Vom Überleben zu neuem Leben
Gerade in dieser Zeit sehen sich viele Menschen mit unerwarteten starken Emotionen und Flasbacks konfrontiert. Der Autor und Therapeut Pete Walker seinen einzigartigen multimodalen Ansatz zur (Selbst-)Hilfe entwickelt. Er hält eine komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (K-PTBS) weder für angeboren noch charakterbedingt. Von dieser grundlegenden These ausgehend ist sein Buch “Posttraumatische Belastungsstörung – Vom Überleben zu neuem Leben” ein wahrer Schatz. Geschrieben aus der Sicht eines Betroffenen und eines zugleich hoch spezialisierten Therapeuten, vereinigt Walker in diesem Buch Authentizität und fachliche Kompetenz zu einem eigenständigen methodischen Konzept, das unzähligen Betroffenen bereits neue Lebensqualität geschenkt hat.
Gemeinschaftliches Reparenting
Zu den häufigsten Traumafolgestörungen zählen emotionale Flashbacks, toxische Scham, Selbstaufgabe, soziale Ängste und andere belastende Symptome. Die wichtigsten Faktoren zu deren Überwindung sieht Walker in der Stärkung eigener Ressourcen zur Selbsthilfe und in gelingenden Beziehungen. Das können Beziehungen zu Freunden, Partnern, Lehrern, Therapeuten, Therapiegruppen oder beliebige Kombinationen daraus sein. Walker nennt das gemeinschaftliches Reparenting. Mit seinem lösungs- und übungsorientierten Aufbau, zahlreichen Fallbeispielen sowie einer klaren, und präzisen Sprache ist Walkers Arbeits- und Praxisbuch sowohl für Therapeuten wie für Betroffene ein unentbehrlicher Begleiter auf dem Weg aus dem Trauma.
Die 13 Techniken zum Umgang mit emotionalen Flashbacks nach Pete Walker
1. Sage dir selbst: „Ich habe gerade einen Flashback.“ — Flashbacks versetzen uns in einen zeitlosen Teil der Psyche, in dem wir uns so hilflos, hoffnungslos und von Gefahr umgeben fühlen wie in unserer Kindheit. Die Gefühle und Empfindungen, die du erlebst, sind vergangene Erinnerungen, die dich jetzt nicht verletzen können.
2. Erinnere dich selbst: „Ich habe Angst, doch ich bin nicht in Gefahr! Ich bin jetzt sicher, hier in der Gegenwart.“ — Erinnere dich daran, dass du dich jetzt in der Sicherheit der Gegenwart befindest, weit weg von den Gefahren der Vergangenheit.
3. Mache von deinem Recht/Bedürfnis nach Grenzen Gebrauch. — Erinnere dich daran, dass du niemandem erlauben musst, dich schlecht zu behandeln. Du bist frei, gefährliche Situationen zu verlassen und gegen unfaires Verhalten zu protestieren.
4. Sprich beruhigend mit deinem Inneren Kind. — Das Kind muss wissen, dass du es bedingungslos liebst, und dass es für Trost und Schutz zu dir kommen kann, wenn es sich verloren und verängstigt fühlt.
5. Durchbreche das „Ewigkeits“-Denken. — In der Kindheit fühlten sich Angst und Zurückweisung endlos an — eine sicherere Zukunft schien unvorstellbar. Erinnere dich daran, dass der Flashback vorbeigehen wird wie viele Male zuvor.
6. Erinnere dich daran, dass du dich in einem erwachsenen Körper befindest — mit Verbündeten, Fähigkeiten und Ressourcen, um dich zu beschützen, die du als Kind nie hattest. Sich klein und schwach zu fühlen ist ein sicheres Zeichen für einen Flashback.
7. Verorte dich ruhig in deinem Körper. — Angst katapultiert uns in „kopfkonzentriertes“ Sorgen oder in Betäubung und Abdriften.
Bitte deinen Körper sanft, sich zu entspannen. — Spüre jede deiner großen Muskelgruppen und bitte sie sanft, sich zu entspannen. Angespannte Muskulatur sendet unnötige Gefahrensignale an das Gehirn. Atme tief und langsam. — Den Atem anhalten signalisiert ebenfalls Gefahr. Mach langsam. — Eile löst den Panikknopf im Gehirn aus. Finde einen sicheren Ort, um abzuschalten und dich zu beruhigen — wickele dich in eine Decke, halte ein Kuscheltier, lege dich in einem Wandschrank oder einer Badewanne hin, mach ein Nickerchen. Fühle die Angst in deinem Körper, ohne auf sie zu reagieren. — Angst ist bloß eine Energie in deinem Körper, die dich nicht verletzen kann, wenn du nicht vor ihr wegrennst oder selbstzerstörerisch auf sie reagierst.
8. Widerstehe der Schwarzmalerei des inneren Kritikers.
a) Gebrauche den Gedankenstopp, um seiner Übertreibung der Gefahr und der Notwendigkeit, das Unkontrollierbare zu kontrollieren, Einhalt zu gebieten. Weigere dich, dich zu schämen, zu hassen oder selbst zurückzuweisen. Bündele die Wut des Selbstangriffs, indem du „Nein“ zu unfairer Selbstkritik sagst.
b) Gebrauche Gedankenersatz, um negative Gedanken durch eine eingeprägte Liste deiner Qualitäten und Erfolge zu ersetzen.
9. Erlaube dir zu trauern. — Flashbacks sind Gelegenheiten, um alte, unausgesprochene Gefühle der Angst, Qual und Zurückweisung loszulassen und die Erfahrungen des Kindes von Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit in der Vergangenheit anzuerkennen — und dann zu lindern.
10. Pflege sichere Beziehungen und suche Unterstützung. — Nimm dir Zeit für dich allein, wenn du sie brauchst, doch lass dich von der Scham nicht isolieren. Scham zu fühlen bedeutet nicht, dass du beschämend bist. Berichte denen, die dir nahe stehen, von den Flashbacks und bitte sie, dir dabei zu helfen, durch Sprechen und bewusstes Fühlen deinen Weg durch diese zu finden.
11. Lerne, die Art von Triggern zu identifizieren, die zu Flashbacks führen. — Vermeide unsichere Menschen, Orte, Aktivitäten und mentale Vorgänge. Trainiere vorsorglichen Umgang mit den hier gelisteten Schritten, wenn Trigger-Situationen unvermeidlich sind.
12. Finde heraus, wohin deine Flashbacks dich versetzten. — Flashbacks sind Gelegenheiten, um unsere Wunden aus vergangener Misshandlung und Zurückweisung zu entdecken, anzuerkennen und zu heilen. Sie sind ebenfalls Hinweise auf unsere noch unerfüllten Entwicklungsbedürfnisse und können eine Motivation bieten, für deren Erfüllung zu sorgen.
13. Sei geduldig mit dem langsamen Erholungsprozess. — Im jetzigen Moment braucht es Zeit, um vom Adrenalin herunterzukommen, und in der Zukunft braucht es beträchtliche Zeit, um die Intensität, Länge und Häufigkeit von Flashbacks zu vermindern. Echte Erholung ist ein schrittweiser Prozess — oftmals zwei Schritte vorwärts und einen Schritt zurück. Mach dich nicht fertig, wenn du einen Flashback hast.
Originaltext auf englisch hier.
Pete Walker verfügt über fünfunddreißig Jahre Berufserfahrung als Therapeut, Dozent, Autor und Gruppenleiter, und arbeitet darüber hinaus seit bereits zwanzig Jahren als Ausbilder, Supervisor und Berater für andere Therapeuten.Walker hat sich auf die Arbeit mit Erwachsenen mit Kindheitstraumata und insbesondere auf diejenigen Patienten spezialisiert, die durch wiederholten Missbrauch und/ oder gravierende Vernachlässigung an den typischen Symptomen einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (K-PTBS) leiden. Sein Erstlingswerk “Das Tao der Gefühle” ist auch in deutsch erschienen.
Wunderbar erklärt, Danke! Gerade in Beziehungen kann das verletzte innere Kind schnell aktiviert bzw. angetriggert werden. Eine gesunde Selbstregulation und liebevolle Selbstwertschätzung kann hier Türen zu neuen, stimmigen erwachsenen Räumen öffnen…
Liebe Bettina, vielen Dank für den Buchtipp, ich setz ihn auf meine Liste,
vieles davon kann ich schon länger bzw. bin dabei es gerade umzusetzen, von vielem darf ich mich anregen lassen.
So wunderschön, dass es immer mehr Licht und gute Anregung zur Heilung in diesen Zeiten gibt.
Wir dürfen heilen, Schritt für Schritt immer ein Stückchen mehr.
Herzlichst
Carola
Meine Wahrnehmung der aktuellen Zeitqualität gibt mir als erwachsene, gewollt und selbstbestimmt Ungeimpfte, systemisch-kritische Geisteswissenschaftlein i.R. eben kein sicheres Grundlebensgefühl.Damit ist Punkt 2 der Liste unerfüllbar. Und färbt auch die anderen – für sich genommen sinnvollen Hinweise – deutlich ein. Dennoch: DANKE für`s Teilen.