Eva-Liz Wuorio, Barbara Kingsolver, Mariana Leky und Anne Lamott

Foto: Pixabay

Wir alle gehen unseren ureigenen Weg. Zu meinem gehört es fast von allem Anbeginn an, zu lesen. Bücher wurden lebensrettend für mich. Während die Erwachsenen mit dem Überleben beschäftigt waren, während sie wacker versuchten, für existenzielle Herausforderungen Lösungen zu finden, wurden wir Kinder zwar versorgt. Äußerlich. Das ja. Aber unsere, oder doch zumindest meine Seele blieb hungrig. Es gab kaum Ansprache, kaum das Erleben, dass ich auch nur für Augenblicke wahrgenommen wurden. Geschweige denn gefragt nach meinen Eindrücken, Ideen, inneren Bewegungen oder ähnlichem. Als hochsensitiv geborenes Kind hat mich das in eine Welt der Isolation geworfen. Denn was ich sah, das bestätigte mir nicht nur jemals irgend jemand. Oft war noch die wohlmeinende Idee der Eltern, mich und meine Geschwister zu schützen vor der Wahrheit. Und so zu tun, als sei alles in Ordnung. Während ich ja sah und erlebte, dass nichts in Ordnung war. Dieses Chaos der fehlenden Übereinstimmung meiner eigenen Weltwahrnehmung mit der Darstellung der Welt durch die Erwachsenen brachte im Laufe meiner Entwicklung ins erwachsen Werden hinein gigantische psychische Grenzerlebnisse hervor. Wachstumsgelegenheiten kann ich darin inzwischen sehen. Was ein langer Weg war, der sich so sehr lohnt. Und den ich lieben gelernt habe.

Nährende Schönheit

Im allmählichen Annähern an eine freundliche Selbstwahrnehmung, einen heilsamen, liebevollen Umgang mit mir selbst, wurde mir vor langen Jahren meine große Freude an Schönheit bewusst. Ich konnte das wie von außen sehen. Mit einem von Liebe geweiteten Herzen. Ich sah erstmals bewusst, was mich mit Freude erfüllt. Ich entdeckte, wie tief, hoch, groß mir Freude sein kann. Und auch, was genau, in meiner eigenen, ganz persönlichen Mischung, es ist, das diese Freude in mir hervorruft. Das wurde mir zu einem kostbaren, köstlichen Schatz. Von dort aus konnte ich weiterwachsen. In kleinen, kleinsten Schritten begann ich zu üben, mir Gutes zu tun. Für solche Freude aktiv zu sorgen. Mir allmählich eine liebevolle Freundin zu werden.

Herzwärmende Bücher

Und dazu gehörte auch das Begreifen und die schlichte Entdeckung, dass ich einen Schatz einiger besonderer Bücher in meinem Leben habe, die es vermögen, meine Seele zu weiten, mein Herz zu wärmen. Zuverlässig. Besonders dann, wenn es gerade schwer für mich ist, mich geliebt, verstanden und verbunden zu wissen in meinem Dasein.

Zum Kern meines Bücherschatzes gehört ein Buch meiner Kindheit. „Silberne Fische und hellgrüner Wind“ der finnisch-kanadischen Autorin Eva-Lis Wuorio. Dazu haben sich einige weitere Kinderbücher gesellt, manche davon in den späten Erwachsenenjahren. Denn Kinderbücher sind mir immer noch ein großer Schatz. Daran hat sich für mich nichts geändert.

Barbara Kingsolver

Das erste heilsame Trostbuch meines erwachsenen Lebens kam durch eine Freundin zu mir. Da war ich Anfang Vierzig. Seither lese ich Barbara Kingsolvers „Pigs in Heaven“ (dt. „Siebengestirn“, Piper Verlag, 1994) wieder und wieder. Es ist in einer so dichten und starken Sprache geschrieben, dass ich es in der kostbar gelungenen deutschen Übersetzung von Dorothee Asendorf genieße wann immer ich Hunger nach diesem Nachhausekommen im Lesen der Geschichte von Taylor und Turtle habe. Mir schien dieses Buch der eine einzige Erwachsenen-Lese-Himmel, in dem meine Seele wirklich zur Ruhe kommen kann. Meiner Familie sagte ich, dass sie mir dieses Buch mit den in Sarg legen könnten eines Tages. Nicht buchstäblich. Aber doch sinnbildlich als Ausdruck dessen, was für eine tiefe Heimat ich im Lesen dieses Buches gefunden habe.

Mariana Leky

Dass ein weiteres solches Trostbuch in mein Leben kommen könnte, kam mir unwahrscheinlich vor. So außergewöhlich und groß war mir dieses Erlebnis. Und doch stellte sich heraus: es war noch eines für mich vorgesehen. Der Weg, wie es zu mir kam, war wundersam und schön. Wieder war es die Gabe einer Freundin. Und da war es. „Was man von hier aus sehen kann“ von der deutschen Autorin Mariana Leky. Ich lese es wieder und wieder. Wann immer ich Trost brauche, wann immer gerade kein Buch um die Wege ist, dass ich neu entdecken könnte und das meine Seele ins Schwingen bringt, kann ich es aufblättern und eintauchen in die Liebe, Lebendigkeit, in die Skurrilität der Menschen, von denen Mariana Leky erzählt. Von den Brüchen, mit denen sie leben. Von der wilden Mischung aus innerem Erleben und äußerem Verhalten.

Anne Lamott

Nun hat sich der Kreis meiner „erwachsenen“ Trostbücher gerade wundersam erweitert. Vor kaum zwei Wochen entdeckte ich die US-amerikanische Autorin Anne Lamott. Ich erlebte sie in ihrem Ted Talk „12 truths I learned from life and writing“ (= 12 Wahrheiten, die ich vom Leben und Schreiben gelernt habe, MIT deutschen Untertiteln). Dann hörte ich weitere Interviews mit ihr. Besonders berührt hat mich gleich zu Beginn ihr Gespräch mit Tim Ferris. Eine Welt ohne Anne Lamott mag ich mir nicht mehr vorstellen. Ihr Ton, ihr Erzählstil, ihre wundervolle Offenheit, Brüche und Überforderungen auf dem eigenen Lebensweg zu beschreiben, mit großer Klarheit, mit Humor, voll Weisheit und Liebe, tut mit so unendlich gut. Bisher hat diese wunderbare Autorin mit ihren vielen nationalen Bestsellern im deutschen Sprachraum nur spärlich Übersetzung gefunden. Ihr Sprach-, ihr Erzählstil ihrer non-fiction-Bücher ist wundervoll und dabei sehr eigen. Und darin läge dann gleichzeitig auch die große Kunst einer Übersetzung, sie fließend und stimmig in einer anderen Sprache zum Ausdruck zu bringen.

Was ich bisher las und in die Auswahlliste für meine Schatzkiste der Trostbücher aufgenommen habe: „Operating Instructions: A Journal Of My Son’s First Year“und „Bird by Bird. Some Instructions on Writing and Life“. Auf weitere Bücher, die ich mir bestellt habe, freu ich mich sehr. Auch aufs Entdecken ihrer Romane, von deren Entstehen sie teilweise in „Bird by Bird“ erzählt. Was mir umso größeren Appetit aufs Lesen macht.

Mit deutschen Untertiteln: 12 truths I learned from life and writing | Anne Lamott

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Links und Tipps zu Anne Lamott

Anne Lamott on Taming Your Inner Critic, Finding Grace, and Prayer hier

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Anne Lamott, „Blue Shoe“ ist ihr einziger bisher auch auf Deutsch erschienener Roman: „Der blaue Schuh“ bei Droemer Knaur 2004

Anne Lamott, „Bird by Bird. Some Instructions on Writing and Life“ engl.hier  in der dt. Ausgabe „Wort für Wort. Anleitungen zum Schreiben und Leben als Schriftsteller“ Autorenhaus Verlag, 2004

Anne Lamott, „Help, Thanks, Wow: The Three Essential Prayers“ auch als ebook

Die aktuell lieferbare deutsche Fassung von „Help, Thanks, Wow“ ist für meinen Geschmack beschämend schlecht gelungen, sie wirkt stellenweise unfertig und peinlich. Kein Ausweis für angemessene Förderung und Bezahlung von kongenialen Übersetzer*innen in der Buchbranche. Wer also lesen mag und Englisch als Sprache zur Verfügung hat, dem würd ich herzlich die Originalausgabe ans Herz legen

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Wikipedia Artikel – englisch – zu Anne Lamott mit Titelliste ihrer Bücher https://en.wikipedia.org/wiki/Anne_Lamott

Wikipedia Artikel – deutsch – zu Anne Lamott https://de.wikipedia.org/wiki/Anne_Lamott

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4 Kommentare zu “Eva-Liz Wuorio, Barbara Kingsolver, Mariana Leky und Anne Lamott
  1. Dagmar sagt:

    ….DANKE*** liebe Miriam, für Dein Teilen….ich kann Dein “ Nachhausekommen“ gut nachempfinden….Du hast mir gerade sehr weitergeholfen in meiner aktuellenn Trauerphase….mir Trost geschenkt….

    Von Herzen,
    Dagmar

  2. Andrea sagt:

    So schön geschrieben!
    Ich hab mich in Deinen Worten gesehen. Danke <3

  3. Silke sagt:

    Liebe Miriam, wahrscheinlich ist es für einen Kommentar jetzt eh zu spät…egal…Barbara Kingsolver gehört auch zu meinen absoluten Lieblingserzählerinnen und vielleicht weisst du es ja nicht, „Siebengestirn“ hat eine Vorgeschichte, das „Bohnenbaumglück“, das ich dir hiermit ans Herz lege…alles Liebe
    Silke

    • Miriam sagt:

      So schön, danke dir Silke für deinen Hinweis! Und ja: Das „Bohnenbaumglück“ (engl. „The Bean Trees“) kenne ich. Entdeckte es eine Weile nach „Siebengestirn“. Ich empfinde es im Stil noch anders auf eine Art. Als wenn Barbara Kingsolver dann regelrecht zu Höchstform auflief mit ihrem „Siebengestirn“ (engl. „Pigs in Heaven“). Und es ist sehr fein, die Vorgeschichte von Turtles und Taylors einander Tochter- und Mutterwerden im „Bohnenbaumglück“ zu entdecken.

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