Wenn das Alte nicht mehr trägt …

Mia Brummer

Welche abenteuerliche Reise auf uns Frauen in der Lebensmitte wartet. Von Mia Brummer. Gestern, so scheint es, war alles noch in Ordnung. Alles hatte seinen Platz, alles funktionierte, alles lief nach Plan. Und plötzlich ist da eine Leere. Und ein großes Fragezeichen steht im Raum. War das alles? 

Einige Zeit versuchst du, dich vor dir selbst zu rechtfertigen. Du findest Gründe, warum du dich damals so und nicht anders entschieden hast. Gegen deine Träume. Gegen deine innere Stimme. Es siegte die Vernunft. Das Angepasste. Du wolltest nicht anecken. Das willst du eigentlich auch heute nicht. Lieber mit dem Strom als gegen ihn leben.

Und doch ist da eine innere Stimme, die sich bemerkbar macht. Noch ist sie ganz leise, aber unüberhörbar.
Das alte Leben trägt nicht mehr.
Das Neue ist jedoch nicht in Sicht.
Noch nicht.

In diesen Schwellenzeiten hast du die Wahl:

I. Alles bleibt beim Alten
Du ignorierst die innere Stimme und machst weiter wie bisher. Du optimierst dich weiter, drehst an ein paar Stellschrauben, machst einen Wochenendkurs und fügst dich dem vermeintlich Unabänderlichen. Du kleidest deine unbequeme Komfortzone mit etwas Alkohol, Süßem, Kampf-Shopping oder endlos Serien schauen aus, bleibst jedoch im Altvertrauten. Irgendwann wird sie schon aufhören, diese lästige Stimme.

II. Du vertraust dich dem Leben an und übertrittst die Schwelle

Du gehst den uralten Weg, der dich von einem leistungsorientierten, egozentrierten Leben hin zu einem seelenzentrierten Leben führt. In alten matriarchalen Kulturen, in denen das zyklische Wissen und das Wissen um die Lebensschwellen gelehrt wurde, gab es viele Schwellenhüterinnen, die uns Frauen an diesen Schwellen begleiteten.

Es waren die Großmütter, Älteste, Doulas und Patinnen, die gerade an den Reife-Schwellen von Frauen den Übergang erleichterten. Heutzutage gibt es nur noch wenig erfahrene HüterInnen an den Lebensschwellen.

Warum? Ich vermute, es hat mit unserem Weltbild zu tun.

Seit etwa 250 Jahren erleben wir unser Sein immer weniger als einen zyklischen Prozess, sondern eher als gerade Linie zwischen Geburt und Tod. In dieser Zeit werden wir dazu angehalten, möglichst leistungsfähig und produktiv zu sein. Und das ohne Rast oder Zeiten der Regeneration. Wir leben mittlerweile ein Leben auf Standby – beruflich immer erreichbar – selbst im Urlaub oder zuhause.

Auch im Rentenalter versuchen wir uns als „leistungsstark“ zu sehen, denn wir haben nicht gelernt, uns über andere Parameter als Leistung, Optimierung und Effizienz zu definieren. Und so suchen wir nach Trainern und Coaches die uns dabei helfen, unsere Performance zu optimieren.

Doch wir haben diese Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Und der ist in unserer zweiten Lebenshälfte ohne Zweifel die Seele. Während sie in der ersten Lebenshälfte dem Ego das Steuer unseres Lebensschiffs überlassen hat, drängt sie in der Lebensmitte immer öfter, das Steuer zu übernehmen. Dabei fährt sie ziemliche Geschütze auf:

  • Sie lässt uns am Sinn unseres bisherigen Lebens zweifeln.
  • Sie stellt Lebensentwürfe infrage, die wir eine lange Zeit – ohne darüber groß nachzudenken – gelebt haben.
  • Sie sucht nach Antworten auf Fragen, die wir uns bisher noch gar nicht gestellt haben.

Eine schier unüberwindbare Kluft öffnet sich zwischen deinem bisherigen Leben und dem Neuen, das noch keinen Namen trägt.

Auf der anderen Seite der Lebensschwelle breitet sich eine Landschaft aus, deren Sprache und Währung wir nicht kennen. Wir haben weder Karte noch Kompass und erkennen schnell, dass die uns bekannten Hilfsmittel dort nicht „funktionieren“.

Und auch die BegleiterInnen, die uns in der Phase der Optimierung ausgezeichnete Dienste leisteten, werden an der Schwelle zurückbleiben.

Ab hier übernehmen initiierte SchwellenhüterInnen, die selbst den kreisrunden Pfad über die Schwelle gegangen sind, das Geleit. Nicht weil sie „besser“ sind, sondern, weil sie mit der Sprache, der Währung, der Landschaft und dem magischen Kompass vertraut sind, der dich die neue, erweiterte Lebenslandschaft einnehmen lässt.

  • Sie sind Meisterinnen beider Lebenswelten und leben das „sowohl-als-auch“.
  • Sie wissen, dass diese Schwellenzeiten jenseits von Zeit und Raum sind, Jahre dauern können und sich so manche darin verloren hat.
  • Sie erinnern dich daran, dass es Zeit wird, weiterzugehen und dich nicht in der Vergangenheit zu verheddern.
  • Sie wissen, dass Schwellenzeiten instabil machen, jedoch keiner TherapeutInnen bedarf, sondern Begleiterinnen, die den Weg schon vor dir gegangen sind.
  • Sie kennen die inneren Jahreszeiten und wissen, wie Übergangszeiten zu meistern sind.

Was bereust Du zutiefst, nicht gelebt zu haben?

Die Psychoanalytikerin und Geschichtenerzählerin Clarissa Pinkola Estéz beschreibt das Nachspüren in den Raum der ungelebten Träume als eine Reise in die Unterwelt. Man verlässt ein überholtes Wertesystem und geht alleine in die unbekannte Wildnis. Sie folgt älteren, inneren Gesetzen, außerhalb der Komfortzone des Herdenbewusstseins. Die früheren Ziele werden uninteressant.

Aus Überlieferungen geht eindeutig hervor, dass die Frauen in den uralten matriarchalischen Kulturen sehr gezielt auf diese Wanderschaft vorbereitet wurden. Frauen, die den Abstieg und die Rückkehr in die Oberwelt erfolgreich gemeistert hatten, wurden als Hohepriesterinnen und „Weltmütter“ verehrt. Ich nenne sie „Mentorinnen der Neuen Zeit“.

Sie sind die Seelenführerinnen, die Frauen in die Unterwelt, dem unbewussten, feinstofflichen Gedanken- und Energiereich, geleiten. Im Altertum wurde jeder Einweihungskandidatin mindestens eine Seelenführerin zur Seite gestellt. Denn wer in die tiefen Schichten dieses Reiches hinabsteigt, muss sich entweder selbst auskennen, oder er braucht eine erfahrene Seelenführerin, damit sie sich nicht in den hypnotischen Fantasiegebilden des Unbewussten verliert. (aus Clarissa Pinkola Estés – Die Wolfsfrau – Die Kraft der weiblichen Urinstinkte)

Mia Brummer

Möchtest Du mehr über die Welt jenseits der Schwelle des Tuns erfahren? Vom 07.-11.09. werde ich 5 Abende lang darüber berichten und wie es uns gelingt, diese Lebensschwelle in ein erfülltes Sein zu übertreten. Hast Du Lust, kostenlos mit dabei zu sein?  Ich freue mich auf Dich! Mehr Infos erhältst Du hier: https://mia-brummer.de/the-mona-experience

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9 Kommentare zu “Wenn das Alte nicht mehr trägt …
  1. Danke, Mira, für deinen wertvollen Text… und ich frage/wundere mich, warum du so deine kostbaren und wertvollen Abende kostenlos anbietest!?
    Von Herzen alles Liebe für dich und alle Schwellenhüterinnen dieser Zeit❣️
    Johanna
    PS: Und so manche Coaches sind auch BegleierInnen und SchwellenhüterInnen 😉💫💛

    • Kleine Ergänzung zu meinem PS:… Coaches, die nicht nur dabei dabei helfen, ‚unsere Performance zu optimieren‘, sondern ihre ‚Arbeit‘ und Aufgabe als BegleierInnen und SchwellenhüterInnen verstehen… das wollte ich nur noch ergänzen, damit kein einseitiges Bild von Coaching entsteht! 😉💫💛

  2. Gabriele sagt:

    Das ist großartig – dass du ES einfach zur Verfügung stellst.
    Gerade heute morgen tauchte die Vision auf, dass sich diese Entlohnen für etwas,
    und all die damit verbundenen Überlegungen, einfach nach und nach auflösen werden und wir schlicht füreinander DA sein werden.
    Aus der puren Freude und dem was LEBEN von uns möchte.
    DANKE von Herzen, Gabriele

  3. Gänsehaut, liebe Mia und Schwester. Und große Freude 🙂

  4. Danke für diesen inspirierenden Text. Ich wollte nie anecken, bin es dennoch immer, in allen Bereichen meines Lebens.
    Ich bin den Weg meiner Seele schon vor meiner Lebensmitte gefolgt, erst recht nach dem Tod meiner Tochter.
    Ich war laut und still, habe mich gezeigt und verkrochen, bin beleidigt worden, nachdem mein Buch erschien.
    Ich lasse mich gerne, gerne begleiten. Diese Schwellenhüterinnen sind Doulas für die Geburt in die letzte Lebensetappe. Wunderbar. Ich gehe leichtfüßig mit. Bin offen, neugierig und auch bereit dies und das und jenes neu zu lernen und mich zu verändern.

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