine Mitmenschen – das Wissen, daß Nacktheit und Authentizität Dich nahbar machen und die Zuwendung der Mitmenschen hervorrufen. Geschlagen werden nur die (scheinbar) Starken…
Vor allem aber Vertrauen in das Leben selbst, das so un-vorstell-bare Lösungen und Konstellationen bereit hält und bewiesen hat, daß es Dich immer wieder landen läßt.

Un-vorstell-bare Lösungen – das ist ein zweites Stichwort für meinen kleinen „Reiserucksack in den Neuanfang“: Viele Menschen machen schon in der Zeit des Abschieds – also noch vor der Nacktheit – den Fehler, sich vor-zu-stellen, wie sie in Zukunft weiter machen wollen. Meistens mündet das in einer ganzen Menge Anstrengungen und Enttäuschungen.
Mein Rat für den Neuanfang ist eher, das Neue entstehen zu lassen – unbedingt „unwissend“.
 Der Fokus geht eher nach Innen, dahin, wo Du liebst, dahin, wo Du glaubst. Dort liegen die Impulse, die sich in wunderbarer Art und Weise dann treffen können mit dem Strömen des Lebens, mit dem Unerwarteten und … Neuen.
 Und dann beginnt das Spiel. Dann beginnst Du, Puzzlesteinchen zu suchen, aneinander zu legen, zu verwerfen … und ein Bild entsteht, ein Gefühl – und Dynamik.

Evelin Rosenfeld

Wie geht das: Neuausrichtung ? Ist das lernbar ? 
Der Vorgang, den ich bis hierhin beschrieb, spiegelt eigentlich ziemlich deutlich den „Was Dir wirklich wichtig ist“-Prozeß wieder, mit dem ich seit fast zwanzig Jahren arbeite.


Was dann folgt und eher Inhalt der Jahresgruppe ist, erfordert dann eine ganz andere Qualität: In dem Moment, in dem Du Dich in deine Nacktheit, in dein „So-Sein“ eingefunden hast, dein unkonditioniertes Wesen klar wahrnehmend – und der erste Impuls beginnt, deine Aufmerksamkeit nach Außen zu wenden, setzt eine neue Phase ein:
Hier geht es um Wachheit, Kreativität, Ausrichtung und Disziplin.
 Und ja, das ist lernbar

Vielleicht hast Du ja jetzt Lust auf die anstehende Auszeit bekommen (10. – 24. August, mehr Info hier) oder auf die Jahresgruppe, die im März neu beginnt (mehr Info hier).

Auf ein Neues !

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