Ich bin ein Mann

Bild von Jose Antonio Alba auf Pixabay

Einleitung von Claudia Shkatov. Wir alle finden gerade die Liebe in uns. Oder soll ich sagen, ‚Wir finden uns in der Liebe‘? Für mich ist es das Gleiche. Jeder tut es auf seine Weise. Ein Freund von mir schickte mir vergangene Woche einen Text, den er neulich einfach so nach dem Aufwachen aufschrieb. Er tat es nur für sich selbst. Und dann teilte er ihn mit mir. Seine Worte haben mich berührt. Und ich finde, sie machen Mut. Wir alle können das, was er tut. Wir können uns selbst und die Sprache unserer Herzen besser kennen lernen. Wir können anfangen zu fühlen und die Verantwortung übernehmen für das, was wir fühlen. Und wir können lernen dem Leben mit all seinen Wendungen zu vertrauen. Fühlt sich das immer gut an? Keineswegs. Ist das ein Grund aufzugeben oder Trübsal zu blasen? Niemals!

Der neue Mut heisst Nicht-Wissen und Zulassen, Vertrauen, Sitzen, Spüren und ruhig Abwarten-Können, bis der klare Impuls zur Handlung kommt – wenn wir den Bogen ausreichend gespannt, uns mit dem Ziel verbunden haben, und dann den Pfeil loslassen, so dass er das Ziel erreichen kann. Das ist Ko-Kreation zwischen unseren männlichen und weiblichen Energien, zwischen Herz und Verstand in seiner besten Form. Was auch immer gerade bei Dir los ist, vertraue darauf, dass Du das kannst!

Ich bin ein Mann von Theo Sentis

Ich bin ein Mann. Ich habe eine Vision, oder sollte ich besser sagen, ich habe keine Vision.
Es geht um bewusste Führung und bewusstes Verhalten in jedem Moment.

Ich selbst weiß noch nicht wie es geht. Für mich ist es ein schmaler Grat zwischen Tun oder Handeln und Nicht-Tun. Zwischen Missionieren und Geschehen-Lassen.

Ja ich weiß, ich habe schon viele Erfahrungen gemacht, bin 62 Jahre alt, habe viele Beziehungen hinter mir. Ich mache seit 20 Jahren Bewusstseinsarbeit. Manchmal glaube ich zu wissen, wie das Leben funktioniert. Manchmal bin ich ganz oben auf, voller Zuversicht, voller Selbstbewusstsein, und dann wiederum bin ich unten, weiß nicht was ich tun soll, bin sogar depressiv. Inzwischen weiß ich immer mehr, dass es selbst in der tiefsten Depression ein Licht am Ende des Tunnels gibt. Ich weiß, all das was geschieht, gehört zu meinem Leben. Es rührt mich jetzt in diesem Augenblick, wenn ich darüber schreibe. Es ist wie ein Wunder für mich. Vielleicht weil es so einfach ist. Vielleicht weil ich das früher nicht gewusst habe, weil ich so oft traurig war und es mir anders gewünscht habe, als es ist. Ich habe keine Lösungen, mein Verstand hätte so gerne Lösungen. Mein Verstand hilft mir nur zum Teil. Vor allem aber geht es für mich darum zu fühlen – einfach nur wahrnehmen meinen Körper spüren, still sein, Zeit nehmen, geschehen lassen, Zuversicht haben, dankbar sein für das Schöne, und auch für das, was ich nicht so schön finde.

In letzter Zeit ist es vor allen Dingen meiner Unsicherheit, mit der ich konfrontiert werde.
Es ist nicht nur der Virus, der für Unsicherheit sorgt, aber er zeigt etwas. Mir macht er deutlich, dass ich nichts vorhersagen kann, dass ich kaum planen kann zumindest nicht auf längere Sicht. Wir Menschen versuchen uns Sicherheiten zu schaffen.

Ich natürlich auch. Ich habe über 35 Jahre gearbeitet und Karriere gemacht und gutes Geld verdient. Einen Großteil davon habe ich in ein Haus gesteckt. Ich habe versucht mein Vermögen auf zu splitten wie man sagt, in Aktien, Immobilie, Fonds, Versicherung und was sonst noch, da man ja nie weiß. Und ich glaube ich bin noch nicht mal der mit der größten Unsicherheit. Meine Versicherungen begrenze ich auf ein Minimum. Aber wenn ich ehrlich bin, suche ich nach Sicherheit. Das Leben hat mir mehrfach gezeigt, dass es die Art von Sicherheit, die ich glaube haben zu wollen, nicht gibt. Mein Vermögen bewegt sich irgendwie auf und ab – Haus gebaut, Haus verloren, neues Haus, … Meine Gesundheit war nicht immer stabil. Ich hatte Krebs. Ich wollte immer eine stabile Partnerschaft haben, wollte schon mit meiner ersten Freundin für immer zusammenbleiben. Inzwischen ist meine vierte langjährige Partnerschaft zu Ende gegangen. Sogar der Kontakt zu meinen Söhnen schien einige Jahre gefährdet.

Über viele Jahre hinweg war mein berufliches Leben sehr stabil. Meine Arbeit hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich habe sie so geliebt, dass ich natürlich erfolgreich war und Karriere machte. Und dann wurde innerhalb von ein paar Jahren alles ganz anders. Ich musste meine geliebte Firma loslassen, sogar schließen und abwickeln. Projekte die ich für lebenswichtig gehalten und an denen ich über 20 Jahre mitgearbeitet hatte, wurden zerschlagen. Für mich brach eine Welt zusammen.

Und danach wurde alles besser. Das Leben hat mir etwas präsentiert was genau richtig für mich war. Nur damals konnte ich es noch nicht sehen. Es ist viel passiert seitdem.

Ich habe viel gelernt, viel erfahren, Leichtes, Schwieriges. Und alles hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Und die Entwicklung geht weiter. Ich weiß überhaupt nicht wo das Leben mich hinführt. Ja, ich habe eine Vision, und ich weiß nicht wie diese Vision sich ausgestaltet.

Ich weiß, dass das was darunter steckt, wahr ist. Ich weiß nicht ob ich es transportieren kann, anderen Menschen nahebringen kann. Ich weiß nicht welche Rolle ich in dem Spiel spiele. Aber ich weiß, dass das Leben es weiß.

Das was ich tun kann ist mich zu öffnen, bereit zu sein, da zu sein wenn das Leben mich ruft. Mir gefällt das englische Wort ‚humble‘. Ja ich fühle mich humble. Das bedeutet für mich einfach, demütig, dankbar, leicht, und auch zuversichtlich. Als Christ könnte ich sagen ‚Herr lass mich dein Werkzeug sein‘.

Theo

Das Leben hat mir diesen Körper gegeben und diesen Verstand. Genau diesen Körper und genau diesen Verstand. Ich habe lange damit gehadert, dass ich genauso bin wie ich bin. Wollte anders sein, oft wie die anderen. Vor allem mit meinem Selbstwert, mit meiner Selbstliebe, mit meiner Sexualität, mit meiner sozialen Kompetenz war ich unzufrieden. Das hat sich geändert. Heute kann ich meine Fehler, meine so genannten Fehler annehmen. Ich habe meine Lieber (wieder-)gefunden.  

Ich bin wie ich bin, und das ist gut so.

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26 Kommentare zu “Ich bin ein Mann
  1. Emily sagt:

    Danke für diese weisen Worte!Ja,annehmen was ist und dem Leben vertrauen…es fällt oft nicht leicht.

  2. andrea sagt:

    mich hat dieser beitrag so so froh gemacht! denn genauso empfinde ich es gerade und genauso versuche ich es zu leben: mich in die unsicherheit hinein zu gebären, immer wieder neu.

    wie mein keliner enkelsohn, der gerade laufen lernt und für den alles ein wunder ist. der teddy, das taschentuch, die mama, der papa, der krümel unterm tisch – ohne unterscheidung, ohne wertung, nur staunen.

    ich vertraue niemandem und nichts mehr.
    nur dem leben, wie niemals zuvor.

    danke fürs teilen!

  3. Edith sagt:

    Danke für das Teilen dieser wunderbaren Zeilen, so viel Offenheit, Mut und Gefühl. Ich kann es durch meine eigene Lebensgeschichte sehr gut nachfühlen und allen nur wünschen, weiter zu gehen und nach vorne zu schauen.

  4. Almut Lichte sagt:

    Ja, mein Leben hatte ähnliche Fazetten und aus dieser Erfahrung heraus, wende ich mich immer gleich an den Chef. Ich überspringe das Bodenpersonal und sage: Dein Wille geschehe heute. Es kommt immer! Eine Antwort.
    Alles Liebe an Claudia und Dich.

    • Almut Lichte sagt:

      Facetten!

    • Claudia sagt:

      Liebe Almut, vielen Dank für Deinen Gruss! Ich freue mich so, dass Theo’s Worte diese Resonanz finden. Die Männer haben so viel zu sagen und zu teilen. Und es wird Zeit, dass sie auch auf dieser zutiefst menschlichen Ebene mal wirklich zu Wort kommen, gehört und gesehen werden in all ihrer Zartheit, Berührbarkeit, Schönheit und Kraft – und mit ihrem Mut. Kuss!

  5. Michelle sagt:

    Was für ein wunderschöner, tief berührender Text, der mich so sehr an meinen Bruder erinnert hat, so dass ich ihn ihm geschickt habe.
    Auch freue ich mich besonders, dass es ein Text von einem Mann ist, denn beim Lesen wurde mir bewusst, dass ich viel Berührendes von Frauen lese, und wenig von Männern, ausser von Lee Harris in seinen Monatsbotschaften.
    Das macht alles runder, wie ich gerade empfinde.
    Danke!

    • Claudia sagt:

      Genau, Michelle! Das hab ich mir auch gedacht. Und jetzt, wo ich all Eure schönen Kommentare lese, wächst in mir der Wunsch, noch weiteren Männern den ‚roten Teppich auszurollen‘ für ein solch inspirierendes Zu-Wort-Kommen und Sich-Mit-Teilen. Herzensgruss!

      • Michelle sagt:

        Liebe Claudia
        Das wäre wunderschön <3 !
        Mein Bruder hat sich übrigens sehr erkannt in den Worten von Theo, genau so wie ich mich in deinen Texten immer wieder erkenne 🙂
        Von Herzen
        Michelle

  6. Roswitha Rhomberg sagt:

    … es liest sich so locker, fast leicht und doch… ist da sofort der Raum hinter jedem Satz, der ausgefühlt werden darf, mit sich selbst reflektiert werden möchte … danke und Herzumflügelung an den Mann, den er neu gefunden hat in der Definition „Dein Wille geschehe und das Leben meint es immer gut mit mir“

  7. Tanja sagt:

    Wunderbar. Danke 🙏

  8. harald sagt:

    ja, ich verstehe es auch so, es gibt keine sicherheit im aussen, das zeigt uns deutlich dieser virus, nur im
    innensein, in der offenheit, haltung für dein wille
    geschehe, welcher im tiefstem sinn auch mein wille ist.

  9. Nis sagt:

    Diese Worte haben mich beim Lesen gerade sehr berührt. Vielen Dank für die Offenheit und den Mut Dich zu zeigen mit allen Facetten und mit Verletzlichkeit.
    Grossartig und mit viel Herz geschrieben … made my day 🙂

  10. Georg Finger sagt:

    DANKE Theo <3

  11. Nadine sagt:

    Wunderschön! Danke für diese wahrhaftigen Worte! Herzensumarmung

  12. Bianca sagt:

    Sehr berührend…mir steigen direkt die Tränen in die Augen. Es fühlt sich an als hätte man über mich geschrieben.Fast.Ich danke dir für die Zuversicht die mir diese Worte schenken und das Gefühl nicht allein zu sein. Danke

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