Syntropie – Vielfalt im Einklang mit der Natur


Bereits im Alter von drei Jahren pflanzt Ernst Götsch im Hinterhof seines elterlichen Hauses in der Nordostschweiz Radieschen. Die kleine rote Knolle ließ seine Neugier wachsen. Seine Vorgehensweise ist auch nach mehr als 65 Jahren dieselbe: Pflanzen, Beobachten, Testen und Weiterentwickeln.

Neben Arbeiten an der genetischen Verbesserung von Futterpflanzen an der renommierten landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Zürich-Reckenholz begann Ernst Götsch den konventionellen Weg der Landwirtschaft in Frage zu stellen.

Seine Vision: „Was wäre, wenn wir die Bedingungen, die wir den Pflanzen geben, verbessern? Statt zu versuchen, genetische Merkmale in ihnen zu finden, die sie befähigen, unsere Misshandlungen besser zu ertragen?“

Nachdem erste Tests auf Flächen in seiner Heimat gute Ergebnisse zeigten, bekam Ernst Götsch Anfragen auch aus tropischen Ländern. Götsch wandte seine Anbaumethoden erfolgreich in einem ihm unbekannten Ökosystem unter anderen klimatischen Bedingungen an. Er stellte fest: Seine Methoden und Prinzipien sind auf verschiedene Biome oder Boden- und Klimabedingungen anwendbar.

1982 zieht Ernst Götsch nach Brasilien. Seitdem sind über 30 Jahre vergangen. Durch eigener Hände Arbeit und ohne Ressourcenverbrauch ist auf trockenem und degradiertem Weideland ein blühender Nahrungswald mit 14 ganzjährig fließenden Wasserquellen entstanden. Wenn man die Bewohner in der Region nach Regen fragt, ist die Antwort: „Beim Gringo regnet es immer“.

„In der Natur gibt es keinen Konkurrenzdruck und keinen harten Wettbewerb. Alle Beziehungen basieren auf Kooperation und bedingungsloser Liebe und sind immer auf die Erfüllung einer bestimmten Funktion ausgerichtet.“ Ernst Götsch

Merkmale der Syntropischen Landwirtschaft

Die Syntropische Landwirtschaft ist ein von Ernst Götsch entwickeltes, aus theoretischen und praktischen Komponenten bestehendes Modell der Landbewirtschaftung. Natürliche Prozesse werden in ihrer Form, Funktion und Dynamik in landwirtschaftliche Verfahren umgesetzt. Grundlage ist die Idee, dass sich Flächen durch Nutzung erholen: Durch die Schaffung hochproduktiver landwirtschaftlicher Flächen werden (in der Regel unabhängig vom Einsatz von Zusatztoffen oder Bewässerung) Ökosysteme herbeigeführt. Besonderes Augenmerk gilt hier dem Bodenaufbau, der Regulierung des Mikroklimas und der Förderung des Wasserkreislaufs. Die Ernte wirkt sich dabei zyklisch ergänzend auf die Regeneration der Ökosysteme aus.

Komplexe Pflanzengesellschaften und eine Reihe von weiteren Bewirtschaftungsmethoden, wie etwa Beschneiden und Bodenbedeckung, fördern den Nährstoffkreislauf und beschleunigen die Umwandlung, die auf natürlichen Brachflächen jahrelang dauert. Es handelt sich hierbei um eine prozessbasierte, und nicht um eine hilfsmittelbasierte Landwirtschaft. Ihr Ziel ist immer die Verbesserung der Lebens- und Energiemenge im System. Genau das ist es, wofür der Ansatz der Syntropie steht. Die Syntropie steht hier im Gegensatz zur Entropie: Während entropische Veränderungen Energieverluste und Vereinfachung von Strukturen verursachen, gewinnen syntropische Prozesse mit der Zeit Energie und bauen Strukturen, Vielfalt und Komplexität auf.

Kein Gut und Böse

Aus dieser Perspektive gibt es weder Gut noch Böse. Stattdessen erkennen wir eine Funktion. Diese Mitwirkenden, die als Schädlinge betrachtet werden, können uns indirekt Hinweise geben, wie wir organischer mit dem Makroorganismus umgehen können, so dass eine Notfallversorgung durch die „Feuerwehrleute des Systems“ nicht erforderlich ist. Deshalb sind sie wieder einmal Verbündete, Mitglieder des Immunsystems, gleich den weißen Blutkörperchen in unserem Körper, die handeln und sich vermehren, wenn die Lebensprozesse in ihm (Makroorganismus) die vorgegebene Bahn verlassen.

„Komplementär zur Entropie bewegt sich die Syntropie von einfach zu komplex, im Sinne einer Steigerung der Menge und Qualität des konsolidierten Lebens.“ Ernst Götsch

Die wichtigsten Verfahren der Syntropischen Landwirtschaft

Komplexe Pflanzengesellschaften: Syntropische Landwirtschaft folgt dem Prinzip der Sukzession, also der natürlichen Abfolge von Pflanzengemeinschaften auf einer Fläche. Auf Brachflächen kommen zuerst Pionierpflanzen, mehrere Folgepflanzengesellschaften und am Ende steht eine sogenannte Klimax-Vegetation, das Ergebnis ungestörten Wachstums.

Selektive Auslese: Pflanzen, die im Prozess der Sukzession ihre Aufgabe erfüllt haben, werden aussortiert. Andere, meist höhere und anspruchsvollere, kommen hinzu. Beschnitt und Auslösen von Impulsen: Insbesondere zur Synchronisation von Abläufen bei der Stratifikation (Bildung von vertikalen Lebensräumen – siehe hierzu Abbildung), zur Verjüngung des Systems und zur Steigerung der Folgepflanzengesellschaften. Bodenbedeckung: Mulch und Pflanzenschnitt, die den Boden bedecken, verhindern, dass Wasser verdunstet, und halten die Erde feucht. Indirekte Anreicherung der Bodenmikrobiota.

Quelle und mehr Infos hier

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2 Kommentare zu “Syntropie – Vielfalt im Einklang mit der Natur
  1. Johannes sagt:

    Fantastisch! Genau das, was Mutter Erde (Pacha Mama) jetzt braucht, und der an ihrer Brust hängende Mensch natürlich auch….

  2. Björn S. sagt:

    Schließe mich an. Tolles, inspirierendes Konzept kommt mir beim Lesen in den Sinn. Vor allem für das Leben und nicht gegen…

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