Was ich mir heute Gutes getan habe

Foto: Katharina Braun

Von Miriam Licht. Heute war wieder ein Tag. Ein neuer, frischer Tag meines Lebens. Wie nun hab ich mein Sein darin bestanden. Wie ist es mir ergangen.

Was mein Dasein füllt, macht mich oft noch traurig. Das alleine Leben. Mir selbst Liebste, Vertraute, Unterstützerin, Stärkende sein. Sein müssen, unweigerlich. Wollen auch. Und dann gerät da oft noch die kritische Stimme, die frustrierte Frau in mir, die Traurige, Entmutigte in ihr so altbekanntes Fahrwasser. Was also hab ich mir im Ringen ums Wachsen und Werden, im Dasein an diesem einzigen Tag meines Lebens, der mein Heute war, Gutes getan. Wo bin ich mir Freundin gewesen, Vertraute, Gastgeberin fürs Alltägliche und Besondere.

Da war der Spaziergang morgens barfuß auf regennassem, warmen Sommerweg zum Garten meines Nachbarn. Was in meiner Küche übrig ist, nimmt er gern als Tierfutter für seinen bunten Hühnerhof. Einen Moment mit ihm sprechen, der Wurf des Grüns über den Zaun, die davonspritzenden Hühner, die gackernd wieder näher kommen. Zu untersuchen, ob sich Interessantes findet im herbeigeflogenen Grün.

Der frühe Morgen mit dem Waschen mit körperwarmem Wunder. Ankommen im Körper, in ihr, die sich ausgeruht des nachts. Nun wieder trägt sie mich durch diesen Tag, lässt mich, lässt meine Seele da Sein im Menschlichen, im Erfahren, Fühlen, Denken. Ermöglicht alles, was dieses Leben ausmacht, ausmachen kann.

Und was war sonst. Ein köstliches Frühstück mit Kefir, der täglich mir neu entgegenwächst aus der Milch von Kühen des Bauern im Nachbardorf. Wie meine Oma ihn mir auftischte früher als Kind, wenn ich zu Besuch kam für ein paar Ferientage zu ihr in die Berge. Wieviele Wege der Ernährung ich schon gegangen bin. Jetzt labt mich dieser alte Segen meiner Kindheit wieder. Stärkt mich.

Ein Mittagstisch. Eine kleine Portion Pasta und Möhren aus dem Kühlschrank. In Ghee heiß aus der Pfanne. Und zauberschöne Zucchini-Blüten, auch sie warm aus der Pfanne. Alles aus dem großen, opulenten Pasta-Teller aus dem Tauschhaus. Der meine Mahlzeit zu einem Festmahl macht. Diese Riesenteller verwundern mich immer noch. Unsere Eltern, erst recht die Großeltern hätten ihn für … ja, für was hätten sie ihn gehalten. Vielleicht für eine Riesenschüssel zum Auftafeln einer Mahlzeit FÜR ALLE am Tisch. Jetzt ist sowas ein „große Leute“ Teller. Für eine Mahlzeit, eine Portion. Eigenartig. Und eben auch: festlich, feierlich.

Ein Telefonat mit meiner Nichte. So weit entfernt. Ich sah sie Jahre nicht. Reisen ist mir verwehrt. Die Bewegungen meiner Geschwister und Familien gehen anderswo hin. Ich vermisse mein erstes Zuhause hier in der Wahlheimat. Auf dem großen Hof, riesig wie er war, ließ sich unbegrenzt einladen. Die Sommer lang kamen FreundInnen und Familie gern und reichlich zu Besuch. Jetzt ist das Geschichte. So lange schon.

Da ist sie wieder, die Trauer um das Verlorene, Vergangene. Die Sehnsucht nach Gemeinschaft.

Ich werde Ausschau halten, entdecken, finden. Mut fassen immer wieder neu und mich meiner Zukunft anvertrauen. Als meinem selbst geschaffenen Dasein. Die alten Häute abstreifen. Welche denn lebt dieses Leben, wenn nicht ich. Ein neues Fühlen und Begreifen hat begonnen, dass nichts und niemand mir etwas schuldig ist. Nicht das Leben, nicht die Menschen um mich. Niemand. Wirklich keiner. Als ganz alleine: ich.

Ein vielgeliebtes Gedicht kommt mir in den Sinn von der wunderbaren Frederike Frei. Die ihre Gedichte untertitelt. Dieses lautet:

Ich kann meine Träume nicht
fristlos entlassen
Ich schulde ihnen noch
mein Leben

SCHULDSCHEIN

Ein Lächeln breitet sich in mir aus und wärmt mich von tief innen. Beim Signieren schrieb sie mir damals, so lang ist das schon her, auf der Buchmesse 1984, in den frisch bei ihr erworbenen Gedichtband „Losgelebt“ die Zauberworte:

im leisebeisichsein
im ängstchen, im
weißnich –
da liegt der
anfang der
welt …

……………………………..

Das Gedicht SCHULDSCHEIN ist entnommen dem Buch: Frederike Frei, „Losgelebt“, erschienen im Literarischen Verlag Helmut Braun KG, Köln 1978 www.zvab.com

Mehr von Frederike Frei https://www.frederikefrei.de

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6 Kommentare zu “Was ich mir heute Gutes getan habe
  1. Carola sagt:

    Liebe Miriam,
    dein Text und dein Erzählen berührt mich so sehr. Und er liest sich so schön, so authentisch, so ehrlich. Er rührt bei mir eine alte Wunde des Nichtdazugehörens an. Nie zur Gemeinschaft dazugehören, das ist einer meiner alten Glaubenssätze, dem ich zur Zeit versuche aktiv auf den Grund zu gehen.
    Bei dir scheint es sich um andere Umstände zu handeln, wenn ich das richtig verstehe. Du schreibst so wundervoll und die Zeilen von Frederike Frei am Ende berühren mich auch sehr, imleisebeisichsein…da liegt der Anfang der Welt. Danke dafür und ich wünsch dir ganz viel leises und dann immer mehr klingendes Bei dir sein und dann wieder immer mehr auch mit anderen sein, wenn es dann möglich wird.
    Vielleicht erträumst, erschaffst du es dir genau so wie du es dir wünscht und gehst dann täglich in diese Vision hinein, so als wäre sie schon jetzt in deinem Leben eingetreten.
    Von Herz zu Herz
    Carola

    • Miriam sagt:

      Hier sitze ich und freu mich – dank dir Carola! Dein liebevoll zugewandtes mir Schreiben wärmt mein Herz: Köstlicher Segen, Verbundenheit zu entdecken auch darin: in tief innen noch unerfüllter Sehnsucht.

  2. Carola sagt:

    Liebe Miriam, wie schön. Ich saß hier lange und zögerte, ob ich das so schreiben kann und dann hat mich mein Herz gedrängt, es zu tun und jetzt bin ich so froh, dass ich auf mein Herz gehört habe, lerne ich gerade zur Zeit. Vielleicht magst du deine unerfüllte Sehnsucht liebevoll in dein Herz einladen, sie umarmen, denn sie ist ein wichtiger Teil von dir.
    In herzlicher Verbundenheit
    Carola

  3. Anna Daskaloudi-Lampe sagt:

    Was für eine Wohltat diese Zeilen zu lesen. Herzlichen Dank dafür. Mein Herz wird weit und meine Träume erwachen.

  4. Claudia sagt:

    Liebe Miriam, unmittelbar tief berührend sind deine Worte in mich eingesunken. Herzensdank dafür.♥ Auch für das Erinnern an Frederike Freis Gedichte, die mich seit Teenagertagen begleiten… Lange hing der „Schuldschein“ an meiner Wand und immer lag das Buch in Griffweite. Ich habe lange nicht hineingeschaut- es ist wohl an der Zeit dafür.
    Herzliche Grüße zu dir
    Claudia

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