Das Schiff in der Spur halten

Foto: Sabrina Gundert

Von Sabrina Gundert. Ich sah die Welle kommen. Sah sie heranrollen, sich auftürmen, am Schiff zerbrechen. Vier Meter war sie hoch. So viel, wie jede weitere Welle nach ihr. Ich wusste inzwischen, dass das Schiff erbeben würde in dem Moment, in dem sich die nächste Welle brach, auch, wenn es wie ein Fels in der Brandung wirkte, mit seiner unglaublichen Höhe und den 2.000 Menschen, die auf ihm Platz fanden.

Während draußen der Sturm tobte und wir durch die Wellen fuhren, wurden drinnen im Speisesaal Teller und Gläser festgebunden. Menschen bewegten sich nur noch schrittweise an den Haltestangen entlang und als ich später nochmal kurz an Deck war, sah ich abwechselnd das komplette Meer oder den gesamten Horizont vor mir, als das Schiff auf und ab schunkelte.

Dieser Sturm, auf meinem Weg auf die Färöer Inseln vor zwei Jahren, hat mich zweierlei Dinge gelehrt: Wie heftig selbst ein großes Schiff erschüttert werden kann. Wie hilfreich es ist, einen Fixpunkt am Horizont im Blick zu behalten.

Schaue ich heute raus in die Welt, fühle ich mich manchmal wie in diesem Sturm auf dem Weg zu den Färöer Inseln. Da kommt von links eine riesenhohe Welle, dann eine von rechts. Es schaukelt und versucht mich umzuwerfen. Halte ich meinen Blick auf den Wellen, wird es mich ziemlich durchrütteln. Es braucht meinen Blick, der einen Punkt am Horizont fixiert, um klar auf Kurs zu bleiben. Wie ein Kapitän, der Richtung und Ziel kennt, um sicher im Hafen anzukommen.

Das heißt für mich und mein Leben: Eine Vision, der ich folgen kann. Eine Richtung davon, wie mein Leben aussehen soll. Was ich in ihm leben möchte. In welcher Welt ich leben möchte. Wozu ich beitragen mag. Was ich in die Welt bringen möchte. Trage ich solch eine klare Leitschnur in meinem Herzen, ist es mir möglich, zwar von den Wellen durchgeschüttelt zu werden, zugleich jedoch auf Kurs zu bleiben oder wieder zu diesem zurückzufinden.

Ich werde mir selbst zu meiner eigenen Leitschnur, mein Halt in stürmischen Zeiten. Indem ich mich ausrichte an etwas größerem (einem Ziel, einer Vision, einer inneren Haltung), finde ich meine Richtung und bleibe auf Kurs.

Auf dem Schiff damals habe ich die meiste Zeit des Tages damit verbracht, einen Fixpunkt am Horizont anzuschauen. Somit konnte ich bei mir bleiben und wohlbehalten auf den Inseln, hoch im Norden nahe Island, ankommen.

Ich wünsche dir von Herzen eine klare innere Spur in diesen stürmischen Zeiten, der du folgen kannst, mit einem Herzensgruß,
Sabrina.

PS. Auf dem Foto oben siehst du meinen Blick vom Schiff (vor dem Sturm) und den Rettungsring an Board (wurde nicht gebraucht :))

Sabrina Gundert – Foto Alexandra Stehle

Sabrina Gundert begleitet Menschen dabei, sich zu erinnern, wofür sie hergekommen sind auf diese Welt. Bücher von ihr: „Auf dem Herzensweg – Lebensgeschichten spiritueller Frauen“, „Hab Mut und geh – Das Herzensweg-Praxisbuch“.
Am 24. Juli 2020 startet ihr dreiwöchiges Onlineretreat Sommer 2020 für Frauen „Spiritualität und Alltag“. Eine dreiwöchige, innere Reise (und Auszeit), die Kraft und Ausrichtung für das eigene Leben schenken kann. Hier mehr.

Sharing is Caring 🧡
Posted in Kolumne Verwendete Schlagwörter:
9 Kommentare zu “Das Schiff in der Spur halten
  1. Sanvja sagt:

    Sehr schöner Text und Inhalt wunderbar Danke!!!!

  2. Danke liebe Sabrina für diese schönen und bewegten Bilder! Die eigene Lebensvision und Meditation als Zuflucht bietet auch diesen Fixpunkt.Gerade in schwierigen Zeiten ist diese Zentrierung hilfreich.
    Danke

  3. Björn S. sagt:

    Kommt wieder mal wie gerufen für mich. Danke dir, Sabrina!

    Herzensgrüße

  4. Claudia sagt:

    Echt schöne Geschichte, Sabrina!! Kann mir durch Deine Beschreibungen gut vorstellen, wie es sich auf dem Schiff angefühlt hat. Und finde das Schiff in den Wellen als Metapher für das Leben und die Welt gerade sehr passend. Gibt mir gerade selbst ein richtig gutes inneres Bild von Weite und Ausrichtung in dieser Zeit des Nicht-Wissens und Loslassens in wichtigen Bereichen meines Lebens,. Und das fühlt sich sehr sicher an in mir. Genial! Danke Dir!

    • Oh, wow, das freut mich, liebe Claudia! Herzensdank für deine Rückmeldung! In mir klingt dein Satz nach: „Und das fühlt sich sehr sicher an in mir. Genial!“ 🙂

      Herzlich für heute zu dir,
      Sabrina

  5. Felix. sagt:

    Danke Sabrina für deine Bewegtheit! Als Kapitän kenne ich deine Erfahrung. Zwar nicht auf Hochsee, aber immerhin. Nach bewegten Zeiten bin ich jetzt in ruhigem Wasser angelangt. Und, jetzt fange ich zu L(I)EBEN an. Endlich. Ich bin Felix, der glückliche Glücksbringer, geworden. Und letzten Samstag ist sogar den Clown in mir wieder aktiv geworden. Diesmal als FriedensClown Felix, der sich für den Erhalt eines Waldes in Flensburg einsetzt. Nächsten Samstag wieder. Ich L(I)EBE. Ich bin. So ham. Und, was Alles noch kommen wird. Unglaublich. Wärme durchflutet mich. Danke.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Dein Kommentar wird nach der Prüfung freigeschaltet. Bitte beachte, Einschätzungen und Meinungen in Ich-Form zu formulieren und die AutorInnen zu wertschätzen. Nicht identifizierbare Namen (Nicknames), Kommentare ohne erkennbaren Bezug auf den Inhalt des Artikels und Links zu nicht eindeutig verifizierbaren Seiten bzw. zur Eigenwerbung werden grundsätzlich nicht freigeschaltet.